Ich wollte eigentlich in den Winterferien eine Reportage schreiben. Über die Zeit der Gewaltherrschaft des 3. reiches in Tschechien im Vergleich mit der darauffolgenden Unterdrückung durch durch den Kommunismus russischer Prägung. Ich wollte den Großvater von Jana interviewen und noch einen anderen Zeitzeugen, die mir beide von sich aus über diese Zeit erzählt haben und Originaldukumente wie Arbeitsbücher und anderes gezeigt haben. Ich wollte noch das ein oder andere Buch zu dem Thema lesen und mir so ein subjektives wie objektives Bild dieser Zeit in Tschechien machen. Denn Tschechien ist ein Ausnahmefall, sowohl der Faschisten- wie der kommunistischen Unterdrückung. Nicht so offensichtlich brutal niedergeschlagen sollten die Tschechen subtil unterdrückt werden. Aber es gibt Ausnahmen. Nachdem der Reichsprotekto Heydrich von tschechischen Attentätern getötet wurde, sind die Dörfer Lidice und Ležáky dem Erdboden gleichgemacht worden und an der Bevölkerung wurde blutige Rache genommen. Blutig war die Rache der Sowjetunion nicht, aber die Tschecheslowakei hatte in diesen jahren auch nichts entgegenzusetzen, gegen die Übermacht des Warschauer Paktes.
Ich wollte es tun und habe mich mit jemandem besprochen, der sich im Journalismus auskennt und dessen Einschätzung ich vertraue. Ernüchternd. Denn mit solchen Themen könne man niemanden mehr beeindrucken oder interessieren. Sei alles schon etliche Male behandelt worden und selbst die menschliche Komponente sei ausgelutscht.
Kann sein, sollte aber nicht. Es reicht nicht, den Schülern im Geschichtsunterrischt die Ereignisse so schockierend wie möglich zu schildern, damit sie wissen wer ihre Feinde sind: die Nazis. Es reicht nicht aus den Aufstieg der Faschisten in Deutschland und weiteren Ländern Europas in einer Zeitleiste präsentiert zu bekommen. Das wird jedenfalls nur dazu reichen, um ein genauso gestrickten Angriff auf die Demokratie zu verhindern. Wenn überhaupt. Aber ein jeder Angriff ist verschieden, auch wenn Muster zu erkennen sind und die Ideologien hinter den Angriffen so offensichtlich verschieden sind.
In meiner Schulzeit kam der Kommunismus jedenfalls ganz gut weg, nur Stalin wurde als Halbteufel geschildert. Und das finde ich nicht unfair, sondern ungemein gefährlich. Ich will nicht leugnen, dass Neonazis eine enorme Gefahr für die Demokratie darstellen, aber das ihnen der Aufstieg wirklich gelingen wird, halte ich für ausgeschlossen, nicht weil faschistoide Ideen ausgestorben sind, sondern weil der Angriff sicherlich als etwas ganz anderes getarnt kommen wird. Es ist wichtiger meinungs-, minderheiten- und menschenfeindliche Angriffe erkennen zu können, als klar definierte Feindbilder in den Kopf gepflanzt zu bekommen, was sich dann Bildung schimpft.
Es kann sein, dass es diese Reportagen schon gibt und meine wirklich sinnfrei oder Wiederholung wäre, aber ich kenne sie nicht, diese Reportagen, die mir im Kopf rumschwirren. Und wir sollten sie kennen. Reportagen, die nicht schwarz-weiße Feindbilder aufbauen, sondern struckturelles Grauen von egal wem aufzeigen und vergleichen. Auch auf die Gefahr hin, dass irgendwelche Freaks den Vergleich genauso verteufeln, wie sie es immer tun, sobald jemand „Nazi“ oder „Israel“ ruft. Muster erkennen halte ich für viel wichtiger als dem Feind ein Gesicht zu geben. Denn das Gesicht wird freundlich lächeln und soziales Wohl predigen und erst die Muster dahinter lassen die Konsequenzen erahnen.
Kommentare
Nur Mut, finde ich eine absolut spannendes Thema. Wäre mir da gar nicht so sicher, dass es keine Zeitung interessiert. Ansonsten wäre es natürlich auch ein interessanter Beitrag, den Du hier oder in der Reader’s Edition oder so posten könntest.
Tu’s einfach. Ich habe in der Schule nichts über Tschechien erfahren. (Naja eigentlich habe ich gar nichts erfahren, der Geschichtsunterricht hörte mit dem Kriegsende von WW2 auf. Auf Nachfrage zur 68er-Bewegung erklärte der Leerer, er habe sich zu der Zeit bei der Bundeswehr herumgetrieben, darüber könne er nichts sagen. Das traf wohl auf so ziemlich alles zu was über die Weimarer Republik und den alten Adolf in Deutschland, Russland und Frankreich hinausging.)