Arbeit mit Roma-Kindern: Bezaubernd schön, aber alles andere als einfach

Meinen Text möchte ich einem roten Faden folgen lassen: die Frage nach dem Sinn meines Dienstes. Denn die Frage ist mir am meisten während meines Jahres begegnet. Ich habe sie mir oft gestellt, sie wurde mir oft gestellt, wir haben oft im Team darüber gesprochen, privat oder auch auf den Arbeitsmeetings. Warum habe ich das gemacht, was ist das und hat das was gebracht?

Das, das ist mein Friedensdienst in Ostrava/ Tschechische Republik, ich arbeite in einem Club für Romakinder und -jugendliche des Salesianerordens. Ich biete zwei Workshops an: Fußball und Tischtennis. Zudem gibt es noch Billard, Tanzen, Breakdance, Malen, Basteln, Puzzeln, Klettern, Kirchenservice sowie Ferienlager.

Wie meine Arbeit ist, ist die nächste Frage, doch sie ist sehr schwer zu beantworten. Schön und hart, entnervend, stressig und bezaubernd, Arbeit mit Kindern eben. Oder eben doch nicht, denn wir arbeiten nicht mit „normalen“ Kindern sondern mit Roma.
Warum abgrenzen? Normal und Roma? Aus Unfähigkeit meinerseits eine bessere Differenzierung zu finden. Als normal wird die Majorität angesehen, Minoritäten, hier die Roma, sind anders, sonst wären sie keine Minderheit. Soviel festgehalten, aber! das macht sie nicht zu anderen Menschen, weder besser noch schlechter, weder normaler noch abnormaler, weder sozialer noch asozialer. Soviel zu normal.

Unsere Kinder, so nennen wir sie, sind alles andere als normal. Lesen Sie den folgenden Absatz, bitte: ohne abzusetzen! Unsere Kinder habe mir alle, ja alle Vorurteile, die ich über Roma kannte bestätigt: Sie klauen, ja fast alle, sie stinken, ja viele, sie sind asozial, ja sogar die Kleinsten. Das ist ein Schock, der für mich groß war, dachte ich doch, die Berührung mit Menschen räumt Vorurteile aus dem Weg. Hat sie auch, denn: So viele auch diese Vorurteile bestätigen, so viele Roma habe ich auch kennen gelernt, die der täglichen Ablehnung und Diskriminierung durch die Majorität strotzen, die mit uns arbeiten, es gerne tun, helfen wollen, anderen Roma ein positives Vorbild sein und der Armutskultur eine Kraft entgegensetzten wollen. Vor allem aber ein „normales“ Leben führen möchten, was ihnen durch Vorurteile oft verwehrt bleibt, sie werden durch die Erwartung der Gesellschaft in ihre Rolle gedrängt.
Vorurteile sind deshalb schlimm, weil sie verallgemeinern, wo es falsch ist, bei Menschen. Denn trifft man einen, auf den das Vorurteil nicht zutrifft, sollte man es wegschmeißen, gleich mit all den anderen in seinem Kopf. Vorurteile taugten vielleicht in der Steinzeit zur besseren Erkennung von Gefahren, aber wir leben im Jahr 2006, also Schluss mit der Angst vor Fremden, denn diese Fremden sind so menschlich, im guten wie im schlechten, wie du und ich!

Habe ich nicht weiter oben geschrieben, die Arbeit sei schön, bezaubernd – wie, das fragen Sie zu recht, scheint es doch so, als sei ich nur von asozialen, stinkenden Dieben umgeben? Diese Antwort ist einfach: Weil alle Kinder bezaubernd sind, weil Spielen mit Kindern immer schön ist, so man ein Herz hat.

Was hat das also alles gebracht, denn wie oft habe ich, haben wir an unserer Arbeit gezweifelt? Das Spielen, das bezaubernde Lachen? Nein, sicher nicht, oder doch auch. Ich war am Anfang die Sensation, da kommt ein Deutscher, um mit uns zu spielen, kaum zu glauben. Aber aus dem Fremden ist nach und nach das Normale geworden. So konnten sich viele Kinder am Ende nicht vorstellen, nicht einsehen, dass ich nach den Ferien nicht wieder komme.
Das ist vielleicht der Sinn meines Dienstes: das Fremde wird erfahren, es wird vertraut. Ich konnte es bei sowohl bei mir spüren wie auch bei den Kindern.

Realismus meinerseits: Ich habe die Situation der Roma nicht verändert. Bescheidenheit meinerseits: Ich hoffe, ich konnte ein wenig Vertrauen bei den Kindern pflanzen. Selbstvertrauen meinerseits: Ich bin mir sicher dieser Dienst mit ASF war nicht umsonst, er hat etwas verändert, denn wenn sie mich vermissen, dann habe ich sie auch erreicht.

Kommentare

Ja gute Frage, aber kaum zu beantworten, versprochen ich schreib auch mal nen Text darüber. Aber seit dem ich wieder daheim bin hatte ich die ganze Zeit so viel um die Ohren, dass mit reflexieren nulle war.
Deine Mail habe ich bekommen, schreib dir morgen zurück, warst im Spamfilter, aber deine erste/ersten? Mail nicht! Bist jetzt im Adressspreicher, passiert also nicht wieder.
Dennoch werde ich wohl mal zu gmail wechseln, freemail suckt ganz gewaltig.
Schwierig wird sicher auch, den Dienst, das private und den Auslandaufenthalt mit all seinen Schwierigkeiten und Hürden auseinander zu halten. Auch ist es immer einfach zu sagen, amn ist gewachsen, hat sich entwickelt. Wer garantiert einem denn, dass die Ideale, die bei Entwicklungen immer auf der Strecke bleiben, nicht vorher wertvoller waren, als die Erfahrung. Wer sagt, das es immer fortschritt gibt und wir uns nicht im Kreis drehen. Gefühlt sei es nicht so, ich verlass mich eben nur ungern nur auf meine Gefühle.
Also wird das wohl ein langer Text, der mehr Fragen aufwerfen wird als beantworten.

Erstmal finde ich, schreibst Du sehr gut.
Jetzt wissen wir, wie Du über die Kinder denkst, was für einen Sinn dein Dienst aus Ihrer Sicht hatte.

Wie aber hat der Dienst Dich verändert? Ich habe ja meine Zivi in einem Wohnheim für Menschen mit geistigen (z.T. auch körperlichen) Behinderungen gemacht. Die Arbeit mit diesen Menschen hat mir sehr viel gegeben und ich bereue es nicht, dass ich das alles gemacht habe. Es hat mich Menschlich ein ganzes Stück voran gebracht und mir auch geholfen, mich selbst ein Bisschen besser kennen zu lernen.

Wie sieht es bei Dir aus? Inwiefern hat deine Arbeit dort Dich verändert?

P.S.: Du hast ne E-Mail! (chris AT chris – b – online PUNKT de)

Ich hab auch noch vor, mal nen Text darüber zu schreiben, wie mich der Zivldienst verändert hat. Ich habe heute noch viel mit behinderten Menschen zu tun und hätte mir das vor dem Zivildienst eigentlichh gar nicht so vorstellen können.

Hab nen Gmail-Account, den ich aber nicht nutze. Wenn ich demnächst mal Invites bekomme, werde ich Dir einen davon zukommen lassen. Hast Du keinen E-Mail-Server in deinem Hostingpaket?

[…] mein Text echt ma super aussieht in dem Zeichen, wie ich meine. Der Text heißt übrigens “Sinn durch Erfahrung des Fremden? – Arbeit mit Roma-Kindern: Bezaubernd schön, aber alle… und ich werde ihn morgen auch hier […]