Eine Kritik der Konsumkritik. Denn Kaufen ist leider geil.
Großer Titel, ich weiß. Einlösen will ich den gar nicht, kann man aber dennoch mal machen. Die Überschrift ist bewusst an den werten Herrn Fromm gerichtet, auch wenn der nicht mehr antworten kann. Denn meine Einstiegsthese ist, dass sich eine ganze Generation von Kapitalismuskritikern und pseudoreligiösen Fairtradebiokosumenten direkt oder indirekt von seinem Buch „Haben oder Sein“ hat beeinflussen und ökonomisch sowie ideologisch versauen lassen. Sicher ist es immer etwas lahm einer größeren Menschenmasse undifferenzierte Sichtweisen vorzuhalten. Denn wenn es ein Merkmal gibt für eine größere Menschenmasse, dann, dass sie sobald sie eine gewisse Größe erreicht, eben undifferenzierter wird als auch nur das undifferenzierteste einzelne Mitglied.
Aber mir geht diese plumpe Konsumkritik, die sich vor allem an geisteswissenschaftlichen Instituten hartnäckig hält, so dermaßen auf den Sack, dass ich hier mal was dazu schreiben muss. Und ich meine behaupten zu können, dass nicht die meist mutig hervorgekramten Brocken von Marx und Engels entscheidend dazu beigetragen haben, dass der Konsum als mittlerer Teufel in der Hölle des Kapitalismus angesehen wird, sondern eben jener Erich Fromm mit seinem Buch.
Dort wird ganz grob zusammengefasst, dass der Homo Ökonomicus eben noch lange kein Mensch sei, weil er sich nur seines Habens bewusst werden kann und so noch nicht zu seinem Sein durchgedrungen ist. Dieses aber findet sich nur in der Liebe, wie man einem weiteren Buch von Fromm „Die Kunst des Liebens“ entnehmen kann.
Ich möchte mir wirklich nicht die Mühe machen, eine fundierte Kritik an Fromm darlegen zu müssen, denn dazu würde ich auch eine fundierte Theorie erwarten, aber das Hauptmerkmal der Bücher von fromm sind nunmal seine Thesen, die scheinbar ohne jedes Argument auskommen sollen, weil sie ja so verdammt evident seien. Eine fundierte Kritik müsste zunächst die Anstrengung unternehmen, herauszufinden, was Fromm mit „Sein“ überhaupt meinen könnte und würde trotz aller Mühen nicht viele Antworten bekommen. Sein statt Haben jedenfalls. Oder so. Weil im Haben keine Liebe ist. Oder so.
Im Kaufen aber ist verdammt viel Liebe. Das ist meine Gegenthese. Begründen werde ich sie ebensowenig. Aber Evidenzen anführen. Wie Fromm. Kaufen ist Liebe, wenn auch nicht die einzige Form, aber das hat auch niemand behauptet. Schöne Dinge kaufen ist eben auch eine Referenz an den Menschen oder die Menschen, die diese schönen Dinge erdacht und gemacht haben. Das trifft selbst auf die immer wieder für sinnlos überteuerte Produkte stehenden Dinge von Apple zu. Die sehen gut aus, das wird wohl niemand bezweifeln wollen. und ich wüsste nicht, warum Design schlechter werden sollte, nur weil es plötzlich jeder hat, weil es Mainstream geworden ist und kommerziell ziemlich gut ausgeschlachtet wird. Gutes Design bleibt gutes Design.
Es mag vielleicht schade sein, dass man nur noch den Telefonen von Apple ein gutes Design bescheinigt und anderen deswegen weniger Liebe durch Konsum zuteil wird. Aber gleichwohl bleibt es nicht nur eine Struktur, die zum haben führt, sondern das Sein eines jeden Designers ausmacht. Kaufen ist selbstverständlich nicht die einzige Form der Anerkennung für Menschen, die Dinge erdenken und erschaffen. Ein Retweet, ein Like, ein Pin, ein Link, ein Schulterklopfen, ein Besuch in einer Ausstellung oder ein Leider geil sind ebenso gleichwertige Ausdrucksformen für die Liebe zum Design.*
Kaufen ist nicht nur Haben wollen. Kaufen ist eben auch Anerkennung. Kaufen ist nicht nur Konsumzwang, sondern auch ein, scheiße ist das durchdacht, scheiße ist das schön, scheiße ich habe keine Ahnung wozu ich das brauche, aber sieht doch verdammt gut aus in meinem Regal. Kaufen kann genauso die Abkehr von systematischen Funktionszwängen sein, wie das Nichtkaufen. Sein, nicht was man kauft, sondern Sein, weil man kauft obwohl man es nicht braucht. Die Sinnlosigkeit als Sinn befeuert auch Fromm in seinem Buch, ohne allerdings zu sehen, dass alles sinnlos sowie sinnvoll sein kann, egal ob es nur gekauft, nur geliebt oder nur gehabt wird.
Konsumverweigerung kann so friedvoll wie hasserfüllt sein. Konsum kann so reflektiert wie gedankenlos ein. Hört doch mal auf in so verdammt einfachen Strukturen zu denken und dabei auch noch so zu tun, als sei das irgendwie klug oder moralisch geboten.
Haben oder Sein? Ehrlich? Wollt ihr wirklich behaupten, ihr wüsstet was der Mensch sei oder sogar sein soll? Nicht wirklich! Ich hatte schon in einem meiner vorherigen Artikeln folgendes geschrieben:
Wir müssen wegkommen von dem Gedanken, dass Einzelhandlungen, egal wie gesteuert oder quantitativ sie in der Summe sind, solch komplexe Zusammenhänge irgendwie beeinflussen können. Aus German Neid.
Das trifft auf den Konsum ebenso zu. Es mag ja sein,d ass dieses verteilungssystem Kapitalismus oder wie auch immer gesteuerte Marktwirtschaft euren gerechtigkeitsvorstellungen nicht entspricht. Da würde ich mich anschließen. Aber deshalb jedem ins Gesicht zu rotzen, weil er ein iPhone hat ist nicht nur taktisch äußerst unklug, sondern ebenso falsch. Durch einen Verzicht auf Apple, Nestle, Müllermilch oder wen auch immer ihr gerade boykottiert, wird sich nichts ändern. Es würden dadurch nich einmal die Auswirkungen es Systems gelindert, sondern eben nach dem System gleich weiter verteilt. Da muss man ansetzen, nicht bei den angeblich hirnlosen Konsumenten. Denn das seid ihr mit eurem Fair-Trade-Kaffee ebenso wie der Typ mit seinem iPhone.
*Von Kunst möchte ich hier nicht reden, da sonst eine Diskussion darüber geführt werden könnte, was Kunst denn überhaupt sei und wie subversiv sie sein muss. Design ist da weniger vorbelastet.
Kommentare
Ich verstehe Deine Kritik am „Gutmenschentum“ der sich über Konsum definiert. Der ist ja sehr en vogue, es ist ja auch sehr leicht den modernen Kapitalismus zu kritisieren wenn man einfach über seine konkreten Erscheinungsformen in Form von Produkten, nur über die kleinen Ereignisse und Dinge moniert ohne überhaupt nach dem System zu Fragen in dem sie entstehen und ohne, wie Du richtig anmerkst zu sehen, dass man immer konsumiert und distingiert (und das macht man auch wenn man bewusst nicht konsumiert, also kein ipad hat und kein Auto fährt oder sich für den Kaffee von Gepa und die Nudeln von Alnatura entscheidet). Doch damit sind wir schon beim zentralen Punkt: Du willst Konsumkritik kritisieren, schreibst aber eigentlich über Kaufentscheidungen. Kaufen und Konsumieren, das ist nicht das gleiche. Der Begriff des Konsums beinhaltet den gesamten Prozess eines Artefakts, von der Ware bis zum Gebrauchsgegenstand, es geht dabei auch um die Art und Weise wie ich mir eine Ware aneigne, sie nutze und sie sogar entsorge. Und Deine Annahme, dass Konsum- und Kaufverhalten sich nicht auf die Sphäre der Produktion und des Vertriebs von Waren auswirkt ist empirisch schlichtweg falsch. Das zeigt der Wandel des Handels einer postfordistischen Konsumkultur im Großen und viele Beispiele aus der Konsumgeschichte im kleinen – Angefangen beim Telefon, ursprünglich ein Büroapparat, bis zur unterschiedlichen Durchsetzung von Benzin oder Diesel als Kraftstoff in verschiedenen Ländern. Man kann hier unendlich viele Geschichten erzählen die Deine Behauptung widerlegen. Warum soll sich Konsum- und Kaufverhalten also nicht auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit auswirken? Fairtrade Kaffee macht mich bestimmt nicht zum besseren Menschen, aber die Leute die sich dafür engagaieren, dass soziale und ökologische Probleme die mit konventioneller Kaffeeproduktion in Verbindung stehen stehen überhaupt wahrgenommen werden schon. Und als Konsumtin kann ich entscheiden wie ich mein Mobiltelefon nutze, und wie lange und wofür.
Ich muss zugeben, dass ich deine Kritik nicht ganz verstehe bzw. dein Hintergrundwissen nicht habe. Du schreibst, die Auswirkungen von Konsum- und Kaufverhalten wirken sich auf die Sphäre der Produktion aus und das ließe sich empirisch zeigen. Ich kenne zwar einige der von dir angeführten Geschichtchen, aber nicht eine und schon gar nicht die Summe derer haben mich überzeugt, dass hier eine wirkliche Beschäftigung mit dem Problem, was ich angesprochen habe, stattgefunden hat.
Das Problem ist doch, dass wir keine Theorie oder Praxis haben um die Auswirkungen und Einwirkungen sowie die wechselseitigen Bestimmungen von Handlungen und Systemen zu beschreiben oder auch nur zu Denken. Jedenfalls nicht in der Philosophie, aber vielleicht fehlt mir, wie gesagt, da das Hintergrundwissen. Nur weil eine Umstellung zu einem Ergebnis führt, heißt das in solchen komplexen Zusammenhängen doch nicht, dass die Auswirkung auch Wirkung der Umstellung sind, oder? Diese tradierte Vorstellung aber, dass viele Einzelhandlungen, zumal die abgestimmten Einzelhandlungen der Mehrheit oder einer qualifizierten Summe zu Veränderungen führt, ist zwar weiter verbreitet als irgendein anderer Glaube auf diesem Planeten, aber Argumente dafür kenne ich nicht.
Durch Handlungen verändert sich zwar etwas „in der Welt“, aber was, ist meines Wissens nach, in komplexen Zusammenhängen immer ungewiss. Ansonsten könnte man den Begriff der Handlung ja auch abschaffen und ihn durch den Begriff der Kalkulation ersetzen, die Funktion entscheidet dann ob eine Handlung erfolgreich ausgeführt wurde oder nicht. Wenn das möglich wäre, dann würde ich dir zustimmen und es wäre möglich Veränderungen herbeizuführen und durch Konsum in deinem Sinne etwas zu Verbessern. Aber solange nicht sicher gestellt ist, dass die Veränderungen nicht systemische Veränderungen herbeiführen bewegt man sich innerhalb des Systems, was sich zwar anpasst, aber nicht verändert. So scheint es mir beim Fair-Trade-Kaffee zu sein. Die großen Firmen bieten den mittlerweile auch an. Deshalb gibt es schon neue Labels. Erst kam noch Bio hinzu, dann wurde er als zapatistisch verkauft. Was kommt als nächstes? Es bleibt im System, weil das System eben wandlungsfähiger ist, als man denkt und sich von ein paar Einzelhandlungen sicher nicht die Institutionen versauen lässt.
Wo aber kann man ansetzen, um hier Veränderungen herbeizuführen, die dann auch besser sind?Das ist doch die Frage, alles andere scheint mir nur ein Alibi zu sein, sich nicht zu schlecht zu fühlen, weil wir eben einen weiteren Glaubensgrundsatz haben, ob links oder rechts: es gibt kein richtiges Leben im Falschen.