Es gibt Tage, an denen fühlt man sich, gelinde gesprochen, beschissen. Man ist unrasiert, müsste eigentlich mal wieder zum Friseur und die Klamotten, die man morgens, mit dem vorausschauenden Unwillen dem Tag gegenüber, aus dem Schrank gezogen hat, passen weder zusammen, noch sind sie einzeln das, was man selbst als kleidend empfinden würde. Kurz, man fühlt sich zwar nicht grundlegend unattraktiv, aber weiß um seine tagesbedingte Hässlichkeit. Bedingt durch, Laune, Tag und deren Vermischung.
Aber es kann auch ganz anders laufen. Man fühlt sich unrasiert männlich, freut sich auf den Tag und will mal wieder etwas riskieren. Die Klamotten werden dem rebellischen Empfinden angepasst und die selbe Kleidungskombination, die einen Tage zuvor einer grauen Maus gleich gemacht hat, können heute dafür sorgen, dass man mit durchgedrücktem Rücken, aufgerichtet durch die Uni läuft. Freude schöner Götterfunken.
Paradox kommen einem dennoch die Reaktionen der sozialen Umwelt vor, entsprechen sie doch gar nicht dem eigenen Empfinden. So kann es passieren, dass man an diesem grauen, hässlichen Tag lesend hinter einer Säule versteckt im Bistro sitzt und sich ganz ins Buch vertiefend von seiner Umwelt abkapselt und doch angesprochen wird. Ein Kommilitone, ein alter Freund, jemand, der sich über das Zusammentreffen freut, sagt wie beiläufig, dass man gut heute aussehe und wirft damit den eigenen Tag komplett durcheinander.
Doch auch andersrum kann man aus der Bahn geworfen werden. Man fühlt sich großartig, blendend aussehend, auf der Höhe seiner Attraktivität und wird doch belächelt ob der eigenen Erscheinung. Doch man ist gestählt vor Selbstvertrauen und dies mag auch so lange gut gehen, bis die Fassade nicht mehr haltbar wird, bis ein Mensch des Vertrauens auf die unästhetische Zusammenstellung der heutigen Erscheinung unserer Selbst diskret aufmerksam macht.
Was aber durch solch eine Überlegung gewinnen? Man kann seine Extravaganz zum Teil der Persönlichkeit machen und so andere Werturteile zur persönlichen Kritik werden lassen. Man kann auch Einheitskleidung, egal welcher Konvention, tragen und so immer stimmig angezogen sein und das Anziehende der eignen Person dem Charme, dem Charakter überlassen. Man kann auch versuchen die allmorgendliche Stimmung zu relativieren und so immer eine gute Mitte finden. Man kann, man kann, man will.
Aber wie kann man sein ästhetisches Gefühl veranlassen, sich nicht vereinnahmen zu lassen, von der Melancholie oder der Rebellion der gerade empfundenen Stimmung. Wie kann man ein Ästhet werden?
Ich selbst bin da leidlich ungebildet. Ich bin jemand, der die oben geschilderten Tage nicht als Ausnahme, sondern als Regel erlebt und damit unzufrieden ist. Nun kann man sicher anführen, dass ein ästhetisches Empfinden erlernt werden könnte, hat man nur die richtigen Lehrer. Doch auch dieser Versuch scheiterte bei mir grundlegend. Ich fühle mich nicht wohl in den Klamotten, die mir als zu meiner Person passend und meinem Lebensstil entsprechend angepriesen werden, von Leuten denen ich eine ästhetische Bildung zuspreche. Ich fühle mich wie ein Clown, der seinen neuen Sketch auf Anweisung des Direktors ohne rote Nase spielen muss.
Wenn ich meine Klamotten trage, dann habe ich wenigstens eine 50% Chance mich wohl zu fühlen. Obwohl Chancen auf eine konstante Stimmung wohl kaum berechnet werden können. Aber alles was ich nicht berechnen kann, beziffere ich pauschal mit einer 50%. Das ist dann zwar nicht schön, wenn man eine 50 prozentige Chance nicht nutzen konnte, aber da halte ich es wie beim Fußball und sage mir „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“ und glaube fest daran, dass mir meine Muffeligkeit morgen keinen Strich durch die Rechnung machen wird.
Kommentare
Oh Mein Gott!!!
Ich dachte über solche Sachen machen sich nur Frauen Gedanken. Naja diesen ganzen Styling-, Fashion-, Dingsda-Blödsinn halte ich für Weiberkram, prost!
Ich habe was Kleidung betrifft jede Form der Ästhetik überwunden.
Egal, als Philosph darf man scheiße aussehen.
Wowik, von wem erhält ein Philosoph die Erlaubnis, scheiße aussehen zu dürfen?
Von Peter Sloterdijk.
Nach Sokrates hat der wahre Philosoph nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, scheiße auszusehen: „Und wie steht es mit der übrigen Pflege des Leibes? Wird er großes Gewicht darauf legen? Glaubst du z.B., daß ihm an Erwerb kostbarer Kleider und Schuhe und an dem sonstige Zierat für den Körper viel oder wenig gelegen ist, soweit ihr Besitz nicht unbedingt nötig ist? Nur wenig wird ihm wohl daran gelegen sein, erwiderte Simmias, sofern er ein wahrer Philosoph ist. Du glaubst also doch wohl, daß sein ganzes Tun und Treiben sich nicht auf den Körper bezieht, sondern diesem so weit als möglich fern bleibt und der Seele zugewandt ist? Ja.“ (Phaidon)
Die Idee, dass Philosophen scheiße aussehen (müssen) ist also tief in der abendländischen Tradition verankert, und wird ja z.B. von Descartes eindrucksvoll bestätigt 🙂
die frage ist nur, ob ästhetik mit dem erwerb von kostbaren kleidern und schuhen verbunden ist, oder ob es nicht auch eine ästhetik gibt, die nicht unmittelbar an geld, schmuck etc gekoppelt ist, sondern mit schönheit, schlichtheit, eleganz zu tun hat, die auch in der einfachheit von kleidung zu auduck kommen kann. geld zu haben bedeutet nicht unbedingt, sich ästhetisch zu kleiden.
Natürlich geht Ästhetik nicht zwangsläufig mit Kostbarkeiten wie Schmuck usw. einher.
Eine Betonung der „natürlichen“ Schönheit durch einfache Kleidung ist jedoch nur möglich wenn eine „natürliche“ Schönheit beim Gekleideten vorhanden ist.
Nun sind allerdings viele Philosophen nicht unbedingt mit einer solchen „natürlichen“ Schönheit gesegnet worden, (siehe J. Böhme, R. Descartes, G. W. F. Hegel oder P. Sloterdijk) da sie bereits mit einem Intellekt von titanischem Ausmaß und göttlicher Scharfsinnigkeit ausgestattet wurden.
Um aus dem durchschnittlichen Philosphen einen einigermaßen ansehnlichen Menschen zu machen würde einfache und schlichte Kleidung nicht ausreichen. Man müsste also erhebliche Geld- und Zeitmengen in Kleidung, Körperpflege und chirurgische Eingriffe investieren.
Zwar hätte der gemeine Philosph deutlich mehr Zeit als Geld, doch ist davon auszugehen, dass er seiner Vorsehung folgt und seine Zeit nicht verschwendet um allzu weltlichen Damenhobbies (Kleidung, Schmuck, „sich schön machen“ usw.) nachzugehen oder sich in anderen geistigen Tiefebenen aufzuhalten, sondern stattdessen, sich in Denkabenteuer stürzend, in die himmlischen Höhen der Geistigkeit zieht.
Es liegt also erwiesenermaßen in der Natur des Philosphen scheiße (geistig) ausszusehen und nicht das Geringste dagegen zu tun.
Schon manch einer hat gedacht, dadurch zum Philosophen zu werden, dass er sein Äußeres vernachlässigt.
Es gehört zu den großen Irrtümern der Philosophie dass alles, was Platon dem Sokrates seiner Bücher in den Mund gelegt hat, auch von Sokrates sei. Diesen Glauben verliert man spätestens dann, wenn man Karl Poppers „Offene Gesellschaft und ihre Feinde“ gelesen hat.
Zur Ästhetik: Wirkliche Philosophen sind zumeist auch Genießer des Schönen, und dazu zählt auch die Schönheit des Menschen. Soweit Philosophen Menschenfreunde sind, werden sie ihren Mitmenschen nichts un-ästhetischeres zumuten wollen als sie selbst an anderen genießen möchten.
Kann man das ästhetische Urteil lernen? Seit Kant (Kritik der Urteilskraft) zweifelt man zwar daran, aber gerade in der jüngeren amerikanischen Ästhetik gibt es durchaus plausible Ansätze (Sibley, Goodman) die das Erwerben von Geschmack möglich erscheinen lassen.
Die Humorlosigkeit ist dem Sarkasmus sein Tod.
Ich bin auch für Selbstbestimmung, selbst für Peter Sloterdijk:)
@Wowik: Fandest du deine Bemerkungen vom Vortag sarkastisch oder humorvoll?
Nein, ich fand meine Bemerkung sarkastisch und humorvoll. Überhaupt habe ich einen herrlichen Sinn für Humor.
Es ging wenn du dir die vorherigen Kommentare genau durchliest nicht darum ob man als Philosoph scheiße aussehen muss sondern ob man es darf. Und ich meine man darf es.
Und weißt du was ich noch meine?
Welche These ich jetzt einfach mal so Aufstelle?
Man muss, um ein wahrhaftig großer Philosoph zu sein, um sich in die Reihe der Denkriesen einreihen zu dürfen, folgende Kriterien erfüllen: Unverheiratet (Kant, Schopenhauer, Nietzsche uvm.), deutsch- und/oder griechischsprachig (Nur in diesen beiden Sprachen kann sich das Seyn entbergen), männlich (hast du schon einen weiblichen Philosophen gesehen?) und vor dem Jahre 1920 geboren (Das ist wie in der Literatur, alles was im restlichen 20. Jahrhundert hervor gebracht wurde ist hier wie auch dort eine Farce, Müll, lächerlich, verwindenswert.
Du siehst, mein Humor ist äußerst geistreich. Wir beide werden auf jeden Fall noch eine Menge Spaß haben.
„Die Schönheit des Menschen“
Na, dann zeig mir mal die Schönheit „des Menschen“. Ich mache wahrscheinlich irgendetwas falsch aber wohin ich auch sehe, erblicke ich immer nur Menschen, nichts als Menschen.
Was ist wenn Philosophen keine Menschenfreunde sind? Dann hätten sie doch auch keinerlei Interesse ihre Mitmenschen mit ihrem Anblick zu erfreuen.
Zum Thema Verachtung des Leibes fällt mir noch Plotin ein. (Nur damit es so aussieht als ob ich Ahnung hätte)
Wer behauptet denn, dass alles was Sokrates in den Dialogen Platons sagt auch vom historischen Sokrates gesagt wurde? Ich bin mir sicher, dass Mika, wenn er von Sokrates spricht, die Kunstfigur Platons meint.
Nein, wir werden keinen Spaß miteinander haben. Kein Interesse.
wieso ist „ästhetik“ „allzuweltiche damenhobbies“? und „zeitverschwendung“? womit ist das zu begründen? ich bin übrigens ser meinung, dass „natürliche“ schönheit bei jedermann und jederfrau vorhanden ist, dass selbst „hässliches“ schön sein kann, möglicherweise nicht für jedermann sofort erkennbar und einsichtichtig!
Den Spaß haben wir doch längst, mein Freund.
Zickt euch doch nicht so an, geht doch nur um Kleidung. Kinder, ehrlich, über Geschmack lässt sich doch nicht streiten und die Energie, die ihr gerade im Streiten über den Artikel verschwendet, geht weit über die für diesen Artikel verschwendete Kraft hinaus und bläht ihn gerade doch reht künstlich auf. Mein ihr nicht:)
[…] – Ach ja, die Ästhetik « Rezension – Tele2 Mobile […]
[…] ich mich immer nur irgendwie so anziehe, wie ich gerne angezogen wäre. Das ist so eine gewisse ästhetische Unfähigkeit, die sich in meinen Klamotten chronisch äußert. Aber darum sol es nicht gehen. Um Hip Hop […]