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Auf Telepolis kann man ein wirklich gut gemachtes und interessantes Interview mit Prof. Eugen Driverman lesen, indem dieser eine Dystopie der nicht mehr vorhandenen Meinungspluralität durch die Wikipedia entwirft.

Hm, „richtig“ und „falsch“ sind häufig subjektive Wertungen. Bei vielen Dingen verfügen wir gar nicht über ausreichende Informationen, um uns eine Meinung zu bilden, und da kommen wir nur mit Theorien weiter, die angehört und toleriert werden müssen, wenn sie über ein Minimum an Substanz verfügen. Wissenschaft setzt das Recht auf Irrtum mit einer an sich fundierten These voraus, der man ja grundsätzlich auch kritisch gegenüberstehen darf. Voltaire sagte einmal: „Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen.“

Auch wenn die Visionen von Driverman wohl so nie eintreffen werden, legt er den finger in die Wunde der „neuen“ Medien im Internet. Er ist auch nicht so einfach gestrickt, dieses „Neue“ an Papier oder digitalem festzumachen, auch wenn seine Antworten anfangs darauf hindeuten. Es wird aber klarer im Laufe des Interviews, dass er über strukturelle Defizite im Gewährleisten des Meiningspluralismus redet. Er meint ein sich entwickelndes Informationsmonopol der Wikipedia auszumachen und auch wenn ich das persönlich für nicht besonders realistisch halte stellt sich dennoch die Frage danach, wer oder was im Internet eigentlich noch Meinungspluralität strukturell gewährleisten kann.

Alle, lautet eine verbreitete Meinung, arbeiten am Internet mit und so werden alte Strukturen gebrochen und durch Schwärme ersetzt. Meinungspluralität durch Möglichkeit aller zu partizipieren. Eine sehr schöne Vorstellung, die Demokratie auf ein neues Level heben würde, sollte sie zutreffen. Tut sie aber nicht.

Schaut man sich die Wege der Nutzer im Internet an, dann entdeckt man schnell Knotenpunkte, die so plural nicht sind. Gatekeeper, die die alten Gatekeeper ersetzen. Die Wikipedia ist sicherlich einer davon. Google ist sicherlich der größere, einflussreichere. Google als das Tor zum Internet. Google ist für viele das Internet.

Doch Google kann nicht als Gewährleister von Meinungspluralität gelten, wenn man sich anschaut, wie Google funktioniert. Hier entscheiden keine Menschen über Platzierung und somit Relevanz, sondern Algorithmen. Diese sind zwar von Menschen gemacht, aber nicht in Zielsetzung die demokratische Meinungspluralität zu fördern oder zu garantieren. Google verdient Geld. Das tun die alten Medien auch, aber es besteht ein Unterschied. Google verdient zwar auch mit Informationen Geld, aber nicht direkt. zwar müssen die Suchergebnisse besser sein als die der Suchmaschinenkonkurrenz und das auch in Bezug auf Informationen, aber nicht auf Informationspluralität.

Hat man noch vor einigen Jahren die Zeitung oder das Magazin gelesen, die entweder die eigene Meinungsrichtung vertritt oder Meinungen versucht darzustellen, so ändert sich dies jetzt. Die Auswahl gibt der googlesche Algorithmus vor. Was gelistet wird, wird wahrgenommen.

Das ist ein Problem, was diskutiert werden muss. Nur ist der Ruf nach dem regulierenden Staat meiner Meinung nach nicht der richtige Weg. Und ein subventionierter Markt der alten medien wird das Problem nur verschleppen. Es muss diskutiert werden, wo wir als demokratische Gesellschaften hinwollen, nicht schnelle und undurchdachte Lösungen ausgerufen werden. Wir brauchen eine Diskussion über Verantwortung und Alternativen. Denn solange Google bessere Ergebnisse bietet als andere Suchmaschinen, die ja auch dem selben Problem folgen, wird der Markt entscheiden.

Die Frage muss meiner Meinung nach lauten, warum die deutschen Onlinemedien ihre Aufgabe nicht in dem Sinne verrichten können, wie sie es noch im Zeitalter des Print getan haben. Denn warum sollten diese nicht weiter Anlaufstellen und Pluralitätsgaranten sein? Aber dies wird nicht durch Restriktion und staatlichen Eingriff passieren, sondern durch eine Rückbesinnung auf die Stärken des Journalismus miteiner vernünftigen Analyse des „neuen“ im Digitalen.Es ist nicht getan mit ein paar Blogs, die geführt werden wie eine Kolumne und dem einrichten eines Forums. Es muss gefragt werden, was wir eigentlich von einem Medium als Gesellschaft wollen, dass Informationen garantieren und Meinungen darstellen soll. Erst dann kann doch entscheiden werden, welche Formen dafür notwendig sind.

Bild von Tordans unter Creative Commons veröffentlicht