platon – Raue https://raue.it Tue, 15 Dec 2015 06:14:05 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.6.14 https://raue.it/wp-content/uploads/2015/11/cropped-logo-st3-32x32.png platon – Raue https://raue.it 32 32 Kallikles und Nietzsche: Ein Vergleich https://raue.it/allgemein/kallikles-und-nietzsche-ein-vergleich/ https://raue.it/allgemein/kallikles-und-nietzsche-ein-vergleich/#comments Tue, 17 Jul 2007 15:38:24 +0000 http://philosophie.raphael-raue.de/2007/07/17/kallikles-und-nietzsche-ein-vergleich/ Ich möchte in diesem Vergleich Äußerungen des Kallikles in Platons Dialog „Gorgias“ mit denen Friedrich Nietzsches Vergleichen und klären, inwieweit sich die Positionen unterscheiden. Dafür werde ich nicht die Widerlegung des Kallikles durch Sokrates hinzuziehen, sondern nur die Ausgangsposition des Kallikles betrachten.Deshalb sei angemerkt, dass Kallikles im Verlauf des Gesprächs mit Sokrates einige Male widerspricht […]

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Ich möchte in diesem Vergleich Äußerungen des Kallikles in Platons Dialog „Gorgias“ mit denen Friedrich Nietzsches Vergleichen und klären, inwieweit sich die Positionen unterscheiden. Dafür werde ich nicht die Widerlegung des Kallikles durch Sokrates hinzuziehen, sondern nur die Ausgangsposition des Kallikles betrachten.Deshalb sei angemerkt, dass Kallikles im Verlauf des Gesprächs mit Sokrates einige Male widerspricht und seine Position sich wandelt, ohne jedoch die Kernaussage zu verlieren. Diese führt Sokrates auf einen Widerspruch.Zunächst eine Eingliederung in den Kontext des Dialogs, um die Aussage des kallikles besser einordnen zu können: Sokrates diskutiert mit Polos darüber, was besser sei: Unrecht tun oder Unrecht leiden? Sie kommen zu dem Schluss, das Unrecht leiden besser sei, als Unrecht tun und daraufhin tritt Kallikles in das Gespräch ein, der nicht glauben kann, dass dies kein Scherz von Sokrates sei. Kallikles vertritt im folgenden die Gegenteilige Position. Aus dieser Position werde ich nun einige Textstellen heraus greifen und sie zunächst unkommentiert einigen Zitaten Nietzsches gegenüberstellen:1. Kallikles„Für einen Mann ist das Unrechleiden ja kein annehmbarer Zustand“ (Alle hier aufgeführten Zitate des Kallikles sind aus Platons Dialog „Gorgias“ 483 B-E entnommen.)1.1 Nietzsche„Die vornehme Art Mensch fühlt sich als werthbestimmend, sie hat nicht nöthig, sich gutheissen zu lassen, sie urtheilt was mir schädlich ist, das ist an sich schädlich, sie weiss sich als Das, was überhaupt erst Ehre den Dingen verleiht, sie ist wertheschaffend.“ (Friedrich Nietzsche. Jenseits von gut und Böse: 260. S. 209.)2. Kallikles„Doch die Gesetze, glaube ich, sind von den Schwachen und von der großen Masse gemacht. Zu ihren Gunsten und zu ihrem eigenen Nutzen stellen diese die Gesetze auf“2.1 Nietzsche„So lange die Nützlichkeit, die in den moralischen Werthurtheilen herrscht, allein die Heerden-Nützlichkeit ist, so lange der Blick einzig der Erhaltung der Gemeinde zugewendet ist, und das Unmoralische genau und ausschliesslich in dem gesucht wird, was dem Gemeindebestand gefährlich scheint: so lange kann es keine „Moral der Nächstenliebe“ gebe. Friedrich Nietzsche. Jenseits von Gut und Böse: 201. S.121.3. Kallikles„Denn da sie [die Schwachen] weniger wert sind, sind sie, glaube ich, zufrieden, wenn sie nur den gleichen Anteil haben.“3.1 Nietzsche„Umgekehrt werden die Eigenschaften hervorgezogen und mit Licht übergossen, welche dazu dienen, Leidenden das Dasein zu erleichtern: hier kommt das Mitleiden, die gefällige hülfsbereite Hand, das warme Herz, die Geduld, der Fleiß, die Demuth, die Freundlichkeit zu Ehren.“ Friedrich Nietzsche. Jenseits von Gut und Böse: 206. S. 211.Die inhaltliche Nähe dieser drei Zitate ergibt sich aus diesen selbst und muss nicht weiter erläutert werden. Doch ich möchte dennoch auf die Position des Kallikles eingehen um dann die Unterschiede Nietzsches auszumachen.Kallikles Position ist eine nicht-moralische. Er lehnt das Gesetz ab und beruft sich auf die Regeln der Natur. Das Gesetzt steht hier für sittliche Gesetze und moralische Vorschriften, die die Gemeinschaft macht. Kallikles mein, dass diese Gesetze nur gemacht wären um den Schwachen zu dienen und somit die Starken knechte. Diese hätten aber von Natur aus das Recht zu herrschen. Er akzeptiert die Geltung einer Moral nicht, da sie der Natur widerspreche. Moral ist eine Erfindung der Schwachen. Kallikles will keine andere Moral, sondern überhaupt keine Moral. Seine Argumentation ist begründet auf die Existenz eines Naturrechts des Stärkeren.Hier sehe ich den Unterschied zur Position Nietzsches. Die drei Zitate sind aus dem Werk „Jenseits von gut und Böse“ welches eine Analyse der Moral vornehmen möchte um diese zu revidieren. Nietzsche zeigt auf, dass Moral ein philosophisches Problem ist. Das heißt, nicht nur ethische Grundsätze und moralische Gesetze sind problematisch und müssen auf ihre Geltung hin untersucht werden, sondern die Moral überhaupt. So versucht Nietzsche zu zeigen, dass das, was als Moral verstanden wird, ohne Begründung der Existenz von Moral keine Geltung haben kann. Die Zitate müssen also im philosophischen Kontext gesehen werden. Kallikles geht von einem Naturrecht aus, dass dem moralischen Gesetz widerspricht. Nietzsche untersucht Moral und findet in ihr Widersprüche. Das sind ganz unterschiedliche Argumentations- und Reflexionsansätze. Kallikles begeht den selben Fehler, den Nietzsche Moraltheoretikern vorwirft: Er geht von einem Gesetz aus, dessen Existens erst bewiesen werden müsste. Kallikles Argumentation steht und fällt mit der Behauptung des Naturrechts. Er setzt lediglich an die Stelle der moralischen Gesetze die natürlichen Gesetze, so wie er sie sieht, ohne dafür Gründe anzugeben. Beispiele aus dem Tierreich sind seine einzige Untermauerung, diese können aber nicht als Gründe gelten, da Beispiele niemals Gesetzmäßigkeiten beweisen oder begründen können.Ob Nietzsche ebenfalls zu einer Art Naturrecht in seinen Überlegungen kommt, oder ob seine Philosophie eher eine Tugend-Moral darstellt ist umstritten. Es kann jedoch festgehalten werden, dass Nietzsche ganz anders an das Problem herangeht, als dies Kallikles tut. Seine Methode ist die philosophische. Er hinterfragt Moral und kommt so zu Schlüssen, die denen des Kallikles ähneln, aber keinesfalls die gleichen sind. Zudem sind diese Schlüsse nicht das Ende seiner philosophischen Überlegung, sondern stellen lediglich die Grundlage seiner praktischen Philosophie dar.Ich habe in diesem Text gezeigt, dass sich die Positionen Nietzsches und Kallikles deutlich unterscheiden. Sowohl in ihrer inhaltlichen Bedeutung, als auch in der Herangehensweise. Kallikles lehnt die philosophische Betrachtung ab und gründet seine Position nur auf einer Gegenbehauptung. Nietzsches Position zeichnet sich aber durch philosophische Reflexion aus.

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Erfahrung ist auch nicht das Wahre https://raue.it/gesellschaft/erfahrung-ist-auch-nicht-das-wahre/ https://raue.it/gesellschaft/erfahrung-ist-auch-nicht-das-wahre/#comments Sun, 01 Jul 2007 15:22:33 +0000 http://www.onezblog.de/item/2007/07/erfahrung-ist-auch-nicht-das-wahre/ Dieser Artikel ist eine Reaktion des Artikels „red doch tacheles„. Ich habe lange überlegt, ob ich mich dazu äußern soll und mich jetzt doch positiv entschieden. Der Artikel ist interessant und dennoch lehne ich die Grundaussage entschieden ab. Warum möchte ich hier erläutert und gehe dafür in der Geistesgeschichte um etwa 2500 Jahre zurück. Denn […]

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Dieser Artikel ist eine Reaktion des Artikels „red doch tacheles„. Ich habe lange überlegt, ob ich mich dazu äußern soll und mich jetzt doch positiv entschieden. Der Artikel ist interessant und dennoch lehne ich die Grundaussage entschieden ab. Warum möchte ich hier erläutert und gehe dafür in der Geistesgeschichte um etwa 2500 Jahre zurück. Denn dieser Konflikt ist nichts neues und die Positionen sind es auch nicht. Platon und Aristoteles haben diesen Konflikt stellvertretend schon einmal ausgefochten. Und bitte lest den Artikel auf Fixmr, bevor ihr hier kommentier, denn sonst ist die Betrachtungsweise wirklich zu einseitig.

Aber zunächst einmal zum Konflikt. Oliver schreibt über die Erfahrung und das sie „echtes Leben“ überhaupt erst Möglich macht. Erfahrung verringert zudem die Möglichkeit die „falschen“ Schlüsse zu ziehen. Erfahrung lässt einen Gedanken vollziehen, die der Unerfahrene sich scheinbar nicht macht. Erfahrung bringt Vorsprung, der zu respektieren sei. Alles andere ist pubertär.

Das ist Olivers Position, natürlich von mir künstlich zugespitzt. Es muss schon so sein, dass er sich darin nicht wiederfindet, auch wenn ich stur dem Text gefolgt bin. Die Position wird allerdings relativiert, dass auch der Erfahrenste nicht Perfekt sei. Aber etwas anderes war auch nicht zu erwarten.

Ich will gar nicht direkt auf den Text eingehen, sondern stelle ein paar Fragen an den Text, die mir vollkommen dunkle erscheinen, um dann Platon und Aristoteles sprechen zu lassen.

Was meint Oliver wohl mit dem echten Leben? Gibt es denn ein, also ein echtes? Oliver ist der Aristoteles in dem Konflikt, der besagt, dass jedem Menschen ein Ergon, ein Wesen innewohnt, dass durch lernen, üben und Wissen befördert werden muss. Es gibt ein echtes Wesen/ Leben was gefunden werden muss. Aristoteles, und ich denke Oliver auch, meint mit Erfahrung nicht nur das fortgeschrittene Alter, sondern die Zeit, die auf das Ergon verwendet wurde. Wie weit ist der Mensch sich selbst schon näher gekommen.

Platon demgegenüber hält von Erfahrung nichts und von Respekt auch nicht. Seine Figur des Sokrates lässt er sich hinwegsetzen über jegliche Norm und Manier. Sokrates ist es egal ob jemand alt, jung, erfahren oder unerfahren ist. Das Wissen und die Möglichkeit zu denken wohnt dem Menschen inne und kann von jedem Menschen entdeckt werden. So entlockt er im Menon einem Sklaven die Theorie des Pythagoras. So konfrontiert er immer wieder erfahrene Männer mit ihrem Nichtwissen, welche ganz entgegen ihrer Erfahrung zu stehen scheint. Es scheint nur so, weil Erfahrung für Sokrates nichts bedeutet, wenn sie nicht genutzt wird um Wissen zu begründen.

An der Beschreibung dieser beiden Positionen, die unvollständig und bruchstückhaft ist, kann man schon ablesen, welche ich wohl präferiere. Die Position des Aristoteles ist metaphysisch. Sie geht von einem Wesen des Menschen aus, dass bis heute nicht bewiesen werden konnte. Die metaphysische Philosophie ist seit Nietzsche nahezu tot und die Argumente gegen solche starke Annahmen sind zahllos.

Platon hat einen viel bescheideneren Wissensbegriff. Sokrates weiß nicht nur um die Unmöglichkeit der Perfektion, die auch Aristoteles einräumt, er weiß, dass kein Wissen möglich ist. Das ist natürlich nicht so zu verstehen, dass überhaupt kein Wissen möglich ist, sondern nur, dass man sich seines Wissens nicht zu sicher sein soll.

Der Erfahrene hat tatsächlich einige Vorteile, so hatte er mehr Zeit zu denken, Wissen zu erlangen und Dinge zu üben. So wie Aristoteles es beschreibt. Aber Platon würde einwerfen, dass es gar nichts nutzt, wenn die intellektuelle Bescheidenheit des Wissens um das Nichtwissen nicht hinzukommt.

Wer länger lebt hatte mehr Zeit Vorurteile anzuhäufen. Er hatte auch viel mehr Zeit sich Rechtfertigungen für diese zu überlegen. Er hatte auch viel mehr Zeit seine Macht auszubauen um diese sogar zur Untermauerung seiner Vorurteile zu nutzen. Er kann Vorurteile viel subtiler unter die Leute bringen, weil er nicht mehr so pubertär ungestüm ist. Alles schlechte Möglichkeiten, die ich überhaupt nicht in Olivers Text finde.

Das heißt nicht, dass er sie nicht auch bedacht hat, aber dennoch bleibt es mir unklar, warum das nicht einmal erwähnt wird. Ein Kommentator fragt Oliver „Hast du noch nie einen 60-jährigen Vollidioten gesehen?“ und der antwortet „Selbst der größte Idiot der selbstständig lebt, kann doch nicht der größte sein, wenn er es denn packt alleine zu leben.“ Wenn das das echte Leben ist, nur zu leben, wo bitte ist dannder Vorsprung der Erfahrung?

Auch wenn ich hoffe, dass jetzt nicht das gebashe losgeht, weil ich jung bin, damit angeblich auch unerfahren, möchte ich einen kleinen Disclaimer schreiben: Ich bin 22 Jahre, studiere erst im zweiten Semester, noch keine Zwischenprüfung, wohne seit meinem 17. Lebensjahr nicht mehr bei Mutti, sondern allein. War ein Jahr allein auf mich gestellt im Ausland und habe dort Sozialarbeit in einer Romajugendeinrichtung gemacht, aber muss noch immer nicht das Geld für eine Familie verdienen, habe auch noch keine Kinder.

Was das alles mit dem Thema, oder überhaupt mit Themen und ihrer inhaltlichen Diskussion zu tun hat, ist mir eben auch ein Rätsel. Genau deshalb habe ich diesen Artikel geschrieben. Ich weiß einfach nicht, was die Erfahrung für eine Art Argument sein soll. Auch wenn ich verstehen kann, dass Oliver so mancher dumme Frage/ Kommentar vorbeugen will mit diesem Artikel. Aber taugtdie Argumentation zu mehr?

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Das Problem der Demokratie ist die Gier nach Freiheit https://raue.it/gesellschaft/platon-rawls-demokratie-politik/ https://raue.it/gesellschaft/platon-rawls-demokratie-politik/#comments Sun, 10 Jun 2007 11:40:47 +0000 http://www.onezblog.de/item/2007/06/platon-rawls-demokratie-politik/ Dieser Artikel ist mein Beitrag zum politischen Blog-Karneval. Er ist lang geworden, aber das Thema zwang mich dazu. Ich habe überlegt ob ich ihn in in drei Teilen veröffentliche, mich aber dagegen entschieden um den Zusammenhang besser deutlich zu machen. „Politikverdrossenheit in Deutschland. Wohin führt uns die Parteiendemokratie? Kritiken, Analysen und Utopien sind gefragt!“ Haben […]

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Dieser Artikel ist mein Beitrag zum politischen Blog-Karneval. Er ist lang geworden, aber das Thema zwang mich dazu. Ich habe überlegt ob ich ihn in in drei Teilen veröffentliche, mich aber dagegen entschieden um den Zusammenhang besser deutlich zu machen.

„Politikverdrossenheit in Deutschland. Wohin führt uns die Parteiendemokratie? Kritiken, Analysen und Utopien sind gefragt!“

Haben wir in Deutschland ein Problem mit der Politik? Gibt es Verdrossenheit über unsere Bundesregierung, die gravierend genug ist, um ein solches Thema zu rechtfertigen? Ist die Parteiendemokratie gescheitert und müssen wir uns massive Gedanken zu ihrer Erhaltung machen?Ich beginne mit Fragen, die ich nur zum Teil zu beantworten im Stande bin. Ich halte sie für wichtig zu klären. Allerdings werde ich euch nicht mit Zahlen überhäufen, bis ihr mir glauben müsst, wir hätten ein Problem. Zahlen lügen nicht, aber der Benutzer von Statistiken legt doch immer eine gewisse Subjektivität hinein. Die Wahlbeteiligung sinkt seit Jahren und es ist kein Aufwärtstrend zu erkennen. Aber ist das gleich ein Problem? Kann man an den Zahlen von 77 Prozent bei der letzten Bundestagswahl die Probleme unserer Demokratie festmachen? Wohl kaum, es sei denn man benutzt die Zahlen als Indizien und diese führen doch oft zu einem falschen Urteil, die Filmgeschichte ist voll davon. Ich will ins Eingemachte gehen und die Zahlenspiele jemand anderem überlassen.

Ich gehe nicht mehr wählen, weil es mittlerweile egal geworden ist, wen ich wähle. Ich kann keinen nennenswerten Unterschied mehr erkennen. Die SPD versucht die CDU rechts zu überholen, die CDU versucht es auch mal bei den Gewerkschaften und FDP und die Grünen rangeln um die Mitte. Wir haben gelernt, dass Wahlversprechen nicht so Ernst zu nehmen sind, Parteiprogramme in etwa so zukunftsversprechend sind wie der Blick in die Kristallkugel und Politiker sich lieber in der Fraktion kuscheln, anstatt eine politische Linie zu vertreten. Ich kann euch sagen, wir sind enttäuscht von diesem Medienzirkus, der sich Politik nennen. Wir sind verdrossen und Zahlen drücken das nur bedingt aus.

Deutschlands Jugend hat den Glauben an die Politik verloren und plant schon die Zeit nach dieser Republik.

Und geht es nach dem Denker, dessen Gedanken zur Demokratie ich euch im Folgenden vorstellen möchte, hätte es auch gar nicht anders kommen können. Demokratie ist nur ein Zeitabschnitt in der ewig wiederkehrenden Abfolge von Oligarchie, Demokratie und Diktatur. So schrieb vor mehr als zwei Tausend Jahren Platon und lässt der Hypothese eine gewichtige Analyse folgen. Dieser will ich nicht ganz folgen, würde es doch hier zu langatmig. Ich gebe sie gekürzt wieder und empfehle jedem, den diese Analyse genauer interessiert, die „Politeia“ zu lesen und die Argumente genauer zu studieren.

Platon unterscheidet drei Staatsformen, die sich in einem ewigen Wechsel ablösen. Die Demokratie löst die Oligarchie ab, die Demokratie führt in die Diktatur und diese wiederum wird in die Oligarchie übergehen. Alle drei Staatsformen haben systemimmanente Fehler, die den ständigen Wechsel herbeiführen. Bei der Oligarchie ist es die Gier nach Reichtum, die in eine Revolution mündet, der Diktatur wohnt die Machtgier inne, die den Tyrannen stürzen wird. Der Fehler der Demokratie ist die absolute Freiheit, die den Grundgedanken der Demokratie beherrscht und sowohl ihren Anfang und ihr Ende bedeutet.

Die Freiheit soll der Fehler der Demokratie sein? Das klingt paradox, doch es steckt mehr dahinter, als ein unreflektierter Freiheitsbegriff, der heute oft skandiert wird.

„Ich denke mir, wenn eine demokratische Stadt nach Freiheit dürstet, aber böse Weinschenken an ihre Spitze bekommt und sich über den Durst am ungemischten Wein der Freiheit berauscht, dann wird sie ihre Regierenden bestrafen, wenn diese nicht ganz nachgiebig sind und ihr in reichem Maße Freiheit gewähren, indem sie sie als verbrecherisch und oligarchisch beschuldigt.“ (Platon: Politeia. 562c.)

Ich werde jetzt nicht die argumentative Hinführung und die Analyse der übermäßigen Freiheitsgier des demokratischen Menschen verfolgen, sondern habe dieses Zitat ausgewählt, da es mir die direkte Überleitung zur Gegenwart mit Platons Gedanken erlaubt. Der oben zitierte Moment ist derjenige, an dem die Demokratie anfällig wird für Demagogen und Tyrannen, die sich noch nicht als solche zeigen. Das Streben nach Freiheit birgt in sich schon die Umkehr und das Verführtwerden; den Wechsel der Demokratie zur Diktatur.

Ich könnte jetzt die Weimarer Republik anführen und dann Parallelen und Unterschiede aufweisen, um auf die Gefahr einzugehen, die von solchen Situationen ausgeht. Das werde ich nicht tun, sondern diesen grundlegenden Moment untersuchen. Wer unbedingt eine direkte Beziehung zur Gegenwart präsentiert haben möchte, der sehe sich im Internet und auf Demonstrationen, Bushaltestellen und sonstigen Aufkleberfarmen um. Er wird sicherlich einige Beispiele der Vorwürfe finden: verbrecherisch und oligarchisch. Aber diese Vorwürfe bleiben nicht mehr in in ihren Mileus, in denen sie seit den 60er Jahren zu finden sind und doch die Demokratie nie ernsthaft gefährdet haben. Diese Vorwürfe finden sich zunehmend auch in der Politik. Sei es bei Christiansen oder auf Gewerkschaftsveranstaltungen. Sei es bei der neu formierten Linkspartei, sei es im Parteiprogramm der NPD. Der Vorwurf, der Staat beute den Bürger aus und nehme ihm seine Freiheit, ist nicht neu, aber in seiner Vehemenz doch eine Auswirkung der wirtschaftlichen Stagnation der letzten Jahre.

Die Brisanz der platonischen Überlegung, zusammen mit den sich häufenden Äußerungen einiger Politiker liegt auf der Hand, auch wenn diese ausfallenden Politiker sicherlich noch nicht sonderlich zahlreich sind. Äußerungen, die dem Staat „Terror am Hindukusch“ vorwerfen, schweben mir da jetzt vor. Es sind Angriffe auf die Demokratie, die als solche sogar demokratisch ablaufen müssen, folgt man Platon.

Aber ich würde auch Äußerungen hinzunehmen, die direkt aus der „neuen Mitte“ stammen. Wenn die Unschuldsvermutung nicht mehr überdauern soll, dann ist das auch ein direkter Angriff auf die Freiheit des Bürgers und damit der zweite Schritt in einer Eskalation, die unweigerlich in das von Platon beschrieben Szenario führen muss, sollte sich nicht irgendetwas Substanzielles im Verhältnis von Staat und Bürger verbessern.

Dann ist es auch egal, ob der Demagoge, der zum Tyrannen aufsteigen will, von rechts oder links kommt. Beide Extrempositionen bieten genug Grundlage, um verzweifelten Menschen, die um ihre Freiheit bangen, plausible Erklärungen zu geben, so falsch und inkonsistent sie auch sein mögen. Versprechungen sind eine starke politische Waffe, auch im demokratischen Spektrum.

Aber will ich hier jetzt eine große Gefahr für die Demokratie herbeischreiben oder sehe ich sie wirklich?

Keines von beidem, aber das ist ein Szenario, das Platon beschreibt, das sicherlich nicht einfach weggewischt werden kann und sollte. Demokratie ist ständig in Gefahr und das wenigstens kann uns die deutsche Geschichte lehren. Ich lasse auch das Argument nicht gelten, dass die Bevölkerung heute viel demokratisierter sei, als das in der Weimarer Republik der Fall war. Platon beschreibt nicht einzelne demokratische Systeme, sondern ein Grundproblem, dass allen innewohnt.

Wird die Demokratie auf jeden Fall zusammenbrechen?

Nun ich bin kein Hellseher und kann deshalb erstmal nur mit Platon antworten: Ja das wird sie! Allerdings ist vielen nicht bewusst, dass das, was unser Staatssystem in der BRD bezeichnet, eher eine Parteienoligarchie, denn eine Demokratie zu nennen wäre, aber das ist wohl eher Haarspalterei, könnte aber Aufschluss darüber bieten, warum die BRD vielleicht nicht unbedingt in die platonische Krise stürzen muss. Sie ist schon eine Mischform.

Worauf ich eigentlich hinaus will mit diesen platonischen Gedanken ist die Unsinnigkeit der Politikverdrossenheit. Das möchte ich im Folgenden ausführen. Dazu werde ich drei Grundthesen formulieren:

These 1: Dieser Staat ist nicht der optimale Staat. Kein Staat dieser Welt ist ein optimaler Staat.

These 2: Die optimale Staatsform ist noch nicht gefunden.

These 3: Die heutige demokratische Staatsform ist die optimale, um ein besseres System zu erdenken/entwickeln.

Um meine Thesen zu begründen, möchte ich die Gedanken eines weiteren Philosophen beanspruchen: John Rawls. In seinem Werk „Eine Theorie der Gerechtigkeit“ nimmt er eine unglaublich wichtige Unterscheidung vor, die sicherlich erhellend sein wird. Gerechtigkeit ist nicht gleich Gerechtigkeit und somit werden viele Anschuldigungen von Politikverdrossenen zu Unsinn und dem momentan bestehenden Staat eine ganz andere Rolle zugeteilt als vielleicht bisher erwartet.

Nach Rawls kann es keinen gerechten Staat geben, es wird immer Ungerechtigkeit geben und auch ein perfekter Staat kann diese nicht ausgleichen. Gerechtigkeit wird vielmehr vor Gründung des Staates erreicht und zwar in einem Gedankenexperiment, das ich euch kurz vorstellen möchte.

Unter dem Schleier des Nichtwissens treffen sich die Menschen, um über einen perfekten Staat zu beraten. Dieser Schleier meint, dass niemand weiß, wo er in diesem Staat stehen wird. Wo er in ihn hinein geboren wird, welche Fähigkeiten und Talente er haben wird und ob er erfolgreich sein wird oder nicht. Dadurch soll eine Objektivität erreicht werden, um einen gerechten Staat entwickeln zu können. Befangenheit der Menschen ist in diesem Gedankenexperiment ausgeschaltet. Es wird dann eine Wirtschafts-, Rechts- und Staatsform gesucht, die unter diesem Schleier als gerecht gelten kann.

Der Staat ist gerecht und die Ungerechtigkeit entsteht erst durch die Unmöglichkeit, dass alle alles haben. Die Gerechtigkeit des Staates wird „außerhalb“ dieser Welt in einem Gedankenexperiment sichergestellt.

Daran ist auch schon zu zeigen, dass meine These 1 richtig ist und kein Staat dieser Welt als gerecht bezeichnet werden kann, weder im ersten noch im zweiten rawlschen Sinne. Alle Staaten heute sind partikulär und es gibt nicht einen Staat mit gleichen Regeln für Alle. Die Gerechtigkeit im Schleier des Nichtwissens kann aber nicht partikulär sein und nur Menschen bestimmter Landstriche vorbehalten sein.

Meine zweite These werde ich nicht beweisen können, allerdings gibt der gesunde Menschenverstand Grund genug für diese Annahme. Ein Staat muss flexibel, darf aber nicht zu flexibel sein. Muss sich weltverändernden Situationen anpassen können, ohne seine Grundpositionen zu verlassen. Diese Form des flexiblen Staates ist noch nicht gefunden. Es existieren Grundgerüste, die besser oder schlechtere Fundamente bieten. Demokratie ist ein Modell unter vielen.

Das Modell Demokratie ist aber das momentan beste, da es zumindest so beständig ist, dass es die Möglichkeit bietet, an einem besseren Staat zu arbeiten, Theorien zu entwickeln und den Diskurs zu suchen. Meinungsfreiheit ist der Schlüsselbegriff. Meine These 3 bezieht sich darauf. Es gibt vieles in dieser Demokratie, was unglaublich schlecht läuft, Ungerechtigkeiten und systemimmanente Fehler. Aber wir sollten dankbar sein, in diesem System die Möglichkeit zu haben, über bessere Systeme nicht nur nachzudenken, sondern sie auch voranzutreiben. Aber wir sollten diese Chance auch nutzen und uns nicht in Selbstmitleid verlieren.

Politikverdrossenheit ist dumm, weil sie die Situation missdeutet und nicht versteht. Sie sieht sich einem politischen System gegenübergestellt, das nicht gerecht ist, aber sieht nicht die Chancen, es zu verbessern. Damit meine ich nicht, wählen zu gehen oder den Politikern Beifall zu klatschen. Ich meine, dass geforscht, diskutiert, geredet und gestritten werden muss. Aber nicht gekämpft. Gewalt kann nie Grundlage eines gerechten Staates sein, also lohnt es sich auch nicht, für ihn zu kämpfen. Ich meine nicht, dass der gewaltsame Widerstand in Zeiten des Dritten Reiches unrecht war, sondern nur, dass das auf den Zweiten Weltkrieg aufgebaute System eben auch nicht gerecht ist. Wir müssen die Chancen der Demokratie nutzen.

Unser demokratisches System ist ein Luxus, der in der Geschichte der Menschheit noch nicht vorgekommen ist und die deutsche Ausprägung ganz besonders. Doch statt diese Chance zu nutzen, resignieren wir. Das muss sich ändern. Ich will jetzt hier keinen Ausblick geben, wie das zu tun ist oder in welcher Form, auch wenn ich natürlich meine Vorstellungen davon habe.

Ich ende an dieser Stelle und hoffe, dass ich zeigen konnte, dass Politikverdrossenheit wider die Vernunft ist. Die Gegenfrage stellt sich aber dennoch und ist nicht beantwortet: Was ist vernünftig, auf welchem Weg können wir vernünftig partizipieren und vor allem, wie überbrücken wir die Grabenkämpfe der Demokratie, um in einen Diskurs eintreten zu können, der vielleicht irgendwann Früchte tragen wird?

Ich hoffe, dass dieser Ausflug in die Philosophie nicht zu grundlegend war und ich in den Augen des geneigten Lesers am Thema vorbeigeschrieben habe, aber ich halte es für wichtig in die Tiefen der Begriffsklärung zu gehen, bevor man Ideologien verbreitet oder sich politisch engagiert. Was ist Freiheit, was gerecht? So theoretisch diese Fragen auch sind, sie müssen geklärt werden, bevor man sich an ihre Umsetzung macht.


Politik muss nicht aus Worthülsen und Politikersprech bestehen. Politik ist das, was wir daraus machen!

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Vom Mythos zum Logos https://raue.it/gesellschaft/vom-mythos-zum-logos/ https://raue.it/gesellschaft/vom-mythos-zum-logos/#comments Tue, 15 May 2007 17:46:51 +0000 http://philosophie.raphael-raue.de/2007/05/15/vom-mythos-zum-logos/ Mythos und Logos sind beides Erklärungmethoden der Welt. Alles was uns begegnet wird versucht zu erklären. Der Mythos versucht dies durch Geschichten, Gedichte und Sagen. Meistens sind die Götter Ursache aller Erscheinungen. Platon steht für den Wechsel der Methode zur Erklärung der Welt. Vom Mythos zum Logos. Logos ist die rationale Erklärung der Welt.Platon benutzt […]

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Mythos und Logos sind beides Erklärungmethoden der Welt. Alles was uns begegnet wird versucht zu erklären. Der Mythos versucht dies durch Geschichten, Gedichte und Sagen. Meistens sind die Götter Ursache aller Erscheinungen. Platon steht für den Wechsel der Methode zur Erklärung der Welt.

Vom Mythos zum Logos. Logos ist die rationale Erklärung der Welt.Platon benutzt viele Begriffe, die typisch sind für die mystische Welterklärung auch: Seele, Gott, Tugend, Gutsein(areté) etc. Der Unterschied ist jedoch, dass Platon diese Begriffe zu definieren versucht. So ist Seele nicht mehr nur ein Wort um das Nichtwissen über die genaue Bestimmung des Menschseins zu füllen, sondern steht für eine ganze Theorie, die der Seelenlehre.

Diese Seelenlehre mag uns zwar heute recht mysthisch anmuten, ist aber dennoch der versuch einer Definition. Einer rationalen Definition.Der Wechsel ist auch an den Fragewörtern festzumachen. Fragt der mythos nur nach dem Warum und Wie, geht Platon einen Schritt weiter und fragt „was genau“. Festzumachen ist dies z.B. im menon-Dialog, als Sokrates die Frage erörtert, was genau areté sei. Dabei will er nicht nur eine Beschreibung, was alles areté sein kann, sondern eine Definition.

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