Ich bin gestern nach Frankfurt gefahren um meinen Freund Vlastik abzuholen, der für ein paar Tage aus Tschechien gekommen ist. ich kaufe mir eigentlich immer vor Zugfahrten das Cicero und oder Brand Eins, kommt drauf an, wie lange ich fahre.

Ich habe diesmal im Cicero ein wirklich interessanten von Bernd Kundrun, dem Vorstandsvorsitzenden von Gruner + Jahr, dem größten Zeitschriftenverlag Europas, gefunden und möchte euch die Gedanken schildern und auch was ich darüber denke.

Der Essay mit dem prägnanten Titel „Der Weg ins Web 3.0“ analysiert zunächst die Situation:
. Die Medienwelt beginnt erst langsam sich ins Web zu wagen, der Leser ist schon längst dort.
. Die Medienwelt wird sich dem radikalsten Wandel seit Gutenberg stellen müssen.
. Die Medien treten gegen Portale mit „User Generated Content“ an.
. Die Kompetenz alter Marken ist oft nicht von Vorteil, im antiautoritären Netz.

So wird die Lage von Kundrun eingeschätzt. Ob man jetzt die Gutenberg-These teilt oder nicht ist nicht so sehr von Bedeutung, ich denke die Analyse ist solide. Es wird aber interessanter und auch kontrovers. Es werden die Reaktionen der Medien abgewogen. Für den Autor ergeben sich zwei Wege, wobei er nur den letzteren für sein Verlagshaus als richtigen sieht:

I Die Medien kaufen sich in diese neuen Portale und Netzwerke ein und sichern sich somit ihre Vormachtstellung

II Die Medien besinnen sich auf ihre Kompetenz und bieten dem Leser einen „Leuchtturm der Orientierung“ in der Reizüberflutung des Web.

Zu eins ist nicht viel zu sagen, der Fall Holzbrinck/ StudiVZ wurde oft genug diskutiert und es wird sich zeigen, wie erfolgreich dieser Versuch der alten Medien, in den neuen Netzwerken Fuß zu fassen, sein wird. Für Kundrun ist das aber nicht der richtige Weg, da er diese Netzwerke wie YouTube, StudiVZ und MySpace dem für journalistisch irrelevant hält, sie haben keinen wirklichen Inhalt und gegen richtige journalistische Texte nichts auszurichten. Denn es brauche die journalistischen Kompetenzen qualitative Inhalte erstellen zu können und wichtiger, sie auch in eine Rangordnung bringen zu können, sie sortieren, einer objektiven Wichtigkeit zuführen. Das könnten die ganzen neuen Portale nicht, da dort nur nach dem Kriterium Unterhaltung, Infotainment bewertet wird.

„Wir wollen die Positionierung der jeweiligen Marke auf neue mediale Spielfelder übertragen, angepasst an die Bedürfnisse des jeweiligen Mediums und seiner Nutzer.“

Eine klare Aussage darüber wie Kundrun die Zukunft von Gruner + Jahr im Netz sieht. Ein optimistischer Blick. sicher, aber genauso sicher auch nicht unrealistisch.

Ich denke, seine Einschätzung, dass die Netzwerke und Portale, die für so viel Wirbel in den Medien sorgen, diese nicht ablösen werden, ist richtig. Selbst Blogs haben einfach nicht die Reichweite und qualitative Grundlage den Medien in irgendeiner Art und Weise den rang abzulaufen. Es bedarf schon einer Grundausbildung um Nachrichten bewerten zu können, sie zu sortieren, schaut euch doch nur an was für ein Müll oft in den Top 20 bei Yigg ist.

Zudem brauchen Blogs Medien, wie zum Beispiel Spiegel Online. wie viel Artikel würden viele, viele Blogger den noch schreiben könne, wenn die Vorlage von heise, SpOn etc wegfallen würde. Ich meine nicht alle blogs, aber die, welche Nachrichten verbreiten, die nicht nur Netzintern sind, oder auf einen kleinen Bereich begrenzt sind.

Aber wirkliche Nachrichten produzieren, dazu sind Blog nicht in der Lage und für sehr lange Zeit denke ich auch nicht, dass sich das ändern wird. Damit ist keineswegs die Kompetenz von Blogs angegriffen, viel mögen in gewissen Bereichen sogar besser sein als ihre entsprechenden Magazine in den Medien. Aber es geht um Reichweite und Qualitätsschaffung und da sind selbst die großen Blogs aus Amerika nicht zu in der Lage, auch wenn sie mehr Leser haben als die Auftritte der alten Medien.

Soweit stimme ich den Aussagen zu. Dennoch denke ich, dass der Weg der Medien sehr viel steiniger wird und es keineswegs so einfach ist, die alten Medien nur den neuen Gegebenheiten des Webs anzupassen. Die Medien müssen vor allem aufpassen, das sie nicht alles komplett verschlafen. Es werden immer mehr Blognetzwerke und -zusammenschlüsse diskutiert. Sollten einige wirklich Erfolg haben, dann wären sie qualitätsschaffend und es würden sich sicherlich genug Journalisten finden, die für solche Netzwerke auch das sortieren und bewerten übernehmen könnten. Die Gefahr ist also nicht, dass Blogs die Medien ablösen, sondern, dass sich neue Medien bilden, an denen die alten sich einfach nicht mehr messen können, weil die neuen die selbe Qualität bieten können.

Denn, diese neuen Blogverbünde wäre keine eigentlichen Blogs mehr, sie würden selbst zu den Medien, sie wäre die Nachrichtenschaffenden. Ob das wirklich so kommt, steht in den Sternen, ob das wünschenswert ist, ist eine ganz andere Diskussion, aber der Gefahr sollten sich die alten Medien bewusst sein.

Nachtrag: Ich habe vergessen, die polemische und kontrastierende Überschrift aufzulösen. Ich bin der Meinung, dass ein solche „oder“ nicht wirklich existiert. Blogs und Medien werden ihren Platz finden. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass die Bloggosphere auf dem Weg ist, die Medien sollten sich auch aufmachen und ihren Teil betragen, ihren wichtigen Teil.

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