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Einige von uns, vielleicht eher die älteren, werden sich sicher noch an den Genozid in Ruanda erinnern. 500.000 bis eine Millionen Tutsi sind damals in einem geplanten Akt der Hutu-Regierung mit Hilfe der mehrheitlich aus Hutu bestehenden Bevölkerung getötet worden, ob ihrer Ethnie. Die Straßen des Landes waren mit Leichen gesäumt und die UN-Friedens-Mission hatte nichts besseres zu tun, als 2000 ihrer 2500 in Ruanda stationierten Blauhelmsoldaten abzuziehen. Natürlich erst, nachdem sie alle westlichen Bürger evakuiert hatte.

Man befand, dass das Töten wohl am besten durch Appelle und Verurteilung des Vökermordes zu beenden sei. Völkermord wurde es selbstredend erst genannt, als dieser längst vorbei war und man so durch diese Wortwahl nicht aufgrund der internationalen Agenda der UN zum Eingreifen gezwungen gewesen wäre.

Filme wie „Hotel Ruanda“ oder „Shake hands with the devil“, UN-Protokolle und Reports des leitenden Generals der Friedensmission in Ruanda Dallaire zeigen und beweisen eindrucksvoll, dass die internationale Gemeinschaft sehr wohl vom Genozid informiert gewesen ist und nicht reagiert hat.

Es gibt einige Erklärungsansätze, warum die einzelnen Akteure nicht gehandelt haben. So saß beispielsweise den USA wohl noch der Schreck Somalias im Nacken und sie ließen sie den Brechtschen Aphorismus „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ zur grausamen Realität werden. Dallaire hat mehrfach um eine Aufstockung gebeten und die Lage so eingeschätzt, dass mit einer Aufstockung der Blauhelmtruppen auf 5000 Soldaten, der Genozid zu verhindern gewesen wäre. Er konnte mit seiner verbliebenen Rumpftruppe etwa 30.000 Menschen das Leben retten. Eine massive Präsenz hätte den Massenmord erst gar nicht entstehen lassen.

Geschichte wiederholt sich und es ist bezeichnend, dass das Versagen der UN zu dem Konflikt führte, bzw. ihn stark beeinflusst, in dem sich die UN anschickt ihre Fehler zu wiederholen.

Horst Köhler hat vor knapp einem Monat versucht eine Diskussion über eine Truppenaufstockung im Kongo anzustoßen. Der mediale und gesellschaftliche Effekt war gering. Er war damals auch gering Dagobert hielt Deutschland in Atem und die internationale Gemeinschaft konzentrierte sich auf das auseinanderbrechende Jugoslawien.

Der Kongo steht kurz vor der Schwelle zu einem erneuten Genozid in dieser Region. Die Warnsignale sind vorhanden und selbst ohne den schlimmsten anzunehmenden Fall hat der undurchsichtige Krieg in diesem Land bereits über 8 Millionen Menschen das Leben gekostet. Es ist der verlustreichste Krieg seit dem zweiten Weltkrieg. Aufgrund der undurchsichtigen Einmischung vieler afrikanischer Länder wird dieser Krieg auch häufig als der afrikanische Weltkrieg bezeichnet.

Dennoch interessiert uns Afghanistan und der Irak. Ich will hier keinen Vergleich der Opferzahlen anstellen und so das missachten, was es meiner Meinung nach durch solche Missionen zu schützen gilt: die Menschenwürde. Dennoch ist es mir unverständlich, wie die internationale Gemeinschaft und somit auch Deutschland die Konflikte in Afrika so konsequent ignorieren kann.

Um den Verschwörungstheoretiker ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen sei noch angemerkt, dass der Kongo ein an Bodenschätzen und Ressourcen weitaus reicheres Land als bspw. der Irak ist und somit das Argument nicht zählt, dass die UN nur dort interveniert, wo es auch etwas zu holen gibt. Zudem sei auch gesagt, dass mit der MORUC momentan die zahlenmäßig größte Friedensmission im Kongo aktiv sind. Doch die Experten vor Ort warnen seit Monaten davor, dass selbst die große Zahl von 27.000 Blauhelmen nicht ausreicht, um einen Genozid zu verhindern. Vor allem, da die Mission ungemein schlecht versorgt und ausgebildet ist.

Es kann nicht sein, dass die UN zwei Mal den selben Fehler begeht und die Menschen in der Region der großen Seen zweimal die Mitleidsbekundungen und Appelle der tatenlosen internationalen Gemeinschaft ertragen muss, die den vielzitierten Papiertiger UN  eher als desinteressierten Seelenverkäufer erscheinen lässt.

Dieser Artikel hat bewusst auf den Aspekt Mitleid verzichtet und möchte dennoch Aufmerksamkeit auf einen Konflikt lenken, den Europa mit initialisiert hat. Einmal durch seine koloniale Vergangenheit, die viele ethnische Konflikte überhaupt erst erschaffen hat und und des weiteren durch das bis heute nicht wirklich eingestandene Versagen 1994 in Ruanda. Die damaligen Flüchtlingsströme sind einer der entscheidenden Auslöser der heutigen Konflikte. 2004 zur zehnjährigen Trauerfeier in Ruanda haben alle größeren Staaten Abgesandte geschickt. Heute braucht es behelmte Abgesandte, die schützen können und so eine Trauerfeier 2018 obsolet werden zu lassen.

Es geht in diesem, wie in vielen anderen Konflikten, nicht nur um die Glaubwürdigkeit der internationalen Gemeinschaft, sondern auch um Realitätssinn. Nationale Politik muss scheitern, weil die Strukturen des Lebens nicht mehr vor dem Nationalstaat halt machen. Wenn sie dies überhaupt irgendwann getan haben. Ein Bewusstsein für dies zu schaffen wird nicht gelingen, wenn man sich geopolitisch wie medial nur den Konflikten zuwendet, in denen eigene Interessen jeglicher Art ihren Kontext wahren. Es ist naiv anzunehmen, dass sich allein im Nahen Osten mit dem für Deutschland hoch brisantem Akteur Israel allein die Welt zum Guten wendet.

Diesem Scheuklappendenken ist man schon im Kalten Krieg aufgesessen, dachte man doch, alle Probleme dieser Welt seien mit einem Mal gelöst, wenn der Vorhang fällt. Die heutige Weltlage belehrt uns eines besseren und daraus keine Konsequenzen zu ziehen, wäre nicht nur gegen unsere Grundsätze, es wäre vor allem auch fatal für die Möglichkeiten der UN weiterhin als Akteur wahrgenommen zu werden.

Das Bild ist von Perconte und wurde von mir bearbeitet. Es steht unter dieser Creative Commons Lizenz.

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