kritik – Raue https://raue.it Tue, 13 Jan 2009 18:27:07 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.6.14 https://raue.it/wp-content/uploads/2015/11/cropped-logo-st3-32x32.png kritik – Raue https://raue.it 32 32 Globalisierung ist ein alter Hut https://raue.it/gesellschaft/globalisierung-ist-ein-alter-hut/ Tue, 13 Jan 2009 18:27:07 +0000 http://www.onezblog.de/?p=723 Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen. Die Bourgeoisie hat durch ihre Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumption aller Länder kosmopolitisch gestaltet. Sie hat zum großen Bedauern der Reaktionäre den nationalen Boden der Industrie […]

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Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen.

Die Bourgeoisie hat durch ihre Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumption aller Länder kosmopolitisch gestaltet. Sie hat zum großen Bedauern der Reaktionäre den nationalen Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien, deren Einführung eine Lebensfrage für alle zivilisierten Nationen wird, durch Industrien, die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich verbraucht werden.

An die Stelle der alten, durch Landeserzeugnisse befriedigten Bedürfnisse treten neue, welche die Produkte der entferntesten Länder und Klimate zu ihrer Befriedigung erheischen. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander. Und wie in der materiellen, so auch in der geistigen Produktion. Die geistigen Erzeugnisse der einzelnen Nationen werden Gemeingut. Die nationale Einseitigkeit und Beschränktheit wird mehr und mehr unmöglich, und aus den vielen nationalen und lokalen Literaturen bildet sich eine Weltliteratur.

Marx / Engels: Manifest der Kommunistischen Partei. 1847. (Hier lesen)

Mir geht dieses Gesuppe von der ach so bösen neuen Globalisierung, das mit der so genannten Krise wieder massenweise hochgespült wird, sowas auf die Nüsse. Vor allem wenn ein sowas von medial weichgespülter Begriff angegriffen wird, nur um sich ungemein subversiv zu fühlen und sich das Gewissen reinzuwaschen. Man war ja dagegen und hat „gehandelt“. Weibisches Gewäsch hat man verbreitet, an in China hergestellten Computern, mit einer Tastatur aus Taiwan und auf einem Stuhl aus Indonesien. Mit der Levis Jeans unterm Hintern und dem von indischen Halbwüchsigen zusammengenähten Dagegen-Shirt.

Ich will damit keinerlei sinnvolle und grundlegende Kapitalismus- oder Globalisierungskritik wegwischen, sondern mich einfach mal über all die Trolle hier aufregen, die meinen, weil man auch mal einen Artikel hier verfasst hat, der gegen irgendwas ist, könnten sie hier tonnenweise Kommentare hinterlassen um mich auf ihre Seite zu ziehen, mit Artikel- oder Seitenverweisen, die mir nicht nur Augenkrebs, sondern auch geistigen Brechreiz bescheren.

Die oben zitierten Zeilen zeigen, dass das mit der Globalisierung nicht so besonders neu und dementsprechend auch nicht akut bedrohlich ist, wie gerne weisgemacht werden soll. Mir kommen diese Dagegenbrüller vor wie die Zeugen Jehovas, die auch bei jedem etwas mystisch anmutenden Datum „Apokalypse“ brüllen und mit ihrer ominösen Zahl derer herumfuchteln, die angeblich ins Paradies einziehen sollen. Man möge sich beeilen und schnell dem Lord huldigen. Schon mal was von der Pascalschen Wette gehört und den durchaus nicht besonders schwer zu findenden Einwänden? Ebensolches scheint mir auf die Globalisierungshysteriker zuzutreffen. Sie scheinen auch zu meinen, wenn sie nur genug Leute davon überzeugen, dass das böse ist, was jetzt ist, wird das, was morgen ist dann schon gut sein. Nur alle dürfen es nicht sein, weil sich sonst keiner besser als der andere fühlen kann. Gewissenskapitalismus würde ich das nennen, der größte Hysteriker bekommt die weißeste Weste. Tolles Anreizsystem.

Und die Heuschrecken machen auch noch Reibach mit dem Untergang. Gold, Gold, Gold.

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Ich schließe den Onezblog https://raue.it/internet/ich-schliesse-den-onezblog/ https://raue.it/internet/ich-schliesse-den-onezblog/#comments Sat, 13 Oct 2007 12:40:11 +0000 http://www.onezblog.de/item/2007/10/ich-schliesse-den-onezblog/ Es hat sich sicherlich schon angekündigt und ich will es jetzt vollziehen. Ich schließe den Onezblog und beende damit das Geömmel der letzten Zeit. Ich werde Montag die Kommentare abschalten und den Onezblog ein wenig umgestallten. Die Inhalte bleiben Online, da ich nicht ausschließen will, dass die Lust zu bloggen mich irgendwann noch einmal packt. […]

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Es hat sich sicherlich schon angekündigt und ich will es jetzt vollziehen. Ich schließe den Onezblog und beende damit das Geömmel der letzten Zeit. Ich werde Montag die Kommentare abschalten und den Onezblog ein wenig umgestallten. Die Inhalte bleiben Online, da ich nicht ausschließen will, dass die Lust zu bloggen mich irgendwann noch einmal packt. Ganz aufhören zu bloggen tue ich nicht, habe ich noch einige kleinere Blogs, die auch weiterhin befüllt werden, aber hier habe ich mich verrant und die Kurve nicht mehr bekommen. Ich schreibe hier jetzt keine Erklärung, keinen boshaften oder wehleidigen Abschiedsbrief. Es passte einfach nicht mehr und außerdem kann ich die Gründe und Ursachen nicht auseinanderhalten, so dass jegliche Erklärung eine weitere Peinlichkeit wäre.

Ich höre nicht auf zu schreiben, dass kann ich gar nicht. Ich schreibe auch weiterhin ins Internet und hoffe, dass mir vielleicht der ein oder andere interessierte Leser folgen wird. Vor allem die längeren Texte, abseits des Bloggens, werden euch auf Endlosrekursion erwarten. Das ist mein neues Projekt, das ich hoffentlich mit tollen anderen Autoren zusammen in Angriff nehmen kann. Gespräche laufen, bisher schreibe nur ich dort. Es wird nicht wie hier laufen, die Texte sollen etwas ausgearbeiteter, ausführlicher sein, auch wenn man natürlich jetzt keinen Qualitätssprung von mir erwarten darf. Ich werde nicht mehr so häufig schreiben, sondern nur noch wenn ich mit einem Text halbwegs zufrieden bin. Ganz zufrieden bin ich mit meinen Texten eh nie.

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Die Themen der Endlosrekursion werden ähnlich sein wie hier eigentlich mal angedacht. Philosophie, Gesellschaftliches, Medienbetrachtung, Film- und Buchkritik, Skurilles und Bedenkenswertes. Keine klare Fokussierung, denn die würde mir nicht entsprechen. Noch ist nicht viel zu finden, aber diejenigen, die mir folgen werden, wissen ja in etwa, was sie erwartet. Ich hoffe auch weiterhin interessante, kritische und weiterführende Dskussionen mit euch zu führen, denn das habe ich in der letzten Zeit auch nicht gatan, war ich doch irgendwie paralysiert und habe meinen Onezblog als Fremdkörper in meinem Leben betrachtt. Komisch, da er mirdoch so ans Herz gewachsen war.

Ich möchte zum Schluss allen hier teilehmenden Lesern danken, es waren wirklich schöne zwei Jahre mit euch und fast hätte ich mir das Ganze noch einmal überlegt, als mir Peter eine Mail geschrieben hat, um mich aufzubauen, diesen Blog nicht zu schließen. Auch der nette Artikel von Claudia hat mich schon die letzten Wochen stocken lassen und das Ende nicht vollziehen lassen. Aber es muss sein und ich bin mir sicher, dass ich nicht wehmütig zurückschauen werde. Es geht einen Schritt weiter, ob dieser besser wird oder ein weiterer Reinfall, wird sich zeigen.

Mich reizt auch, noch einmal ganz unten anzufangen, ein relativ unbekanntes Projekt aufzubauen. Auch wenn es nur ein Grund unter vielen, vielen war, dieses ewige Chartgeschiehle von mir auf dem Onezblog ging mir irgendwann selbst auf den Keks. Ich bin einige Male nur knapp an den deutschenblogcharts vorbeigeschliddert und kann mich keineswegs davon frei sprechen, dass dadurch sicherlich vil Spaß abhanden gekommen ist, weil ich mich doch ab und an erwischte, überlegt zu haben, wo ich denn doch noch die 5 fehlenden Bloglinks herbekomme. Als dann der Absatnd doch zu groß geworden war, machte sich Enttäuschung breit. Ich muss mir wohl eingestehen, dass mich das mehr beeinflusst hat, als mir lieb ist. Was solls. leben ist Veränderung und ohne die hier (zu) oft behandelten Mainstreamthemen brauchen wir von der Endlosrekursion nicht auf irgendwelche Charts zu schielen. Davon mal abgesehen, dass dies meinen Mitautoren wohl auch ziemlich Wurst sein wir. Natürlich werden wir auch das ein oder andere unternehmen um die Endlosrekursion bekannter zu machen und interessierte Leser für unsere Artikel zu bekommen. Wer von meinen Stammlesern dabei helfen möchte, der ändere vielleicht in der Blogroll einfach den Onezblog auf Endlosrekursion. Vielleicht möchtet ihr aber auch etwas abwarten, ich bin ja selbst gespannt, wohin sich dieses neue Projektentwickeln wird.

Montag beginnt mein Semester und ich habe mir vorgenommen mal etwas mehr zu studieren, lesen und verstehen. Auch deshalb ist mir der Onezblog ein Klotz am Bein geworden. Ich bekomme sehr wahrscheinlich sogar einen Job am Institut und dann fehlt mir noch mehr Zeit. Ich bin nach Marburg gekommen, um mich der Philosophie zu widmen und auch wenn das Internet kurzweilig um einiges interessanter erscheinen kann, so ist mir in diesen Ferien, mit einem Monat ohne Internet einfach klar geworden, wie wenig ich doch im letzten jahr weitergekommen bin. Trotz dem nie erwarteten Erfolg des Onezblog.

Jetzt habe ich doch de ein oder andere Erklärung abgeliefert, aber das amcht auch nicht, denke ich doch, dass der ein oder andere Leser sich schon fragt, was dieser plötzliche Schritt soll und auch verdient hat erklärt zu werden. Hier ist jetzt Schluss, aber kein Grund, um traurig zu werden. Ich sage noch einmal zum Abschied ganz leise, danke!
Ende.

Update: Irgendwann gehts immer weiter!

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Das Problem der Demokratie ist die Gier nach Freiheit https://raue.it/gesellschaft/platon-rawls-demokratie-politik/ https://raue.it/gesellschaft/platon-rawls-demokratie-politik/#comments Sun, 10 Jun 2007 11:40:47 +0000 http://www.onezblog.de/item/2007/06/platon-rawls-demokratie-politik/ Dieser Artikel ist mein Beitrag zum politischen Blog-Karneval. Er ist lang geworden, aber das Thema zwang mich dazu. Ich habe überlegt ob ich ihn in in drei Teilen veröffentliche, mich aber dagegen entschieden um den Zusammenhang besser deutlich zu machen. „Politikverdrossenheit in Deutschland. Wohin führt uns die Parteiendemokratie? Kritiken, Analysen und Utopien sind gefragt!“ Haben […]

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Dieser Artikel ist mein Beitrag zum politischen Blog-Karneval. Er ist lang geworden, aber das Thema zwang mich dazu. Ich habe überlegt ob ich ihn in in drei Teilen veröffentliche, mich aber dagegen entschieden um den Zusammenhang besser deutlich zu machen.

„Politikverdrossenheit in Deutschland. Wohin führt uns die Parteiendemokratie? Kritiken, Analysen und Utopien sind gefragt!“

Haben wir in Deutschland ein Problem mit der Politik? Gibt es Verdrossenheit über unsere Bundesregierung, die gravierend genug ist, um ein solches Thema zu rechtfertigen? Ist die Parteiendemokratie gescheitert und müssen wir uns massive Gedanken zu ihrer Erhaltung machen?Ich beginne mit Fragen, die ich nur zum Teil zu beantworten im Stande bin. Ich halte sie für wichtig zu klären. Allerdings werde ich euch nicht mit Zahlen überhäufen, bis ihr mir glauben müsst, wir hätten ein Problem. Zahlen lügen nicht, aber der Benutzer von Statistiken legt doch immer eine gewisse Subjektivität hinein. Die Wahlbeteiligung sinkt seit Jahren und es ist kein Aufwärtstrend zu erkennen. Aber ist das gleich ein Problem? Kann man an den Zahlen von 77 Prozent bei der letzten Bundestagswahl die Probleme unserer Demokratie festmachen? Wohl kaum, es sei denn man benutzt die Zahlen als Indizien und diese führen doch oft zu einem falschen Urteil, die Filmgeschichte ist voll davon. Ich will ins Eingemachte gehen und die Zahlenspiele jemand anderem überlassen.

Ich gehe nicht mehr wählen, weil es mittlerweile egal geworden ist, wen ich wähle. Ich kann keinen nennenswerten Unterschied mehr erkennen. Die SPD versucht die CDU rechts zu überholen, die CDU versucht es auch mal bei den Gewerkschaften und FDP und die Grünen rangeln um die Mitte. Wir haben gelernt, dass Wahlversprechen nicht so Ernst zu nehmen sind, Parteiprogramme in etwa so zukunftsversprechend sind wie der Blick in die Kristallkugel und Politiker sich lieber in der Fraktion kuscheln, anstatt eine politische Linie zu vertreten. Ich kann euch sagen, wir sind enttäuscht von diesem Medienzirkus, der sich Politik nennen. Wir sind verdrossen und Zahlen drücken das nur bedingt aus.

Deutschlands Jugend hat den Glauben an die Politik verloren und plant schon die Zeit nach dieser Republik.

Und geht es nach dem Denker, dessen Gedanken zur Demokratie ich euch im Folgenden vorstellen möchte, hätte es auch gar nicht anders kommen können. Demokratie ist nur ein Zeitabschnitt in der ewig wiederkehrenden Abfolge von Oligarchie, Demokratie und Diktatur. So schrieb vor mehr als zwei Tausend Jahren Platon und lässt der Hypothese eine gewichtige Analyse folgen. Dieser will ich nicht ganz folgen, würde es doch hier zu langatmig. Ich gebe sie gekürzt wieder und empfehle jedem, den diese Analyse genauer interessiert, die „Politeia“ zu lesen und die Argumente genauer zu studieren.

Platon unterscheidet drei Staatsformen, die sich in einem ewigen Wechsel ablösen. Die Demokratie löst die Oligarchie ab, die Demokratie führt in die Diktatur und diese wiederum wird in die Oligarchie übergehen. Alle drei Staatsformen haben systemimmanente Fehler, die den ständigen Wechsel herbeiführen. Bei der Oligarchie ist es die Gier nach Reichtum, die in eine Revolution mündet, der Diktatur wohnt die Machtgier inne, die den Tyrannen stürzen wird. Der Fehler der Demokratie ist die absolute Freiheit, die den Grundgedanken der Demokratie beherrscht und sowohl ihren Anfang und ihr Ende bedeutet.

Die Freiheit soll der Fehler der Demokratie sein? Das klingt paradox, doch es steckt mehr dahinter, als ein unreflektierter Freiheitsbegriff, der heute oft skandiert wird.

„Ich denke mir, wenn eine demokratische Stadt nach Freiheit dürstet, aber böse Weinschenken an ihre Spitze bekommt und sich über den Durst am ungemischten Wein der Freiheit berauscht, dann wird sie ihre Regierenden bestrafen, wenn diese nicht ganz nachgiebig sind und ihr in reichem Maße Freiheit gewähren, indem sie sie als verbrecherisch und oligarchisch beschuldigt.“ (Platon: Politeia. 562c.)

Ich werde jetzt nicht die argumentative Hinführung und die Analyse der übermäßigen Freiheitsgier des demokratischen Menschen verfolgen, sondern habe dieses Zitat ausgewählt, da es mir die direkte Überleitung zur Gegenwart mit Platons Gedanken erlaubt. Der oben zitierte Moment ist derjenige, an dem die Demokratie anfällig wird für Demagogen und Tyrannen, die sich noch nicht als solche zeigen. Das Streben nach Freiheit birgt in sich schon die Umkehr und das Verführtwerden; den Wechsel der Demokratie zur Diktatur.

Ich könnte jetzt die Weimarer Republik anführen und dann Parallelen und Unterschiede aufweisen, um auf die Gefahr einzugehen, die von solchen Situationen ausgeht. Das werde ich nicht tun, sondern diesen grundlegenden Moment untersuchen. Wer unbedingt eine direkte Beziehung zur Gegenwart präsentiert haben möchte, der sehe sich im Internet und auf Demonstrationen, Bushaltestellen und sonstigen Aufkleberfarmen um. Er wird sicherlich einige Beispiele der Vorwürfe finden: verbrecherisch und oligarchisch. Aber diese Vorwürfe bleiben nicht mehr in in ihren Mileus, in denen sie seit den 60er Jahren zu finden sind und doch die Demokratie nie ernsthaft gefährdet haben. Diese Vorwürfe finden sich zunehmend auch in der Politik. Sei es bei Christiansen oder auf Gewerkschaftsveranstaltungen. Sei es bei der neu formierten Linkspartei, sei es im Parteiprogramm der NPD. Der Vorwurf, der Staat beute den Bürger aus und nehme ihm seine Freiheit, ist nicht neu, aber in seiner Vehemenz doch eine Auswirkung der wirtschaftlichen Stagnation der letzten Jahre.

Die Brisanz der platonischen Überlegung, zusammen mit den sich häufenden Äußerungen einiger Politiker liegt auf der Hand, auch wenn diese ausfallenden Politiker sicherlich noch nicht sonderlich zahlreich sind. Äußerungen, die dem Staat „Terror am Hindukusch“ vorwerfen, schweben mir da jetzt vor. Es sind Angriffe auf die Demokratie, die als solche sogar demokratisch ablaufen müssen, folgt man Platon.

Aber ich würde auch Äußerungen hinzunehmen, die direkt aus der „neuen Mitte“ stammen. Wenn die Unschuldsvermutung nicht mehr überdauern soll, dann ist das auch ein direkter Angriff auf die Freiheit des Bürgers und damit der zweite Schritt in einer Eskalation, die unweigerlich in das von Platon beschrieben Szenario führen muss, sollte sich nicht irgendetwas Substanzielles im Verhältnis von Staat und Bürger verbessern.

Dann ist es auch egal, ob der Demagoge, der zum Tyrannen aufsteigen will, von rechts oder links kommt. Beide Extrempositionen bieten genug Grundlage, um verzweifelten Menschen, die um ihre Freiheit bangen, plausible Erklärungen zu geben, so falsch und inkonsistent sie auch sein mögen. Versprechungen sind eine starke politische Waffe, auch im demokratischen Spektrum.

Aber will ich hier jetzt eine große Gefahr für die Demokratie herbeischreiben oder sehe ich sie wirklich?

Keines von beidem, aber das ist ein Szenario, das Platon beschreibt, das sicherlich nicht einfach weggewischt werden kann und sollte. Demokratie ist ständig in Gefahr und das wenigstens kann uns die deutsche Geschichte lehren. Ich lasse auch das Argument nicht gelten, dass die Bevölkerung heute viel demokratisierter sei, als das in der Weimarer Republik der Fall war. Platon beschreibt nicht einzelne demokratische Systeme, sondern ein Grundproblem, dass allen innewohnt.

Wird die Demokratie auf jeden Fall zusammenbrechen?

Nun ich bin kein Hellseher und kann deshalb erstmal nur mit Platon antworten: Ja das wird sie! Allerdings ist vielen nicht bewusst, dass das, was unser Staatssystem in der BRD bezeichnet, eher eine Parteienoligarchie, denn eine Demokratie zu nennen wäre, aber das ist wohl eher Haarspalterei, könnte aber Aufschluss darüber bieten, warum die BRD vielleicht nicht unbedingt in die platonische Krise stürzen muss. Sie ist schon eine Mischform.

Worauf ich eigentlich hinaus will mit diesen platonischen Gedanken ist die Unsinnigkeit der Politikverdrossenheit. Das möchte ich im Folgenden ausführen. Dazu werde ich drei Grundthesen formulieren:

These 1: Dieser Staat ist nicht der optimale Staat. Kein Staat dieser Welt ist ein optimaler Staat.

These 2: Die optimale Staatsform ist noch nicht gefunden.

These 3: Die heutige demokratische Staatsform ist die optimale, um ein besseres System zu erdenken/entwickeln.

Um meine Thesen zu begründen, möchte ich die Gedanken eines weiteren Philosophen beanspruchen: John Rawls. In seinem Werk „Eine Theorie der Gerechtigkeit“ nimmt er eine unglaublich wichtige Unterscheidung vor, die sicherlich erhellend sein wird. Gerechtigkeit ist nicht gleich Gerechtigkeit und somit werden viele Anschuldigungen von Politikverdrossenen zu Unsinn und dem momentan bestehenden Staat eine ganz andere Rolle zugeteilt als vielleicht bisher erwartet.

Nach Rawls kann es keinen gerechten Staat geben, es wird immer Ungerechtigkeit geben und auch ein perfekter Staat kann diese nicht ausgleichen. Gerechtigkeit wird vielmehr vor Gründung des Staates erreicht und zwar in einem Gedankenexperiment, das ich euch kurz vorstellen möchte.

Unter dem Schleier des Nichtwissens treffen sich die Menschen, um über einen perfekten Staat zu beraten. Dieser Schleier meint, dass niemand weiß, wo er in diesem Staat stehen wird. Wo er in ihn hinein geboren wird, welche Fähigkeiten und Talente er haben wird und ob er erfolgreich sein wird oder nicht. Dadurch soll eine Objektivität erreicht werden, um einen gerechten Staat entwickeln zu können. Befangenheit der Menschen ist in diesem Gedankenexperiment ausgeschaltet. Es wird dann eine Wirtschafts-, Rechts- und Staatsform gesucht, die unter diesem Schleier als gerecht gelten kann.

Der Staat ist gerecht und die Ungerechtigkeit entsteht erst durch die Unmöglichkeit, dass alle alles haben. Die Gerechtigkeit des Staates wird „außerhalb“ dieser Welt in einem Gedankenexperiment sichergestellt.

Daran ist auch schon zu zeigen, dass meine These 1 richtig ist und kein Staat dieser Welt als gerecht bezeichnet werden kann, weder im ersten noch im zweiten rawlschen Sinne. Alle Staaten heute sind partikulär und es gibt nicht einen Staat mit gleichen Regeln für Alle. Die Gerechtigkeit im Schleier des Nichtwissens kann aber nicht partikulär sein und nur Menschen bestimmter Landstriche vorbehalten sein.

Meine zweite These werde ich nicht beweisen können, allerdings gibt der gesunde Menschenverstand Grund genug für diese Annahme. Ein Staat muss flexibel, darf aber nicht zu flexibel sein. Muss sich weltverändernden Situationen anpassen können, ohne seine Grundpositionen zu verlassen. Diese Form des flexiblen Staates ist noch nicht gefunden. Es existieren Grundgerüste, die besser oder schlechtere Fundamente bieten. Demokratie ist ein Modell unter vielen.

Das Modell Demokratie ist aber das momentan beste, da es zumindest so beständig ist, dass es die Möglichkeit bietet, an einem besseren Staat zu arbeiten, Theorien zu entwickeln und den Diskurs zu suchen. Meinungsfreiheit ist der Schlüsselbegriff. Meine These 3 bezieht sich darauf. Es gibt vieles in dieser Demokratie, was unglaublich schlecht läuft, Ungerechtigkeiten und systemimmanente Fehler. Aber wir sollten dankbar sein, in diesem System die Möglichkeit zu haben, über bessere Systeme nicht nur nachzudenken, sondern sie auch voranzutreiben. Aber wir sollten diese Chance auch nutzen und uns nicht in Selbstmitleid verlieren.

Politikverdrossenheit ist dumm, weil sie die Situation missdeutet und nicht versteht. Sie sieht sich einem politischen System gegenübergestellt, das nicht gerecht ist, aber sieht nicht die Chancen, es zu verbessern. Damit meine ich nicht, wählen zu gehen oder den Politikern Beifall zu klatschen. Ich meine, dass geforscht, diskutiert, geredet und gestritten werden muss. Aber nicht gekämpft. Gewalt kann nie Grundlage eines gerechten Staates sein, also lohnt es sich auch nicht, für ihn zu kämpfen. Ich meine nicht, dass der gewaltsame Widerstand in Zeiten des Dritten Reiches unrecht war, sondern nur, dass das auf den Zweiten Weltkrieg aufgebaute System eben auch nicht gerecht ist. Wir müssen die Chancen der Demokratie nutzen.

Unser demokratisches System ist ein Luxus, der in der Geschichte der Menschheit noch nicht vorgekommen ist und die deutsche Ausprägung ganz besonders. Doch statt diese Chance zu nutzen, resignieren wir. Das muss sich ändern. Ich will jetzt hier keinen Ausblick geben, wie das zu tun ist oder in welcher Form, auch wenn ich natürlich meine Vorstellungen davon habe.

Ich ende an dieser Stelle und hoffe, dass ich zeigen konnte, dass Politikverdrossenheit wider die Vernunft ist. Die Gegenfrage stellt sich aber dennoch und ist nicht beantwortet: Was ist vernünftig, auf welchem Weg können wir vernünftig partizipieren und vor allem, wie überbrücken wir die Grabenkämpfe der Demokratie, um in einen Diskurs eintreten zu können, der vielleicht irgendwann Früchte tragen wird?

Ich hoffe, dass dieser Ausflug in die Philosophie nicht zu grundlegend war und ich in den Augen des geneigten Lesers am Thema vorbeigeschrieben habe, aber ich halte es für wichtig in die Tiefen der Begriffsklärung zu gehen, bevor man Ideologien verbreitet oder sich politisch engagiert. Was ist Freiheit, was gerecht? So theoretisch diese Fragen auch sind, sie müssen geklärt werden, bevor man sich an ihre Umsetzung macht.


Politik muss nicht aus Worthülsen und Politikersprech bestehen. Politik ist das, was wir daraus machen!

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Erster politischer Blog-Karneval https://raue.it/gesellschaft/erster-politischer-blog-karneval/ https://raue.it/gesellschaft/erster-politischer-blog-karneval/#comments Thu, 07 Jun 2007 09:52:27 +0000 http://www.onezblog.de/item/2007/06/erster-politischer-blog-karneval/ Ich will jetzt gar nicht mehr lange um den heißen Brei reden, sondern euch allen das Thema des ersten politischen Blog-Karnevals bekanntgeben. Ich habe dieses Thema gewählt, weil es sowohl grundlegende Beschäftigung mit dem Staat, der Demokratie und dem System erlaubt, als auch in die politische Praxis zu gehen und dort Antworten zu suchen. Ich […]

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Ich will jetzt gar nicht mehr lange um den heißen Brei reden, sondern euch allen das Thema des ersten politischen Blog-Karnevals bekanntgeben. Ich habe dieses Thema gewählt, weil es sowohl grundlegende Beschäftigung mit dem Staat, der Demokratie und dem System erlaubt, als auch in die politische Praxis zu gehen und dort Antworten zu suchen. Ich wollte es nicht beschränken auf einen Teil der Interessierten, ist doch die Grundmotivation, möglichst viele und unterschiedliche Perspektiven auf das Thema zu finden.

„Politikverdrossenheit in Deutschland. Wohin führt uns die Parteiendemokratie? Kritiken, Analysen und Utopien sind gefragt!“

So lautet also das Thema des ersten politischen Blog-Karnevals und ich hoffe, dass euch in den nächsten zwei Wochen dazu etwas einfällt. Am 21. Juni endet der Karneval. Wer die Ankündigung nicht mitbekommen hat und wissen möchte, was ein Karneval ist und warum dieser hier politisch ist, kann das in der Ankündigung des politischen Blog-Karnevals tun.

Ich bin jedenfalls sehr gespannt auf die Artikel und hoffe, dass wirklich so viele mitmachen, wie sich jetzt schon gemeldet haben. Wie macht man denn jetzt überhaupt mit? Ihr schreibt einen Artikel auf eurem Blog zu oben stehendem Thema und teilt mir die Adresse irgendwie mit. Ob per Trackback, Kommentar, Mail oder sonstwie ist egal. Dann aber bitte mit direktem Link zum Artikel und nicht nur der Blog, denn es werden wohl einige Artikel und ich werde sicher so schon genug zu tun haben.

Macht euch an die Arbeit. Ich bin gespannt auf eure Ergebnisse

PS: Wer den obigen Button verwenden möchte, kann das gerne tun, oder einen kleineren hier herunterladen. Der kleine ist auch mit tranzparentem hintergrund und eignet sich damit gut um in jeden Artikel zum Zwecke der Wiedererkennung eingebaut zu werden.

 

Die ersten artikel trudeln schon ein, ich sammele noch und werde die Tage dann schon eine vorläufige Liste veröffentlichen.

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Wandel und Zeit https://raue.it/gesellschaft/wandel-und-zeit/ https://raue.it/gesellschaft/wandel-und-zeit/#comments Tue, 05 Jun 2007 07:56:12 +0000 http://www.onezblog.de/item/2007/06/wandel-und-zeit/ Dies ist der dritte Teil eines Gesprächs zwischen mir und people in motion. Eine Diskussion über System, Kapitalismus, Bildung und Individuum in vier Teilen. Für alle Neueinsteiger findet sich die Erklärung, der erste Teil und der zweite Teil noch in unseren Archiven. Der letzte Teil wird nächsten Dienstag auf people in motion erscheinen. Ich bitte […]

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Dies ist der dritte Teil eines Gesprächs zwischen mir und people in motion. Eine Diskussion über System, Kapitalismus, Bildung und Individuum in vier Teilen. Für alle Neueinsteiger findet sich die Erklärung, der erste Teil und der zweite Teil noch in unseren Archiven. Der letzte Teil wird nächsten Dienstag auf people in motion erscheinen. Ich bitte um Diskussion.

soeren onez:
Die ersten beiden Teile unserer Diskussion waren eher theoretischer Natur, sodass du zu recht die Politik angeführt hast. Dabei siehst du vor allem Defizite in der Bildung und Erziehung. Würdest du bitte dort fortfahren und deine Ideen entwickeln. Zunächst solltest du mir das Problem eingehend erläutern.

people in motion:

Deutschland besitzt ein ausgeprägtes demokratisches Gefüge in Bezug auf die Gesellschaft und die Organisation. Eines der besten Indizien dafür, ist der sehr ausgeprägte, wissenschaftliche und gesellschaftliche Diskurs in Zeitungen und Büchern. Also eigentlich gute Voraussetzungen für ein freies und unabhängiges Leben in Gerechtigkeit und damit die Unterstützung zur Findung, ich nenne es jetzt mal wie du, der Verantwortung gegenüber sich selbst und damit auch gegenüber der Gesellschaft.

Allerdings habe ich den Eindruck, dass für die jüngere Bevölkerung unseres Landes auf Grund äußerer Bedingungen diese Selbstfindung schwieriger geworden ist. Während die heutigen 35 bis 60 jährigen noch in der Lage sind unser kulturell, historisches Erbe zu tragen, scheint meine Generation das nicht zu sein. Eine mögliche Ursache ist die drastische Veränderung des Lebens durch den rasanten technischen Fortschritt. Dieser ungewöhnlich abrupte Wandel – zum Beispiel durch das Internet -, der besonders aus kapitalistischen Motiven angetrieben wurde, könnte eine größere Kluft zwischen den Generationen verursacht haben als geschichtlich üblich. Die Kluft zwischen der moderne und dem apokalyptischen Zeitalter. Die Lösungsansätze unserer heutigen Politik in Bezug auf die Jugend sind offensichtlich nicht ausreichend.

Theoretisch könnte dies bedeuten, dass es im Laufe der nächsten 50 Jahre zu einem frühen Bruch der noch jungen demokratischen Tradition in Deutschland kommt. Allerdings sind dies nur Tendenzen. Daran kann sich noch was ändern. Nur wie? Bei der Frage nach den Schlüsselelementen zur Realisierung nachhaltiger Errungenschaften gelange ich wieder bei Bildung und Erziehung und dem Prioritätenproblem unserer Politik an.

Du schreibst, um was zu ändern, „müsste man sowohl das Gestern, das Heute als auch das Morgen verändern“. Das kann höchstens das Ziel einer Philosophie, einer Weltformel, sein. In der Geschichtswissenschaft und Soziologie muss man das Gestern verstehen und das Heute erkennen, um dann das Morgen ändern zu können.

soeren onez:

Es gibt mit Sicherheit viele verschiedene Ansatzpunkte dieses Problem anzugehen, einige werden sich gegenseitig ausschließen, die meisten aber werden sich zu einem neuen Weg ergänzen. So oder so ähnlich stelle ich mir eine funktionierende Herangehensweise vor. Ein System entwickelt von der Philosophie, was aber nicht arrogant von oben herab auf die anderen Wissenschaften schaut und ihnen zuraunt – „na immer noch keine Lösung?“ – sondern was ein Denkmodell, eine Weise zur Gestaltung hervorbringt. Ein philosophisch gesehen perfektes Modell was durch die Wissenschaften versucht wird annähernd realisieren zu werden.

Ohne einen Denkrahmen bleiben alle Versuche dieses Problem zu lösen der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Ohne eine Koordination werden sich zu viele Versuche im negativen Sinne kreuzen. Sie werden sich gegenseitig aufheben und somit das System Kapitalismus nur unterstützen, denn soweit Maßnahmen innerhalb des System angewendet werden, können sie es nur stützen.

Ich bin kein Gegner der Globalisierung oder des Kapitalismus im Allgemeinen, aber ich sehe welche Auswirkungen dieses System auf den Menschen hat. Ich denke der Mensch hat dieses System erschaffen. Jetzt wird er die Geister, die er rief, nicht mehr los? Nein, ich denke nicht. Ich gehe viel mehr davon aus, dass der Mensch selbst dieser Geist des Systems ist. Sollte es jemals gelingen, dieses System wirklich in all seinen Ausmaßen darzustellen, bin ich überzeugt, die Grundzüge werden den Grundcharaktereigenschaften des Menschen gleichen.

Ich bin mir nicht sicher ob wirklich eine größere Kluft zwischen den Generationen bevorsteht oder schon eingeleitet ist. Diese These solltest du noch einmal genauer begründen. Nimmst du nicht die Zeit als Faktor und vergisst dabei, dass eben diese neuen technischen Fortschritte die Zeit als solche fast abgeschafft haben. Kommunikation ist heute wichtiger denn je. Dabei ist nicht mehr Schnelligkeit der Fortschrittsfaktor, sondern dieser wurde von der Möglichkeit zur Livekommunikation abgelöst. Zumindest ist das die Vision, die in sehr vielen Bereichen schon verwirklicht ist. Die ältere Generation hatte niemals diese Möglichkeiten und es wird sich erst zeigen, welchen Gewinn/Verlust das mit sich bringen wird.

people in motion:
Erst mal muss ich dir in einem Punkt widersprechen. Über die Darstellung des Systems lassen sich nicht die Grundcharaktereigenschaften des Menschen erkennen. Es wäre vielmehr eine Darstellung der gesellschaftlichen, stark durch das Umfeld beeinflussten Lebensweise der Menschen. Zur einem Abbild der Grundeigenschaften könnte man nur über ein Gesamtverständnis der historischen Entwicklung der Menschheit gelangen. Das, was ich als menschliche Grundeigenschaften bezeichnen würde, hat den Lauf der Geschichte geschrieben.

Deine Kritik an meiner Aussage, dass der Fortschritt der Technik für einen abrupten Wandel der Lebensverhältnisse verantwortlich ist, kann ich verstehen. Das war sehr vereinfacht und ungenau argumentiert. Ich möchte meine These genauer erläutern.

Die heutige Jugend wird bei Bestätigung erkennbarer Tendenzen nicht die nötige menschliche Reife erlangen um unter den in etwa 40 Jahren herrschenden Bedingungen die deutsche Hochkultur und demokratische Stabilität aufrecht zu erhalten. Das liegt am abrupten Wandel der Lebensverhältnisse, in denen der Mensch weniger in seiner Entwicklung unterstützt wird, aber vor immer mehr Fragen und Probleme gestellt wird. Belege für den abrupten Wandel und dessen Auswirkungen lassen sich in praktisch allen Feldern des menschlichen Lebens finden.

Nehmen wir die innerste Form des sozialen Kontakts, die Familie. Der Stellenwert der Familie nimmt in Betrachtung der gesamt-historischen Entwicklung exponentiell ab. Wie wichtig sowohl Vaters als auch Mutter für die gesunde Entwicklung eines Kindes sind und wie förderlich Geschwister, das scheint bei der Wahl der Lebensform heute keine besondere Bewandtnis mehr zu haben. Oft sollen die Medien die Lücken füllen, die von der Familie hinterlassen werden.

Nehmen wir die Veränderungen der Kommunikation, die du ja schon angesprochen hast. Eine ihrer Auswirkungen ist, dass dieser allezeit verfügbare Live-Austausch von Informationen es den großen Konzernen ermöglicht ein Weltnetzwerk aufzubauen, dass an keine räumlichen Schranken mehr gebunden ist. Den Bossen der deutschen Firmen werden dadurch die teuren deutschen Arbeiter mehr und mehr ein Laster im Kampf um den größten Profit. Eine Unsicherheit tritt dadurch in das ökonomische Leben einer großen Maße der Bevölkerung. Die untere Bildungsschicht hat heute schon verloren. Wie es der immer kleiner werdenden Mittelschicht ergehen wird, lässt sich nur erahnen.

Nehmen wir die Geschichte, denn auch historisch hat sich mit dem Ende des Ost-West Konflikts ein einschneidender Wandel vollzogen. Heute ringen keine Systeme mehr um das Recht des Stärkeren, denn der Kapitalismus hat sich als Stärkster herausgestellt. Deutschland steht in diesem Ringen der Staaten um gute ökonomische Voraussetzungen vor der Erkenntnis, dass die wichtigsten Entscheidungen nicht mehr nur vom christlichen Westen getroffen werden, da sich die wirtschaftlichen Machtzentren Richtung Süd-Ost Asien verschieben.

Nehmen wir die Politik. Eine Erfahrung der heutigen Jugend in Bezug auf Staat und Demokratie ist die Machtlosigkeit der Politik. Ich kenne nicht das Gefühl wenn einem der Nachrichtensprecher sagt, dass die Arbeitslosenzahl auf Grund der neuesten Reformen wieder eindeutig gesunken sind. Oder das Deutschland einen Haushalt vorlegt in dem am Ende keine riesengroße rote Zahl steht. Da kann man doch schon mal zweifeln, ob das wirklich alles gut endet. Ein heute fünfzig Jahre alter Mann hat Aufschwung, tendenziell immer größer werdende soziale Sicherheit in Deutschland erlebt. Wir, die Jugend, haben das nicht.

Nehmen wir die Umwelt. Die fatalen Einflüsse des Menschen auf die Natur führen auch zu immer drängenderen Fragen, denn auch hier ist eine Entwicklung mit exponentieller Steigerung der Schäden zu erkennen. Die gewissenlose Rodung des Regenwaldes unter kapitalistischen Gesichtspunkten, der für das Klima der Erde von so entscheidender Bedeutung ist, zählt zu den dringlichsten Problemen mit denen sich die Weltöffentlichkeit beschäftigen muss. Das es dort heute noch keine annähernd wirksamen Lösungsansätze gibt kann einen durchaus erschauern lassen. Auch eine exponentielle Entwicklung weist übrigens die Weltbevölkerung auf, die diese Problematik noch um ein vielfaches verstärken wird.

Das Weniger an menschlicher Reife bei einem Mehr an Problemen. Das führt zu Hoffnungslosigkeit, Radikalismus und Angst. Dies ist Nährboden für den Verfall unseres Landes. Erreicht werden muss mehr Reife, dann erübrigen sich schon viele dieser Probleme oder zumindest lernt der Mensch mit ihnen umzugehen. Um einen höheren Reifegrad zu erlangen, braucht man mehr Erziehung und mehr Bildung. Heute in einem drastischeren Maß als es die derzeitige Generation der Erwachsenen erahnt. So könnten sich zumindest einige Prozesse automatisch umkehren und dem Menschen könnte eine Anpassung an die Begebenheiten gelingen. Dies würde dann wieder eine Besserung der Begebenheiten verursachen. Eine positive anstatt einer negativen Entwicklung.

soeren onez:
Ich konnte deinen Ausführungen folgen und habe einige Anmerkungen zu machen. Zum einen werde ich meine These vom System und den Grundcharaktereigenschaften des Menschen verteidigen, denn ich denke mich ungenau ausgedrückt zu haben. Des weiteren werde ich auf die Nationalstaatlichkeit eingehen, sehe ich doch darin ein weiteres Problem, was verhindert, all diese Probleme, die du ansprichst, in Angriff zu nehmen. Das in unserem vierten und letzten Teil der Diskussion nächsten Dienstag.

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Bühne Heiligendamm https://raue.it/gesellschaft/buehne-heiligendamm/ https://raue.it/gesellschaft/buehne-heiligendamm/#comments Sat, 02 Jun 2007 18:40:42 +0000 http://www.onezblog.de/item/2007/06/buehne-heiligendamm/ Ich habe mich bis jetzt zurückgehalten über den G8-Gipfel zu schreiben und das mit gutem Grund. Zu viel Propaganda von beiden Seiten zu einem Treffen, was seit jeher nur Marketingcharakter hatte. Viele Versprechungen und keinerlei Folgen. Die G8-Mitgliedländern treffen sich um medienwirksam Hilfe für die 3. Welt und alle Bedürftigen zu propagieren, nur um kurz […]

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Ich habe mich bis jetzt zurückgehalten über den G8-Gipfel zu schreiben und das mit gutem Grund. Zu viel Propaganda von beiden Seiten zu einem Treffen, was seit jeher nur Marketingcharakter hatte. Viele Versprechungen und keinerlei Folgen. Die G8-Mitgliedländern treffen sich um medienwirksam Hilfe für die 3. Welt und alle Bedürftigen zu propagieren, nur um kurz darauf weiterzumachen wie bisher. Eine Clownshow, die eigentlich keinerlei Beachtung verdient hätte. Ein Propagandamittel, das wir bewusst ignorieren sollten. Aber das tun wir nicht.

Es gibt sicherlich gute Gründe es nicht zu tun, Flagge zu zeigen und alternative Ideen vorzustellen, dem Blödsinn der G8 entgegenzustellen. Es gibt meiner Meinung nach aber bessere Gründe dies nicht nur einmal im Jahr zu machen. Der „Weltwirtschaftsgipfel“ bietet einige Chancen, aber noch viel mehr Gefahren für Gegenmodelle und ich verstehe nicht wirklich warum das nicht gesehen wird.

Rostock versinkt schon jetzt in der Gewalt obwohl der Großteil der Demonstranten friedlich ihre Meinung kundgetan hat. Die Zeitungen werden dennoch voll von Vermummten und brennenden Autos sein. Gewalt ist nunmal der bessere Aufmacher und das wird sich auch nicht ändern, zumindest nicht ohne Pressezensur. Aber das ist bekannt. Nichts Neues. und doch ziehen jedes Jahr wieder Hundertausende gegen das G8-Treffen. Zu Recht.

Was dabei aber vergessen wird, auch diese Demonstrationen sind ein medienwirksames Mittel was bewusst gewählt wird zur medienwirksamsten Zeit. Vieles was die Veranstalter versprechen ist genauso viel Wert, wie die Versprechen der G8-Regierungschefs. Das sollte jedem nachdenkendem Menschen klar sein, zumal die neu vereinte Linke so unterschiedliche Ziele hat, wie politisch nur möglich. Aber der gemeinsame Feind bringt sie zusammen. Aber das ist eben auch nur der kleinste gemeinsame Nenner. Ein Kompromiss, der nichts anderes ist, als die Kompromisse, die in Heiligendamm „erzielt“ werden.

Wenn ich ein Ei aus dem Fenster schmeiße, nehme ich nicht an, dass es heile bleibt. Aber wenn tausende wütender Jugendlicher sich auf einer Demonstration treffen, dann nehme ich an, dass es friedlich bleibt? Nein, natürlich nicht. Aber es wird nicht behandelt. Zu groß ist die Chance seine Plakate in die Kameras der Welt zu halten. Zudem zeigt sich ja dadurch noch mehr, wie schlimm das Regime „BRD“ ist. Weil ja nur die Polizisten provozieren.

Denkt bloß nicht ich heiße gut, was Schäuble sich da ausgedacht hat, oder will gar die armen Polizisten in Schutz nehmen, gar sogar die Regierungschefs, die sich nicht einmal in dem schönen Seeheilort Heiligendamm sicher vor Terroristen fühlen dürfen. Aber bleiben wir doch mal bei uns und schauen uns unsere Fehler an. Das sollte immer der Anfang sein, bevor man dann den Finger hebt.

Was wollen die Demonstranten überhaupt in Heiligendamm? Ist es nicht egal, wo man demonstriert? Warum die symbolträchtigen Orte wählen? Warum selbst Propaganda angedeihen lassen, wirft man das dem Gegner doch schon vor? Warum polarisieren, wenn doch der Diskurs der eigentliche Rahmen sein muss um Ergebnisse zu erzielen. Warum denn die selben Fehler der Mächtigen machen?

Heiligendamm ist eine Bühne für G8 und ihre Gegner, gleichermaßen und ich ekele mich vor beidem, gleichermaßen. Nicht weil sich die Regierungschefs nicht treffen sollten, oder gar weil Gegner der Globalisierung nicht demonstrieren sollten, sondern ob dieses schlechten Geschmacks der Gleichheit in Mittel und Methode.

Auch wenn ich hier ganz bösartig pauschalisiert habe, muss sich jeder Teilnehmer hüben wie drüben darüber im klaren sein, dass er Teil eines riesig inszenierten Theaterstücks ist und in diesem die Rollen des Bösen schon bei der Probe vergeben wird. Man kann das für falsch halten und so sind Theaterstücke eben auch oft, eindimensional, aber wenn man mitspielt, dann kann man nicht gleichzeitig die Regeln kritisieren. Oder wenn doch, dann läuft man eben Gefahr, nicht ernst genommen zu werden.

Ich weiß, das dieser Artikel viel zu oberflächlich das Problem ankratzt und ich mir den Zorn sowohl der Kritiker, wie Befürworter der Globalisierung, einhandele, aber wenn ich diese randalierenden Vollspaten sehen denke ich mir automatisch, dass etwas an der Form des Protestes falsch sein muss. Und ich halte Protest für so wichtig, denn er ist eine Form der Kritik, aber diese Handelt nicht mit den Fäusten, sondern mit dem Kopf. Und es tut mir Leid für all diejenigen, die sich am friedlichen Protest teilnehmen wollen. Aber rohe Eier gehen eben kaputt, wenn man sie aus dem Fenster schmeißt.

Nachtrag: Wie die Medien mit diesem Spektakel umgehen, kann man beim Spiegelfechter lesen. Ungeheuerlich, aber sagt mir nicht, das wäre in den letzten Jahren anders gewesen und träfe euch jetzt unvorbereitet und deshalb in der demokratischen Magengrube .

Nachtrag 2: Ich wollte eigentlich jetzt ein paar gegenteilige Berichte hier verlinken aber es sind schon zu viele geworden. Die Propagandaschlacht hat begonnen, schaut euch einfach auf den vielen politischen Blogs und auf den bekannten Onlinemedien um, da werdet ihr so viel Unterschiedliches lesen, dass ihr nichts mehr glauben werdet. Es passiert genau das was ich oben geschrieben habe, denn ab jetzt geht es nicht mehr um Inhaltliches, sondern nur noch darum, wer angefangen hat und Schuld ist an der Gewalt. Dadurch bekommen die Schäubles dieser Welt nur noch mehr Begründungsmaterial und die „Linken“ einen noch größeren Hass auf den Staat. Nur-die-anderen-Argumente werden ausgepackt, der Verstand wendet sich betrübt ab. Man kann schon jetzt festhalten, die Verlierer sind die, die wirklich etwas zu sagen hätten. Der Verlierer ist wie immer das Argument.

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Entindividualisierung und der „böse“ Kapitalismus https://raue.it/gesellschaft/entindividualisierung-und-der-boese-kapitalismus/ https://raue.it/gesellschaft/entindividualisierung-und-der-boese-kapitalismus/#comments Tue, 22 May 2007 10:29:00 +0000 http://www.onezblog.de/?p=253 Erster Teil des hier beschreibenen Dialogs. Der Versuch zweier Blogger einen Beitrag zusammen zu verfassen. onezblog und people in motion. In Dialogform und über beide Blogs verteilt. In vier Teilen. Wir hoffen es findet Anklang und es beißen sich einige geneigte Leser durch alle vier Teile und diskutieren mit uns über die Inhalte. Ein Experimet […]

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Erster Teil des hier beschreibenen Dialogs. Der Versuch zweier Blogger einen Beitrag zusammen zu verfassen. onezblog und people in motion. In Dialogform und über beide Blogs verteilt. In vier Teilen. Wir hoffen es findet Anklang und es beißen sich einige geneigte Leser durch alle vier Teile und diskutieren mit uns über die Inhalte. Ein Experimet des politischen Diskurses.

soeren onez:
Man hört und liest immer wieder von der fortschreitenden Individualisierung, aber ich frage mich wirklich, wie all die „Experten“ darauf kommen. Nur weil viel mehr Menschen alleine wohnen, heißt das doch noch lange nicht, sie seien auch individueller. Ich sehe in unserer Gesellschaft eher den entgegengesetzten Trend, weg von der Person, denn du bist dein Handy, dein Klingelton, deine Klamotten, dein Auto. Diese Aufzählung lässt sich synchron zur Liste zivilisatorischer Errungenschaften erweitern. Paradox, dass genau dies als Indiz unseres großen Zeitalters der Selbstfindung betrachtet wird.

people in motion:
Mit dem Aspekt der Entindividualisierung in der modernen Gesellschaft sprichst du einen der fundamentalsten Einflüsse des kapitalistischen Systems auf den Menschen an.

Der Kapitalismus hat im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte – die Ursprünge reichen natürlich weiter zurück – unser gesellschaftliches und soziales Leben erobert und durchdrungen. Hierbei hat er dem Arbeiter die Würde und das individuell schöpferische genommen in dem er ihn ans Fließband gestellt hat, wo er von nun an nur noch eine kleine unbedeutende Schraube des riesigen undurchschaubaren Komplexes ist.

Gleichzeitig wurde die Bedeutung der materiellen Umstände stark übersteigert, denn der Mensch ist nur was Wert, wenn der Kapitalmarkt ihn braucht. Mit einem Wertlosen will natürlich niemand was zu tun haben. Hast du was, bist du was. Stichwort Humankapital. Wie verhält sich wohl ein Mensch der unbedingt zeigen will das er nach diesen kapitalistischen Gesichtspunkten etwas zu bieten hat? Er arbeitet, konsumiert und wenn er zwischendurch merkt, dass trotzdem die Befriedigung fehlt, dann lässt er sich unterhalten. Somit wäre Lebensstil und Wertempfinden stark entindividualisiert. Was den Grundsatz bildet. Aber damit nicht genug, denn um den Menschen für den Kapitalismus voll nutzbar zu machen, muss er am besten auch noch ein genormten Geschmack besitzen, damit der Verkaufsprozess auch bloß reibungslos abläuft. Da kommt dann die Medien- und Werbeindustrie ins Spiel. Sie manipuliert gezielt und verkauft ein Idealbild, das nicht realistisch ist. Denn für die, die es noch immer nicht verstanden haben: durch die neuesten Produkte wirst du nicht jung, schön und glücklich!

Also ich stimme dir voll und ganz zu. Unsere Vorstellung eines freien, unabhängigen und individuellen Lebens in der modernen Gesellschaft ist eine Illusion. Sicherlich muss man nicht darauf rein fallen, aber von früher Kindheit hinein gewachsen, ist es nicht jedem gegeben sich und die Gesellschaft später soweit zu hinterfragen. Umso schlimmer ist es, dass dieser Prozesse sich selbst unterstützt, denn diesem modernen Einheits-Menschen wird es immer schwieriger, über sein eigenes System zu reflektieren und am Ende regiert der Kapitalismus den Menschen.

soeren onez:
Ich muss dich in einem Punkt in Frage stellen: Ich bin mir nicht so sicher, ob das alles der „böse“ Kapitalismus bewerkstelligt, oder nicht doch eher der „dumme“ Mensch. Hat der Mensch nicht einfach das System, welches er auch verdient? Es ist doch die Frage nach dem Ei und dem Huhn. Wer war wohl zuerst da? Ohne Mensch kein System, allerdings ist Menschheit auch nicht ohne System zu denken. Doch wem verdankt das System seine Eigenschaften? Zumal es noch „böse“ genannt wird und doch eigentlich nur menschliche Handlungen als gut und böse bewertet werden. Ist es nicht vielmehr eine Ausrede der verantwortlichen Menschen, dass System Kapitalismus „böse“ zu nennen? Verantwortlich sind wir dabei alle.

people in motion:
Zuerst einmal möchte ich betonen, dass ich den Kapitalismus, die riesigen Firmen und Aktiengesellschaften sind Zeugen seiner Effektivität, niemals als „böse“ bezeichnen würde, denn Zahlen haben nichts mit Moral zu tun. Allerdings unterspült er die Grundlagen menschlichen Lebens, vom Staatenwesen und der Demokratie bis hin zu zwischenmenschlichen Beziehungen. Natürlich sichert auch das kapitalistische System, wie alle vorigen Systeme, einer kleinen Schicht von Menschen unvorstellbare Macht und Reichtümer, aber im Grunde sind auch sie nur Sklaven.

Die Geschichte der Menschheit ist eine Entwicklung und ich glaube, dass unsere heutige Gesellschaft für ein derart liberales Wirtschaftssystem noch nicht reif ist, denn der Mensch will nicht begreifen, dass Wohlstand kein Glück bedeutet.

Eine Lösung dieser Problematik kann also nur innerhalb jedes einzelnen Menschen gefunden werden, denn abgeschafft wird der Kapitalismus so schnell sicher nicht. Finden kann er sie nur in dem er nach wahrem Glück sucht. Was könnte also ein Staat für seine vom System versklavten Bürger tun, wenn er schon das System als solches nicht ändern kann?

Ein Staat muss eine ausgeprägte Persönlichkeit und innere Festigkeit unterstützen, die dem Menschen Ausgangspunkt ist um jenseits materieller Scheinwerte ein Glück in seinem Leben zu finden. Dieser „reife Mensch“ kann nur über Erziehung und Bildung erreicht werden. Er wäre nicht Opfer des Kapitalismus, da seine Werte außerhalb des Einflussbereichs der Regeln des Systems liegen.

Wenn ich mich allerdings in unseren Schulen mit etwa 30 Schülern pro Klasse umschaue oder den Stand familiärer Bindungen in unserem Land beobachte, dann zweifle ich an der Welt, in der unsere Kinder groß werden müssen. Ich glaube hier müssen ganz klar die Prioritäten unserer Politik überdacht werden.

soeren onez:
Du weist auf das Reifestadium der Menschheit hin und ich denke dort liegt wirklich das Problem. Sicher ist es einfacher die Globalisierung oder den Kapitalismus anzuschwärzen, aber die eigentliche Verantwortung liegt doch eben bei den Menschen und nicht bei einem System. Ob ich dich da richtig verstanden habe werden wir nächsten Dienstag, dem 29. Mai im zweiten Teil unserer Diskussion erörtern. „Mensch oder System?“ wird auf people in motion erscheinen.

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Ein wenig mehr Zusammenhalt https://raue.it/internet/ein-wenig-mehr-zusammenhalt/ https://raue.it/internet/ein-wenig-mehr-zusammenhalt/#comments Wed, 16 May 2007 20:16:03 +0000 http://www.onezblog.de/?p=248 Ich muss mal ein wenig Unverständnis los werden. Dieser Kritik und dem damit verbundenen Unfähigkeitsvorwurf gliedere ich mich mit ein. Es geht wie so oft um Blogs, Charts und Aufmerksamkeit. Doch ich möchte mit einer anderen Perspektive beginnen. Es hat sich bei meinen Bekannten und Kommilitonen wohl rumgesprochen, dass ich ins Internet schreibe, was man […]

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Ich muss mal ein wenig Unverständnis los werden. Dieser Kritik und dem damit verbundenen Unfähigkeitsvorwurf gliedere ich mich mit ein. Es geht wie so oft um Blogs, Charts und Aufmerksamkeit. Doch ich möchte mit einer anderen Perspektive beginnen.

Es hat sich bei meinen Bekannten und Kommilitonen wohl rumgesprochen, dass ich ins Internet schreibe, was man jetzt bloggen nennt. Man liest ab und an davon und da werde ich dann ab und an gefragt:
I. „Sag mal, stimmt das, dass Blogs nur was für Geeks/ Freaks sind und sich nur mit Technikkram beschäftigen?“ Das war jemand, der schon mal im Internet war.
II. „Sag mal, ich hab gehört du hast nen Blog, warum führst du dein Tagebuch denn im Internet, wo alle es lesen können?“ Der war noch nicht online.
III. „Sag mal, ist das nicht langweilig sich immer nur auf Blogs zu beziehen?“ Der hat wohl mal in die Süddeutsch geschaut.
IV. „Sag mal, ich find den und den Blog viel besser als den und den Blog, aber der andere ist in den Charts. Warum?“ Der kennt sich aus und hat das Prinzip dennoch nicht verstanden.

Ist euch was aufgefallen? Genau, es fragt kaum jemand nach interessantem, kaum jemand fragt ob er nicht auch einen Blog haben kann um am Diskurs der Blogs über Gesellschaft, Politik, Philosophie und Kunst teilzunehmen. Blogs sind entweder für Freaks, die nur vor dem Computer hocken, Tagebücher oder selbstbezügliche Klatschweiber. Kaum jemand verbindet Blogs und Qualität. Für viele scheint sich das sogar auszuschließen. Das nervt und liegt doch an uns selbst und nicht dem blöden Leser.

Wenn überhaupt mal in den Zeitungen und Zeitschriften über Blogs berichtet wird, dann über diejenigen, die ganz oben stehen, die so genannten A-Blogger. Das ist völlig normal und soll nicht teil meiner Kritik sein. An wen würdet ihr euch denn wenden, wenn ihr euch irgendwo nicht auskennt? Genau, an die Erfahrenen. Aber hat sich mal jemand die großen Blogs angeschaut? Ich will nicht sagen, alle gleich, das wäre Schwachsinn, aber sie repräsentieren jedenfalls nicht das Spektrum der Blogosphäre wieder. Kaum politische Blogs. Kaum gesellschaftskritische Blogs. Sehr, sehr viele Internet-, Technikbezogene Blogs. Sehr viele selbstbezogene Blogs, die eher Tagebuch schreiben. So ist das und es ist nicht schlecht, zumindest nicht partout.

Aber die A-Liste ist einfach nicht bunt genug. Ist meine Meinung. Warum ist das so? habe ich auch eine Meinung zu. Die Blogs, die ich meine, die unterrepräsentiert sind, verlinken sich einfach zu selten. Ein Blog, der sonst über Politik schreibt will eben nicht jedes Stöckchen und jeden Spaß mitmachen. Die Blogs, die ich meine, die schicken keine Stöckchen los. Man will seine Qualität erhalten und nicht durch „Spaßverlinkung“ die Leser vergraulen. Es herrscht dort ein Ernst, der missversteht, dass Qualität nur wirken kann, wenn sie wahrgenommen wird.

Ich meine nicht, die Blogs, die ich meine, sollten jetzt wie wild mit Holz um sich schmeißen, oder lustige Verlinkungsorgien feiern. Ich sehe eher den Weg der Kooperation. Öfter Texte anderer Blogs aufnehmen und erweitern, von einer anderen Seite beleuchten und so die Qualität erhöhen. Genau das machen die Topblogs nämlich. Eine Meldung wird von verschiedenen Autoren verschieden beurteilt und analysiert. Dadurch entstehen Diskussionen und das ist gut so. Nur die Blogs, die ich meine, die machen das nicht. Obwohl oft Themenüberschneidungen vorhanden sind, wird sich nicht verlinkt, wird weniger miteinander diskutiert. Woran es liegen kann, darf ich höchstens spekulieren. Kurze Kommentare sind nicht drin, weil sonst der akademische Habitus nicht vollendet genug transportiert wird? Sicher, aber das kann ja der einzige Grund nicht sein.

Was will ich sagen? Die blogs, die ich meine, werden wissen, dass sie gemeint sind. Junge Akademiker, die sich in ihrem Blog mit der politisch-gesellschaftlichen Welt beschäftigen. An der Uni ist Einzelstudium sicher vorteilhaft, in Gruppenarbeiten verliert man nur Zeit, aber in der Blogosphäre würde ich mir ein wenig mehr Zusammenhalt wünschen und den ein oder anderen Blog nach oben zu pushen.

Bei Robert kann man heute die Buzzwörter der letzten Zeit lesen. Es ist keins dabei, was mich oder euch angesprochenen sonderlich interessieren dürfte. Finde ich schade. Denn es gibt politische Blogs. Massenweise. Sie werden nur nicht bemerkt. Kann man ändern!

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Geld oder Leben: Systemkritik? https://raue.it/gesellschaft/geld-oder-leben-systemkritik/ Mon, 30 Apr 2007 11:31:06 +0000 http://www.onezblog.de/?p=237 Ich finde die Aktion von „Geld oder Leben“ gut und witzig (hier in Selbstbeschreibung und hier in der sueddeutschen. Sie war einfallsreich und kreativ, dabei nicht nur plakativ und provokativ sondern auch inhaltlich. Sehe ich wirklich so, auch wenn die meisten ähnlicher Aktionen eher als Demonstrationstourismus sehe und nicht als Anstoß zu Diskussionen. Doch diese […]

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Ich finde die Aktion von „Geld oder Leben“ gut und witzig (hier in Selbstbeschreibung und hier in der sueddeutschen. Sie war einfallsreich und kreativ, dabei nicht nur plakativ und provokativ sondern auch inhaltlich. Sehe ich wirklich so, auch wenn die meisten ähnlicher Aktionen eher als Demonstrationstourismus sehe und nicht als Anstoß zu Diskussionen. Doch diese Aktion war so groß und geplant, dass es wohl nicht ausreichen wird nur eine Debatte zur Sicherheit im Bundestag zu führen.

Allerdings, es wäre utopisch zu glauben, dass dadurch jetzt eine wirkliche Diskussion über die Zukunft der Demokratie, gar des Systems ausbrechen würde. Aber das ist kein wirkliches Gegenargument und soll auch keines sein. Es führt mich eher zum Video der Aktion. Hättet ihr nicht einfach den Mund halten können, dann würde ich die Aktion durchweg gut heißen. Aber kategorische Aussagen sind nicht der richtige Weg um einen Diskurs zu eröffnen:

„Das es nur darum geht in dieser Gesellschaft als Humankapital zu dienen…“

Warum denn immer so Hirnlos? Damit wird doch die Aktion egalisiert. Nein es geht nicht nur darum Humankapital zu sein, aber euch geht tierisch auf den Sack, das es in diese Richtung geht. Dann sagt das aber doch auch und disqualifiziert euch nicht selbst mit einer Rhetorik, die ebenso Falsch wie Systemkonform ist. Kategorische Aussagen sind doch eines der großen Probleme in Diskursen, da sie nur sehr selten Berechtigung haben, aber sehr oft genutzt werden. Aber mit gegenseitiger Provokation gewinnt man vielleicht Wahlen aber in Hinblick auf Verbesserung keinen Blumenkübel. So sieht die Aktion aus wie eine gut geplante Wahlveranstalltung, super Programm nur wenn die Anwesenden den Mund aufmachen wirds peinlich. Ihr kennt doch alle Stoibers Flughafenrede.

Die Aktion, die Website, ein paar gut ausformulierte Flyer, aber bitte Klappe halten, dann wirkt das auch. Wie gesagt, eigentlich eine super Aktion, aber agieren alleine reicht nicht, wenn nichts dahinter steht. Kritik nur als Zweck um das Gegenteil zu erreichen ist immer polemisch und somit auch nicht besser, als das, was unsere Politiker zu bieten haben.

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Studiengebühren sind kein Thema mehr https://raue.it/leben/studiengebuehren-sind-kein-thema-mehr/ https://raue.it/leben/studiengebuehren-sind-kein-thema-mehr/#comments Tue, 24 Apr 2007 23:20:00 +0000 http://www.onezblog.de/?p=234 Vollkomene Verständnislosigkeit stand mir und meinen Fachschaftskollegen heute ins Gesicht geschrieben, als es 20.15 war und zur Philosophie-Vollversammlung gerade mal 24 Leute gekommen waren, von gut 400 Studierenden der Philosophie. Das Thema war eines, was im letzten Jahr für unglaublich viel Entrüstung und Protest gesorgt hat: Studiengebühren. Es scheint keine Sau zu interessieren. Ich bin […]

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Vollkomene Verständnislosigkeit stand mir und meinen Fachschaftskollegen heute ins Gesicht geschrieben, als es 20.15 war und zur Philosophie-Vollversammlung gerade mal 24 Leute gekommen waren, von gut 400 Studierenden der Philosophie. Das Thema war eines, was im letzten Jahr für unglaublich viel Entrüstung und Protest gesorgt hat: Studiengebühren.

Es scheint keine Sau zu interessieren. Ich bin wirklich enttäusch von meinen Kommilitonen. Egal welche Meinung man vertritt und ich bin nicht prinzipiell gegen die Einführung von Gebühren, aber man muss diese doch kundtun und nicht nur aus Spaß zu irgendwelchen Demos rennen.

Warum bitte war halb Frankfurt voll von Demonstranten, aber wenn dann die Demokratie ihre Arbeit machen will und wir abstimmen sollen, wie weiter vorgegangen wird in den uniinternen Gremien, macht keiner mit? Ich versteh das wirklich nicht. Ist es uncool abzustimmen, oder nur coll mit so einem scheiß Button rumzulaufen. Sind Demos vielleicht billiger als Kino und deshalb geht man hin? Vielleicht haben alle auch schon aufgegeben, mag sein, dass ich zu viel meiner Emotionen gerade investiere. Kann mir das vielleicht jemand erklären?

Voll praktizierte Politikverdrossenheit kann es ja wohl nicht sein. Aber wenn die Party wichtiger ist, oder schlafen, oder was weiß ich, dann kann ich mich doch nicht mehr guten Gewissens beschweren, oder seht ihr das nicht so? Ich meine solche Vollversammlungen sind sicher nicht nur zur Gewissensberuhigung da, aber man muss doch wenigstens das Gewissen befragen und die Möglichkeiten der demokratischen Teilnahme nutzen.

Ich könnte ja versthen, wenn jemand sagt, dass das doch eh alles nichts bringt. Ich geh ja auch nicht mehr zur Bundestagswahl. Aber es kommt keiner und somit kann mir auch keiner sagen, dass es nichts bringt. Sie wissen es doch einfach gar nicht.

Kinder, kann es vielleicht sein, das Platon in Bezug auf die Demokratie doch Recht hatte?

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