Gesellschaft – Raue https://raue.it Thu, 01 Apr 2021 13:35:35 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.6.14 https://raue.it/wp-content/uploads/2015/11/cropped-logo-st3-32x32.png Gesellschaft – Raue https://raue.it 32 32 Die Normalität des Bösen https://raue.it/gesellschaft/die-normalitat-des-bosen/ Fri, 08 Mar 2013 11:04:13 +0000 http://www.onezblog.de/?p=1471 Ich habe es gestern dann doch noch geschafft den Film Hannah Arendt bei uns im Programmkino zu schauen, kurz bevor er abgesetzt wird. Und er hat beeindruckt. Und ich kann ihn empfehlen. So wie ich ihr Buch Eichmann in Jerusalem ebenso jedem zu lesen empfehle. Um den Eichmannprozess und ihren Umgang mit diesem geht es […]

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Ich habe es gestern dann doch noch geschafft den Film Hannah Arendt bei uns im Programmkino zu schauen, kurz bevor er abgesetzt wird. Und er hat beeindruckt. Und ich kann ihn empfehlen. So wie ich ihr Buch Eichmann in Jerusalem ebenso jedem zu lesen empfehle. Um den Eichmannprozess und ihren Umgang mit diesem geht es auch in diesem Film. Jedenfalls war dies meine Perspektive auf den Film. Rezensiert wurde er ja hauptsächlich als Porträt einer starken Frau. Und so kann man ihn sicher auch aufnehmen, aber mir ging es eher um die Entwicklung ihrer Gedanken zur Banalität des Bösen. Um die Auseinandersetzung mit einem Phänomen, was zwischen Normalität und Grauen angesiedelt ist und was ein ebenso radikales Denken braucht, um es aufzudecken. Radikales Denken ist allerdings nicht totalitäres Denken. Das zu unterscheiden ist nur im Denken selbst möglich. Nie ist diese Unterscheidung selbst kategorisch.

Hannah Arendt war sicherlich eine starke Frau, eine starke Persönlichkeit, aber vielmehr war sie eine Denkerin, die dem Denken einen so großen Teil ihres Lebens widmete, dass es sie ebensogut hätte auffressen können. Ich sollte zwar durchaus noch erwähnen,d ass ich von ihrem Hauptwerk, der Vita activa nichts, aber auch rein gar nichts halte und ihr bei der Entwicklung der dort vorgetragenen Gedanken viel zu viele einfache und unbedachten Abkürzungen vorwerfe, aber die Gedanken zur Banalität des Bösen, zum Kern des Totalitarismus, die sie in Konfrontation mit Eichmann entwickelt, sind vielleicht die wichtigste politische Entdeckung des 20. Jahrhunderts.

Ihr Argwohn gegen jedwede Normalität ist die Grundlage, um in Eichmann das zu sehen, was sonst niemand in ihm gesehen hat: Eichmann ist kein Monster, ist kein klassischer Täter, niemand, der sich über sein gewissen hinwegsetzt und tötet, sondern schlicht das, was als normal angesehen wird. Ein Spießer vielleicht, eine schwache Persönlichkeit, ein Niemand, aber jemand, der aus diesen schwächen keine Kraft zieht, sondern schlicht tut, was er für Normal hält. Normalität ist die Gläubigkeit, dass die Regeln, nach denen Gesellschaften funktionieren, schon irgendwie ihre Richtigkeit haben. Normalität ist es, zu wissen, dass man nichts tun kann und deshalb auch der Verantwortung enthoben ist, etwas zu tun. Normalität ist die Hörigkeit, dem Alltag das Denken zu überlassen. Normalität ist das, was Hannah Arendt die selbstgewandte Entmenschlichung der Person durch Missachtung des eigenen Person-seins nennt. Und ohne die so gedachte Normalität kann kein Totalitarismus entstehen. Können Verbrechen dieser Größenordnung nicht gedacht werden. Einfache Täter-Opfer-Beschreibungen können den Holocaust nicht beschreiben. Schlicht weil eine so organisierte Grausamkeit nicht durch die Grausamkeit einzelner durchführbar ist, sondern die Normalität bzw. Gleichgültigkeit der Vielen voraussetzt.

Argwohn gegen Normalität. Ohne dabei in jedem Spießer Adolf Eichmann zu sehen. Denken statt Ausführung von Unbedachten.

Dieser Argwohn hat Hannah Arendt selbst sehr viel Argwohn eingebracht. Die Vorwürfe und Anfeindungen gegen Sie waren vielfältig, aber sie hatten eines gemeinsam: unbedachte Normalität.

Es ist schwierig einen solchen Text zu beenden, denn ein solcher muss immer wie der Aufruf zu mehr Skepsis der Normalität gegenüber wirken. Dies zu brechen geht nur über den Aufruf, selbst zu denken. Und das sauere aude hat zwar die Form eines Imperativs, kann aber nur in sich selbst konsistent sein, wenn es sich selbst schon hervorbringt. Denn die Normalität der Alternative ist ebenso eine Normalität, wie ihr abgelehntes Gegenteil. Und Denken muss sich immer an Normalität reiben, kann diese aber auch zu jeder Zeit bestätigen. Nur wenn diese Möglichkeit bedacht ist, ist Denken radikal.

Der Bruch mit dem Normalen ist unaufgehoben selbst wieder Normalität.

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Das Recht und der unmündige Bürger https://raue.it/gesellschaft/das-recht-und-der-unmuendige-burger/ Sun, 29 Apr 2012 11:13:45 +0000 http://www.onezblog.de/?p=1303 Man hört ja immer wieder von absurden Klagen aus den Staaten, wo Bürger sich von Konzernen und Firmen nicht ausreichend gewarnt fühlen und für die abstrusesten Verletzungen absonderlich hohe Entschädigungszahlungen bekommen. Man weiß angeblich nicht, dass Kaffee bei Mc Ronalds heiß ist, dass man Katzen nicht zum Trocknen in die Mikrowelle stecken darf, dass Rauchen […]

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Man hört ja immer wieder von absurden Klagen aus den Staaten, wo Bürger sich von Konzernen und Firmen nicht ausreichend gewarnt fühlen und für die abstrusesten Verletzungen absonderlich hohe Entschädigungszahlungen bekommen. Man weiß angeblich nicht, dass Kaffee bei Mc Ronalds heiß ist, dass man Katzen nicht zum Trocknen in die Mikrowelle stecken darf, dass Rauchen ungesund ist und was weiß ich noch alles. Ferrero hat es diesmal getroffen:

Die im kalifornischen San Diego lebende Athena Hohenberg, Mutter eines Kindes, hatte im Februar 2011 geklagt, weil Ferrero den süßen Brotaufstrich als „Beispiel für ein ausgewogenes und schmackhaftes Frühstück“ sowie als „gesünder“ darstelle, als er in Wirklichkeit sei.

Dass solche Klagen in Deutschland kaum Aussicht auf Erfolg hätten liegt an verschiedenen Rechtsschranken, aber auch daran, dass hier von einem gewissermaßen mündigen Bürger ausgegangen wird. Allerdings beobachte ich seit einigen Jahren, dass auch hier bei uns ein Denken einsetzt, was genau solche Beschränkungen der Hersteller fordert. Schaut man sich die Etiketten von Lebensmitteln an oder liest die Gebrauchsanweisungen von Elektronikartikeln, so häufen sich die Warnhinweise, detailliert aufgeführten Inhaltsstoffe, die dann doch wieder niemand kennt und es wird sogar darauf hingewiesen, dass der Inhalt von der Abbildung abweichen kann.

Ich finde das bedenklich. Ich finde es sogar bedenklich, wenn gegen diverse Banken geklagt wird, weil diese die eigene Rente, das „hart“ Ersparte verzocken, weil man ja nichts davon wusste, dass Verzinsungen von über zehn Prozent nicht einfach vom Himmel fallen. Ich finde es bedenklich, dass das Recht gerade stehen soll für unsere Leichtsinnigkeit und selbstverschuldete Uninformiertheit. Klar kann man nicht alles wissen, aber nicht erst mit Beginn des Internetzeitalters gibt es genug Möglichkeiten sich über die meisten Zusammenhänge gut genug informieren zu können, um den gröbsten Dummheiten aus dem Weg zu gehen. Den Rest nennt man dann Lebensrisiko. Und dass ein Produkt, was nur aus Schokolade besteht nicht gesund sein kann, und wenn da noch so viel Milch und Haselnüsse und was weiß ich denn drin ist, das muss man selbst als totaler Vollpfosten wissen. Und wenn man in gehöriger Experimentierlaune mit Microwellen hantiert, dann kann man doch bitte nicht erwarten,d ass jede Handlung, die man mit einem Gerät ausführen kann auch die richtige ist. Und das mit dem Kaffee: ich würde meinen Kaffee zurückgeben, wenn er nicht heiß wäre.

Bei Hegel wird das Recht erst ermöglicht durch mündige Bürger. Das heißt zwar nicht, dass nur mündige Bürger das Recht in Anspruch nehmen können, denn vor diesem ist auch bei Hegel jeder gleich. Aber ohne den mündigen und autonomen Bürger gibt es kein Recht. Wenn wir alo meinen, unsere Unmündigkeit rechtlich absichern zu können und zu wollen, dann heben wir damit die Grundlage des Rechts auf.

Wir müssen selbstverständlich Konzernen nicht erlauben alles behaupten zu dürfen, sie aber für unsere eigene Dummheit in die Haftung zu nehmen muss auch nicht sein. Denn so zwingen wir sie in einen bescheuerten Kreislauf: sie müssen sich ständig neue Marketingdinge ausdenken, weil die alten schon beklagt wurden. Dann wird von linksdrehenden Kulturen, probiotischen Sonstwas und isotonischem Gedöns erzählt, nur damit wir dann in ein paar Jahren wieder Klagen, dass das alles leere Phrasen sind und man sich mit Weizenbier doch nicht allein ausgewogen ernähren kann?

Das können wir nicht wollen.

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Haben oder Sein? https://raue.it/gesellschaft/haben-oder-sein/ https://raue.it/gesellschaft/haben-oder-sein/#comments Mon, 23 Apr 2012 10:15:01 +0000 http://www.onezblog.de/?p=1298 Eine Kritik der Konsumkritik. Denn Kaufen ist leider geil. Großer Titel, ich weiß. Einlösen will ich den gar nicht, kann man aber dennoch mal machen. Die Überschrift ist bewusst an den werten Herrn Fromm gerichtet, auch wenn der nicht mehr antworten kann. Denn meine Einstiegsthese ist, dass sich eine ganze Generation von Kapitalismuskritikern und pseudoreligiösen […]

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Eine Kritik der Konsumkritik. Denn Kaufen ist leider geil.

Großer Titel, ich weiß. Einlösen will ich den gar nicht, kann man aber dennoch mal machen. Die Überschrift ist bewusst an den werten Herrn Fromm gerichtet, auch wenn der nicht mehr antworten kann. Denn meine Einstiegsthese ist, dass sich eine ganze Generation von Kapitalismuskritikern und pseudoreligiösen Fairtradebiokosumenten direkt oder indirekt von seinem Buch „Haben oder Sein“ hat beeinflussen und ökonomisch sowie ideologisch versauen lassen. Sicher ist es immer etwas lahm einer größeren Menschenmasse undifferenzierte Sichtweisen vorzuhalten. Denn wenn es ein Merkmal gibt für eine größere Menschenmasse, dann, dass sie sobald sie eine gewisse Größe erreicht, eben undifferenzierter wird als auch nur das undifferenzierteste einzelne Mitglied.

Aber mir geht diese plumpe Konsumkritik, die sich vor allem an geisteswissenschaftlichen Instituten hartnäckig hält, so dermaßen auf den Sack, dass ich hier mal was dazu schreiben muss. Und ich meine behaupten zu können, dass nicht die meist mutig hervorgekramten Brocken von Marx und Engels entscheidend dazu beigetragen haben, dass der Konsum als mittlerer Teufel in der Hölle des Kapitalismus angesehen wird, sondern eben jener Erich Fromm mit seinem Buch.

Dort wird ganz grob zusammengefasst, dass der Homo Ökonomicus eben noch lange kein Mensch sei, weil er sich nur seines Habens bewusst werden kann und so noch nicht zu seinem Sein durchgedrungen ist. Dieses aber findet sich nur in der Liebe, wie man einem weiteren Buch von Fromm „Die Kunst des Liebens“ entnehmen kann.

Ich möchte mir wirklich nicht die Mühe machen, eine fundierte Kritik an Fromm darlegen zu müssen, denn dazu würde ich auch eine fundierte Theorie erwarten, aber das Hauptmerkmal der Bücher von fromm sind nunmal seine Thesen, die scheinbar ohne jedes Argument auskommen sollen, weil sie ja so verdammt evident seien. Eine fundierte Kritik müsste zunächst die Anstrengung unternehmen, herauszufinden, was Fromm mit „Sein“ überhaupt meinen könnte und würde trotz aller Mühen nicht viele Antworten bekommen. Sein statt Haben jedenfalls. Oder so. Weil im Haben keine Liebe ist. Oder so.

Im Kaufen aber ist verdammt viel Liebe. Das ist meine Gegenthese. Begründen werde ich sie ebensowenig. Aber Evidenzen anführen. Wie Fromm. Kaufen ist Liebe, wenn auch nicht die einzige Form, aber das hat auch niemand behauptet. Schöne Dinge kaufen ist eben auch eine Referenz an den Menschen oder die Menschen, die diese schönen Dinge erdacht und gemacht haben. Das trifft selbst auf die immer wieder für sinnlos überteuerte Produkte stehenden Dinge von Apple zu. Die sehen gut aus, das wird wohl niemand bezweifeln wollen. und ich wüsste nicht, warum Design schlechter werden sollte, nur weil es plötzlich jeder hat, weil es Mainstream geworden ist und kommerziell ziemlich gut ausgeschlachtet wird. Gutes Design bleibt gutes Design.

Es mag vielleicht schade sein, dass man nur noch den Telefonen von Apple ein gutes Design bescheinigt und anderen deswegen weniger Liebe durch Konsum zuteil wird. Aber gleichwohl bleibt es nicht nur eine Struktur, die zum haben führt, sondern das Sein eines jeden Designers ausmacht. Kaufen ist selbstverständlich nicht die einzige Form der Anerkennung für Menschen, die Dinge erdenken und erschaffen. Ein Retweet, ein Like, ein Pin, ein Link, ein Schulterklopfen, ein Besuch in einer Ausstellung oder ein Leider geil sind ebenso gleichwertige Ausdrucksformen für die Liebe zum Design.*

Kaufen ist nicht nur Haben wollen. Kaufen ist eben auch Anerkennung. Kaufen ist nicht nur Konsumzwang, sondern auch ein, scheiße ist das durchdacht, scheiße ist das schön, scheiße ich habe keine Ahnung wozu ich das brauche, aber sieht doch verdammt gut aus in meinem Regal. Kaufen kann genauso die Abkehr von systematischen Funktionszwängen sein, wie das Nichtkaufen. Sein, nicht was man kauft, sondern Sein, weil man kauft obwohl man es nicht braucht. Die Sinnlosigkeit als Sinn befeuert auch Fromm in seinem Buch, ohne allerdings zu sehen, dass alles sinnlos sowie sinnvoll sein kann, egal ob es nur gekauft, nur geliebt oder nur gehabt wird.

Konsumverweigerung kann so friedvoll wie hasserfüllt sein. Konsum kann so reflektiert wie gedankenlos ein. Hört doch mal auf in so verdammt einfachen Strukturen zu denken und dabei auch noch so zu tun, als sei das irgendwie klug oder moralisch geboten.

Haben oder Sein? Ehrlich? Wollt ihr wirklich behaupten, ihr wüsstet was der Mensch sei oder sogar sein soll? Nicht wirklich! Ich hatte schon in einem meiner vorherigen Artikeln folgendes geschrieben:

 

Wir müssen wegkommen von dem Gedanken, dass Einzelhandlungen, egal wie gesteuert oder quantitativ sie in der Summe sind, solch komplexe Zusammenhänge irgendwie beeinflussen können. Aus German Neid.

 

Das trifft auf den Konsum ebenso zu. Es mag ja sein,d ass dieses verteilungssystem Kapitalismus oder wie auch immer gesteuerte Marktwirtschaft euren gerechtigkeitsvorstellungen nicht entspricht. Da würde ich mich anschließen. Aber deshalb jedem ins Gesicht zu rotzen, weil er ein iPhone hat ist nicht nur taktisch äußerst unklug, sondern ebenso falsch. Durch einen Verzicht auf Apple, Nestle, Müllermilch oder wen auch immer ihr gerade boykottiert, wird sich nichts ändern. Es würden dadurch nich einmal die Auswirkungen es Systems gelindert, sondern eben nach dem System gleich weiter verteilt. Da muss man ansetzen, nicht bei den angeblich hirnlosen Konsumenten. Denn das seid ihr mit eurem Fair-Trade-Kaffee ebenso wie der Typ mit seinem iPhone.

 

*Von Kunst möchte ich hier nicht reden, da sonst eine Diskussion darüber geführt werden könnte, was Kunst denn überhaupt sei und wie subversiv sie sein muss. Design ist da weniger vorbelastet.

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German Neid https://raue.it/gesellschaft/german-neid/ https://raue.it/gesellschaft/german-neid/#comments Tue, 13 Mar 2012 18:01:20 +0000 http://www.onezblog.de/?p=1283 Ich habe die Jauchsendung am Sonntag nicht gesehen. Nochmal Wulff musste einfach nicht sein. Jauch finde ich auch eher durchschnittlich. Und Fernsehen schaue ich kaum noch, weil mir selbst die Spitze zu mittelmäßig ist. Aber dem Vernehmen nach ist die Wulffdebatte ja mittlerweile genau da angekommen, wo Debatten in Deutschland die mit dem lieben Geld […]

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Ich habe die Jauchsendung am Sonntag nicht gesehen. Nochmal Wulff musste einfach nicht sein. Jauch finde ich auch eher durchschnittlich. Und Fernsehen schaue ich kaum noch, weil mir selbst die Spitze zu mittelmäßig ist. Aber dem Vernehmen nach ist die Wulffdebatte ja mittlerweile genau da angekommen, wo Debatten in Deutschland die mit dem lieben Geld zu tun haben immer landen: bei der Neidfrage.

Gerade in Zirkeln mit Besserverdienenden und denen die es entweder gerne wären oder eben mal werden wollen, hört man immer wieder den Vorwurf, die Deutschen wären das neidischste Volk dieser Erde. In anderen Ländern, allen voran den USA, würde man stolz zu ihnen aufschauen und hier müsste man sich dafür schämen, etwas erreicht zu haben. Dass dieses Erreichen bei nicht wenigen alleine in einer begründet liegt, soll hier nicht unerwähnt bleiben, aber dennoch erstmal ignoriert bleiben. Viel interessanter ist doch, dass das vorgeworfene und dem Neid zu Grunde liegende Denken hier ebenfalls die Grundlage bildet. Wert alleine mit Geld in Verbindung zu bringen ist die Krankheit unserer modernen, wie schon Hannah Arendt beschrieb. Auf das Erreichte stolz zu sein scheint genauso wenig ohne Geld möglich zu sein, wie das zufriedene Leben ohne großen Reichtum. Denn in Zirkeln ohne großen Einkommenhintergrund wird die Frage nicht weniger unterkomplex diskutiert. Das Gefälle von gut und böse wird nur einfach umgedreht. Alles schlechte Menschen, nur wir nicht. Ist klar.

Muss man mehr Geld verdienen als man ausgeben kann ist genauso die Frage, wie die, ob man nicht auch ohne teure Technikspielzeuge ein zufriedenes Leben führen kann. Diese Debatte kann man ohne hochrote Köpfe nicht nur in Deutschland nicht führen, sondern in der gesammten westlichen Welt nicht.

Über Verteilungsfragen zu diskutieren heißt eben mehr als nur darüber zu diskutieren was ich haben will was ich brauche was ich anderen zugestehen. Es ist ein Armutszeugnis, dass diese Frage auch heute noch in ein Mein oder Dein ausartet. Die Systemtheorie oder die kritische Theorie haben uns gezeigt, dass diese Frage weitaus komplexer ist als es diese Neiddebatten zugeben wollen.

Aber solange Ich einfach nur profitieren möchte, weil die Anderen falsch handeln, kann sich nichts ändern. Wir müssen wegkommen von dem Gedanken, dass Einzelhandlungen, egal wie gesteuert oder quantitativ sie in der Summe sind, solch komplexe Zusammenhänge irgendwie beeinflussen können. Denn auch erschreckend viele Nicht-Christen glauben fest daran, dass alles besser werden würde, wenn nur alle alles besser machen würden. Das ist falsch und eben genau die falsche Prämisse, die zu den Debatten führt, mit denen dieser Artikel begonnen hat.

Welt ist nicht so einfach.

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Wir sollten die Beleidigung rehabilitieren https://raue.it/gesellschaft/wir-sollten-die-beleidigung-rehabilitieren/ https://raue.it/gesellschaft/wir-sollten-die-beleidigung-rehabilitieren/#comments Wed, 08 Feb 2012 12:52:38 +0000 http://www.onezblog.de/?p=1254 Beleidigung ist voll schlimm. Weiß man. Lern man. Arschgeige ist kränkend, Hurensohn fast schon tötend und bei deiner Mutter hört der Spaß auf. Die ist nämlich letzte Woche gestorben.  Die Wikipedia schreibt: Eine Beleidigung im weiteren Sinne ist jede Verletzung der persönlichen Ehre eines anderen. Die Beleidigung ist die Kundgabe der Miss- oder Nichtachtung einer anderen Person. Unabhängig der strafrechtlichen Relevanz wird […]

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Beleidigung ist voll schlimm. Weiß man. Lern man. Arschgeige ist kränkend, Hurensohn fast schon tötend und bei deiner Mutter hört der Spaß auf. Die ist nämlich letzte Woche gestorben.  Die Wikipedia schreibt:

Eine Beleidigung im weiteren Sinne ist jede Verletzung der persönlichen Ehre eines anderen. Die Beleidigung ist die Kundgabe der Miss- oder Nichtachtung einer anderen Person. Unabhängig der strafrechtlichen Relevanz wird die Beleidigung vom Betroffenen in der Regel als kränkend empfunden.

Beleidigungen haben aber auch etwas gutes. Sie sind eindeutig. Sie kommunizieren ziemlich deutlich, dass man sein Gegenüber wirklich nicht leiden kann, ihn sogar so beschissen findet, dass man die sonst mühsam gelernte Contenance verliert. Sicher mag es auch Menschen geben, die mussten die nicht lernen und sind auch sonst voll nett, aber die gibt es ja immer. Eine Beleidigung verhindert  in ihrer Eindeutigkeit aber etwas, was mir deutlich übler auf den Magen schlägt, als ein Arschloch genannt zu werden: das Vorschieben einer Sachdiskussion, um die moralische Ächtung und/oder einer Anzeige zu entgehen bz. diese zu umgehen.

Da wird irgendetwas erfunden was voll schlimm ist, was der andere voll verkackt hat und was dann mindestens das Ende des Abendlandes zur Folge hätte, wenn das alle täten, so dächten, so riechen würden unter den Achseln. Aber eigentlich will man doch nur ausdrücken für was für ein vollverhorsteter Rosettenpisser das Gegenüber doch ist. Durch die Blume eben.

Nur leider hat diese  weitverbreitete Praxis so einige Folgen. Erstens versteht das nicht jeder. Viel zu viele Menschen meinen in solcherlei Diskussion, es ginge um das Thema. Dadurch wird es schnell sinnlos über viele Themen überhaupt noch zu diskutieren. Leider ist es aber so, dass gerade bei wichtigen Themen sich viele Menschen viel zu wichtig nehmen und auf die kritisierte Praxis zurückgreifen, sodass durch das Beleidigungsverbot wichtige Diskussionen beleidigend sinnlos und -leer werden.

Und deshalb frage ich euch, ist es das wert?

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Finde deinen Style! https://raue.it/gesellschaft/finde-deinen-style/ https://raue.it/gesellschaft/finde-deinen-style/#comments Wed, 07 Dec 2011 11:40:28 +0000 http://www.endlosrekursion.de/?p=670 Der individualistische Imperativ der Moderne lautet: Sei du selbst, um jeden Preis! Und er verfolgt uns bis in den letzten Winkel unseres Seins, ist immer anwesend wie in früheren Zeiten das wachsame Auge Gottes. Dieser Imperativ folgt uns selbst in unsere düstersten Alpträume und Momente des größten Glücks. Er ist so allgegenwärtig geworden, dass er […]

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Der individualistische Imperativ der Moderne lautet: Sei du selbst, um jeden Preis! Und er verfolgt uns bis in den letzten Winkel unseres Seins, ist immer anwesend wie in früheren Zeiten das wachsame Auge Gottes. Dieser Imperativ folgt uns selbst in unsere düstersten Alpträume und Momente des größten Glücks. Er ist so allgegenwärtig geworden, dass er uns in all seinem Kitsch gar nicht mehr auffällt, zu leger kommt er daher, zu bieder haben wir ihn schon zu Kaugummi unseres gesellschaftlichen Wiederkäuens gemacht. Beispiele fänden sich viele, denken Sie nur an die nächsten Ziele ihres Lebens und die Gründe, die sie auf hartnäckige Nachfrage dafür angeben würden, liebe Leser.

Es wird viel geschrieben über die Flüche unserer Zeit, die funktionalen Notwendigkeiten, die Arbeit, die uns ausbrennt, frisst, fast vernichtet und bei all diesen Bürden und systemischen Erwartungen vermeiden wir den Blick auf das Wesentliche: wir erwarten, dass man uns in Ruhe lässt, damit wir uns verwirklichen können, denn das zählt doch wohl im Leben, oder etwa nicht?

Die Große Freiheit des Individuums ist zur großen Depression angewachsen. Lass mich in Ruhe ich muss mich selbst finden ist das Credo des Depressiven, der den Stil der Melancholie verloren hat. Hier wäre sicher ein weiteres Phänomen gut angemerkt: der inflationäre Gebrauch der Depression als Erklärung für alles. Wir Burnen Out bevor wir überhaupt wissen, wer wir eigentlich sind. Aber warum wissen wir eigentlich nicht mehr, wer wir sind? Wussten wir das überhaupt Mal? Denn früher war das auch nicht anders, fürchte ich. Kein Stück eines Kulturpessimisten.

Aber warum fällt uns denn nicht mehr ein, als sich kurz mal aufzuregen, wenn die eigene Kultur so cool persifliert und gedemütigt wird, wie in folgendem Werbespot des Mobilfunkproviders Base, die mir die Gänsehaut selbst auf die Fußsohlen treibt:

[youtube K9BCMhRPFk0]

Das Ich als die Entscheidung zwischen Android und iPhone, zwischen Mac und PC, zwischen Armani und Boss, zwischen Mercedes und Audi, zwischen Karriere und Kind, zwischen Geschlecht und Sex? Soll es das sein, was wir schlucken, weil wir es nicht besser wissen, zu faul sind geworden sind, oder schon immer waren, ein klein bisschen herauszutreten aus dem Wirrwar der entindividualisierenden Individualisierung durch Konsum und vernichtendem Äußeren der Hülle des Selbst, das sich extendet bis es nicht mehr merkt, dass es sich die ganze Zeit nur selbst angeschissen hat. Dünn, zähflüssig und verdammt übel riechend.

Versteht mich nicht falsch, ich finde die Möglichkeit endlich mein eigenes Müsli zusammenstellen zu können und nicht mehr diese widerlichen getrockneten Bananenstückchen aussortieren zu müssen, ebenso phantastisch wie die Auswahlmöglichkeit bei Kaffeesorten aus aller Welt. Ich will nicht reduzieren, ich will das alles und noch viel mehr. Ich will, dass Wollen nicht mehr auf plumpes Drumherum reduziert wird, ich will, dass mehr gewollt wird und weniger versteckt. Ich will, dass Aufklärung und Fortschritt nicht der Aufklärung im Sinne eines humankapitalistischen Klugscheißens und Fortschritt als altbackene Erkenntnis im neuen Design verstanden wird, ich will mehr Wollen.

Weniger multikulturellen und rebellischen Konformismus in Politik, Kultur und Gesellschaft, in Wissenschaft und Arbeitsleben, der nur wartet auf die ach so freie Freizeit und sich selbst zu finden. Denn dieses Selbst findet nichts außer dem nihilistischen Konformismus, der die Fratze des Anders-Seins als Karnevalsmaske umherträgt und selbst im Spiegel nicht den Mut aufbringt, herzhaft zu lachen über diese Tragödie.

Ironie, Sarkasmus, Distanz und Spiel sind die Begleiterscheinungen des hier beschriebenen Phänomens und doch halte ich genau diese für die einzige Möglichkeit, sich nicht mehr ständig zu suchen, sondern in einem so geprägten Tun zu haben. Lasst uns etwas mehr spielen, ob jetzt mit dem Hip Hop, mit den Apps oder mit unserem Chef, Doktorvater, Vater, Mutter, Psychiater und Freund. Mit unserem Selbst, verdammte Axt.

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Eine Tüte Deutsch bitte! https://raue.it/gesellschaft/eine-tuete-deutsch-bitte/ Sat, 22 Oct 2011 12:46:32 +0000 http://www.endlosrekursion.de/?p=661 Miro Jennerjahn erklärt in dem  Video der NPD im Sächsischen Landtag die deutsche Sprache und es ist nicht nur unterhaltsam, sondern entlarvt durch eine unprätentiöse Geschichte der deutschen Sprache die geistige Sackgasse nationaler Gesinnung. Das was wir uns bisweilen als Kultur, Nation oder Sprachraum zusammenschustern ist natürlich nicht einfach nur Blödsinn. Aber wenn diese Zufälligkeiten […]

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Miro Jennerjahn erklärt in dem  Video der NPD im Sächsischen Landtag die deutsche Sprache und es ist nicht nur unterhaltsam, sondern entlarvt durch eine unprätentiöse Geschichte der deutschen Sprache die geistige Sackgasse nationaler Gesinnung. Das was wir uns bisweilen als Kultur, Nation oder Sprachraum zusammenschustern ist natürlich nicht einfach nur Blödsinn. Aber wenn diese Zufälligkeiten als Argument für was auch immer gewählt werden, dann wird es nicht nur schief, sondern eben vor allem recht dämlich.

Sicherlich braucht man in verschiedenen Kontexten diese Hybridzuschreibungen und kann damit völlig unproblematisch umgehen, aber wenn sie als Wert für sich selbst gelten sollen, dann bricht das Eis und man landet im Ozean der schmalen Bretter. Flachborer dieser Art begegnen einem aber nicht nur bei NPD-Mitgliedern, sondern sind so verbreitet in unserer Gesellschaft, dass sich jeder, der dieses Video gut findet, richtig, wichtig und endlich mal den Nazis auf die Fresse, fragen muss, ob solche Konglomerate der nicht argumentierenden Argumente nicht auch in seinem Köcher des alltäglichen Miteinander einen Stammplatz haben.

Ganze Generationenkonflikte entäußern ihren Sinn in solchen Sprachspielen, die den Streit heraufbeschwören wie eine Partie Mensch ärgere dich nicht. Papa sagt, sach nicht geil, das macht man nicht, Sohn sagt, ist doch aber geil. Das ist dieselbe Suppe, die die Nazis da jetzt auszulöffeln versuchen. Sprache verändert sich nicht nur, sie ist Veränderung selbst. Eine starre Sprache ist keine Sprache mehr. Ein starrer Geist ist eben auch kein geist mehr, weshalb man von Nazis auch immer nur den selben Mist in immer gleicher Form hört. Das ist langweilig und eigentlich sogar recht uninteressant. Auch die immer wiederkehrenden Nörgeleien über Jugendsprache Verrohung der Werte, unserer Gesellschaft und diesem Internet sind nicht neu. Man sagt ja, selbst Sokrates hätte sich schon über die Jugend echauffiert.

Sicherlich ist es nicht ganz einfach für bestimmte Sachverhalte gute Argumente zu finden, zumal wenn sie bestimmte Handlungsvorschriften nach sich ziehen sollen. Erschwert wird das durch die Argumentationslosigkeit ind er Politik, die Argumente bisweilen wie Nebelkerzen erscheinen lässt. Auch ein alter Trick übrigens. Aber Werte erschleicht man sich nicht. Und Sprache legt man nicht in Parlamenten fest. Nicht mal im Orwellschen 1984. Das versucht man nur und dieser Versuch allein reicht aus um mehr Komplexität der Sprache zu erschaffen, als dass diese wieder sprachlich reduziert werden kann. Wenn man spricht, schafft man neues und sei es, wenn man flammende Reden gegen das Neue schafft. Das lässt sich nicht abschaffen. Außer durch Schweigen. Und das sollte man vielleicht öfter mal, frei nach Wittgenstein.

Oder den Dünnpfiff eben einfach als solchen kennzeichnen, denn dann wird es wieder zum sinnvollen Sprachspiel. Nazis verstehen sich ja auch untereinander, die verstehen nur sonst nichts. Und damit sind wir wieder beim Ausgangspunkt angelangt.

Angeregt hat diesen Artikel übrigens der Sprachblog.

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Warum haben wir eigentlich so große Angst vor dem Sex? https://raue.it/gesellschaft/warum-haben-wir-eigentlich-so-grosse-angst-vor-dem-sex/ https://raue.it/gesellschaft/warum-haben-wir-eigentlich-so-grosse-angst-vor-dem-sex/#comments Mon, 31 Jan 2011 18:57:08 +0000 http://www.raphael-raue.de/?p=482 Man muss nicht Foucault gelesen haben um mit einem Blick in die Gesellschaft oder die Geschichte unserer Gesellschaft gewisse Machtansprüche zu identifizieren die sich auf Sex, Pornografie und Erotik beziehen. Moralische, rechtliche, kulturelle sowie kommunikative Ansprüche finden sich in jeder mir bekannten Gesellschaft und beziehen sich immer sowohl auf das öffentliche sowie das private Leben. […]

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Man muss nicht Foucault gelesen haben um mit einem Blick in die Gesellschaft oder die Geschichte unserer Gesellschaft gewisse Machtansprüche zu identifizieren die sich auf Sex, Pornografie und Erotik beziehen. Moralische, rechtliche, kulturelle sowie kommunikative Ansprüche finden sich in jeder mir bekannten Gesellschaft und beziehen sich immer sowohl auf das öffentliche sowie das private Leben. In kaum einem Bereich ist Verschmelzung von Individuum und Gesellschaft so stark. Ich frage mich warum das so ist.

Schwimmen zwei junge Fische daher und treffen auf einen älteren Fisch, der in die andere Richtung schwimmt, ihnen zunickt und sagt: „Morgen, Jungs. Wie ist das Wasser?“ Und die beiden jungen Fische schwimmen noch ein bisschen, bis der eine schließlich zum andern rübersieht und sagt: „Was zur Hölle ist Wasser?“ David Foster Wallace

Wenn wir über Sex reden, meinen wir meist nur unseren eigenen Sex. Wenn wir über Pornografie reden, meinen wir meist nur die anderen, die entweder verheimlichend oder stilisierend darüber reden. Wenn wir über Erotik reden, reden wir immer nur über die der anderen. Ich bin geil, das ist heiß, ich bin so, der ganz anders, ich würde gern, ich hätte doch, könnten wir nicht. Das ist nicht der Sex, den ich meine, über den ich reden will. Das ist der Sex, über den ihr mit euren Freunden und Freundinnen redet. Ich meine Sex als gesellschaftlich, kulturell und rechtlich formiertes Konstrukt, das wir immer in den Gesprächen mit Freunden und Bekannten mittragen. Diverenzen gehören mit zum System, Einheitlichkeit wird durch begrenzte Differenzierungsmöglichkeiten hergestellt. So lautet Foucaults These und wichtig ist dabei zudem, dass hergestellt nicht jemanden meint. Jedenfalls niemand Konkretes. Wir alle und keiner stellen das her. Aber ich will das nicht theoretischer machen als notwendig.

Deshalb konkret. Aber ohne nur das folgende Beispiel damit zu meinen. Reden wir über Pornos, das Internet und gesellschaftliche sowie familiäre Fürsorge. Warum meinen wir als Gesellschaft eigentlich unsere Kinder vor etwas schützen worüber wir uns im Klaren sind, wie die Fische über das Wasser im Zitat von Wallace? Wenn ich die Begründungen und Interpretationen von Pädagogen lese, weshalb wir unsere Kinder vor schmuddeligem Sex schützen müssen, steht mir der kalte wissenschaftstheoretische Angstschweiß auf der Stirn. Ihr kennt alle diese Studien, denn sie fließen spätestens beim nächsten Amoklauf wieder in die aktuelle Berichterstattung ein.

Aber nicht nur die flatulenzierende Pädagogik erzieht uns in Sachen Erziehung. Ich hatte in letzter Zeit einige Gespräche über das Thema und selbst Menschen, die regelmäßig in den Puff gehen und keine SM-Fete auslassen vertreten die Meinung auch offensiv in jede Richtung, die vielleicht anderer Meinung sein könnte, dass Pornos für Jugendliche mindestens den neurotischen Tod bedeuten. Ich frage noch einmal, denn vielleicht gibt es ja doch jemanden mit fundierten Argumenten, der mir verraten kann, warum wir meinen Pornos, Sexualität und Erotik seien etwas, vor dem man und junge man’s im Speziellen geschützt werden müssen?

Die geprügelte amerikanische Kultur zeigt vielleicht am Besten, was ich meine. Filme mit allerbrutalsten Enthauptungsmetzeleien sind erlaubt, aber schon angedeutete Nippel oder öffentliches Stillen sind in unterschiedlicher Weise unter Strafe gestellt. Man kann jetzt mit religiöser Prüderie kommen und da einen roten Faden finden, der zwar die Genese erklärt, aber immer noch nicht, welche Interesse wir scheinbar daran haben, uns, unsere Kinder und die Gesellschaft immer wieder vor Gefahren zu warnen, die wir nicht kennen.

Warum glauben wir eigentlich, dass mehr Sex, weniger sexuelle Abhängigkeit und meinetwegen auch mehr Sportficken wie in den Pornos automatisch zum Verfall der Gesellschaft führen wird? Was treibt uns, das nicht nur zu glauben, sondern es mit einer solchen Inbrunst zu glauben, dass wir es von Generation zu Generation weiter geben? Gefühle wie Scham und Eifersucht werden einseitig gefördert und für natürlich erklärt, während Neugierde und Wissensdrang nicht oder erst ab einem gewissen Alter toleriert werden. Ebenso „natürlich“ und in anderen Gebieten unserer Kultur nicht nur toleriert, sondern sogar gefordert und mit Druck verbunden, scheinen wir dem Sex immer noch eine Angst entgegenzubringen, die ich mir nicht erklären kann.

Ich bin auf eure Kommentare gespannt.

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Erwartungen und Druck in unserer Gesellschaft https://raue.it/gesellschaft/erwartungen-und-druck-in-unserer-gesellschaft/ https://raue.it/gesellschaft/erwartungen-und-druck-in-unserer-gesellschaft/#comments Wed, 26 Jan 2011 09:23:23 +0000 http://www.raphael-raue.de/?p=475 Ich möchte zunächst anregen, zwei Artikel zu lesen, die ich in den letzten Tagen gelesen habe. Wie Firmen ihre Spitzenkräfte verbrennen ist der erste. Und der zweite trägt den Titel 80 Prozent aller Lebensläufe sind Schrott. Lasst diese beiden texte Mal einfach auf euch wirken und erwartet erstmal gar nichts. Versucht keine Zusammenhänge zwischen den […]

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Ich möchte zunächst anregen, zwei Artikel zu lesen, die ich in den letzten Tagen gelesen habe. Wie Firmen ihre Spitzenkräfte verbrennen ist der erste. Und der zweite trägt den Titel 80 Prozent aller Lebensläufe sind Schrott. Lasst diese beiden texte Mal einfach auf euch wirken und erwartet erstmal gar nichts. Versucht keine Zusammenhänge zwischen den beiden Artikeln zu sehen, was nicht ganz möglich ist, schließlich setze ich sie ja in genau einen solchen.

Ich wüsste nur gerne, ob ihr nicht auch seht, wie bescheuert und vor allem Schizophren eigentlich das Bild seiner Zukunft für einen jungen Menschen sein muss, der bald in den Arbeitsmarkt eintreten wird. Die beiden Artikel oben stellen nur einen minimalsten Teil dessen dar, was ich mir mit meinen 26 Jahren so alles an Erwartungen und Risiken meiner eigenen Zukunft anhören musste, ohne in diesem ganzen Gesabbel auch nur einen Hauch dessen zu finden, was mich betrifft, betreffen wird oder betreffen könnte. Anonymes Bukkake trifft es am besten. Noch nie davon gehört? Wikipedia klärt auf:

Bukkake (ぶっかけ, buːˈka:keɪ oder bʊˈkækei) bezeichnet im westlichen Verständnis (s.Etymologie) eine Gruppensexpraktik, bei der mehrere Männer auf eine weitere Person ejakulieren. Dies geschieht meist in Form der Ejakulation ins Gesicht, der Gesichtsbesamung. Quelle Wikipedia.

Seitdem ich zur Schule gehe wird mir ständig von allen möglichen Seiten ins Gesicht gespritzt. Metaphorisch gesehen, natürlich. Alle Welt läd bei jungen Menschen Erwartungen ab, will eigene Fehler vermeidet sehen, nur das Beste und was weiß ich alles. Ich rede jetzt nicht von ödipalen Konflikten, sondern von den vielen Ratschlägen durch jeden, der meint Alter schütze vor Dummheit und deshalb seine Lebensweisheit rausdrücken muss. In my Face. Medial ist das sowieso ein mittlerweile schmerzender Dauerständer geworden, denn wie man dem ersten Artikel entnehmen kann, sind die Wichsvorlagen des Wirtschaftswunders schon soweit verblasst, dass nicht mehr ignoriert werden kann, dass einiges im Argen liegt.

Meinen wir als Gesellschaft wirklich, ständig nur einseitigen Druck ausüben zu können, dem Arbeitnehmer die Frauenrolle des oben zitierten japanischen Pornos per se zuschreiben zu können und dann nicht entweder mit sehr wenig Lust oder sehr gestörten Gestallten rechnen zu müssen? Es scheint so.

Ich meine, nicht alles läuft verkehrt und wir brauchen auch keine Revolution. Aber dass es weder dem Interviewten noch dem Journalisten auffällt, dass es meist zwei Perspektiven zu einer Sache gibt, gibt mir wiederum zu denken. Wenn 80 % aller Lebensläufe Schrott sind, kann man doch mit gleichem Recht auch behaupten, dass 80 % aller Personalererwartungen Schrott sind, oder sehe ich das Falsch? Wahr und wirklich wird sicher keine dieser Aussagen sein, aber darum geht es auch nicht. Leistung ist ja gut, Erwartungen und Druck auch und nicht jeder bricht darunter zusammen. Aber die Einseitigkeit, mit der wir alle einen großen Teil unseres Lebens, die Arbeit, betrachten, erschreckt mich immer wieder aufs Neue.

Ich meine, ich denke auch scharf nach, was ich denn in einem halben Jahr mit meinem Abschluss machen soll. Übrigens Bachelor und Master in Regelstudienzeit, also kommt mir nicht mit Leistung. Aber muss dieser Druck unnatürlich überhöht werden durch kontinuierliches mantrisches Geblubber im Sinne einer alten Fernsehsendung: nur die Leistung zählt? Gibt’s den Pflaume eigentlich noch?

Wie schizo muss denn eine Leistungsgesellschaft sein, die ihre Mitglieder zur Leistung konditionieren muss?

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Das Ich und die Anderen. Gibt es ein Wir im Netz? https://raue.it/gesellschaft/das-ich-und-die-anderen-gibt-es-ein-wir-im-netz/ https://raue.it/gesellschaft/das-ich-und-die-anderen-gibt-es-ein-wir-im-netz/#comments Tue, 25 Jan 2011 20:13:16 +0000 http://www.raphael-raue.de/?p=426 Es gibt mittlerweile eine große Anzahl Menschen, die ins Netz schreiben. Ob es mehr oder weniger werden ist mir egal, gibt es bestimmt verschiedene Statistiken zu, die alle etwas anderes sagen. Sie schreiben. Ich schreibe ins Netz. Forum, Blog, Twitter, Facebook, Tumblr und wo nicht alles. Per iPad, iPhone, Laptop, Handy, Netbook, Desktop und wer […]

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Es gibt mittlerweile eine große Anzahl Menschen, die ins Netz schreiben. Ob es mehr oder weniger werden ist mir egal, gibt es bestimmt verschiedene Statistiken zu, die alle etwas anderes sagen. Sie schreiben. Ich schreibe ins Netz. Forum, Blog, Twitter, Facebook, Tumblr und wo nicht alles. Per iPad, iPhone, Laptop, Handy, Netbook, Desktop und wer weiß wie vielen anderen Gerätschaften, deren Namen uns in den letzten Jahren ins Gedächnis gebrannt wurden. Wir schreiben, es sind viele, aber ist es ein Wir was dort schreibt? Lesen wir dort, also hier im Netz?

Es wurde viel gequatscht und geschrieben über Feedback, Blogosphere, digital Boheme, Netciticens, Bürgerjournalismus, Schwarmintelligenz und was weiß ich nicht alles. Mal von denen da draußen, die das alles nicht verstehen konnten, mal von denen hier drinnen, die „Wir“ sagten und sich selbst meinten. Es hat mich mal nicht angekotzt. Ich wollte mal zu einem Wir gehören. Nerd im Netz mit Philosophiestudium. Extrem komische Kombination. Muss sein. Muss auffallen. War sogar mal fast in den deutschen Blogcharts. Fast. Rund 20 Links haben gefehlt, wenn ich mich richtig erinnere. Das waren Zeiten. Hat mehr Spaß gemcht, aber man wacht auf. Nicht im Sinne der Aufklärung, nein, es passiert einfach. Wecker klingelt. Hintern von Freundin macht sich breit und stößt einen von der Bettkante. Fliege summt im Mundwinkel rum. Man macht ne Blogpause und versucht mal was neues. Man wacht auf eben.

Danach ist nichts mehr so gewesen wie vorher. So wie jeden Morgen der letzte Abend auch nur noch Erinnerung ist. Manchmal nicht einmal das. Ich habe mich von diesem Alptraum nie erholt. Blog mal ruhen gelassen und danach interessiert sich keine Sau mehr für dich. Da denkst du nach. Ein Paar sind es noch. Schreiben für sich hat auch was. Und so. Schreiben für sich brauch ich nicht im Internet. Da kann ich ich die Festplatte meines Mac zumüllen. Dann kommen wenigstens nicht irgendwelche Spacken und nerven mich wegen Rechtschreibfehlern in drei Jahre alten Texten, die ich heute so nicht nur nicht schreiben würde, sondern die nichtmal über den Status eines Entwurfs hinauskommen würden.

Das Netz frisst seine Kinder. Und doch ich schreibe. Für niemanden mehr. Unregelmäßig. Ohne große Kracher oder mit besonders viel Anspruch. So ist das eben. Darum geht es nicht. Ich bin nicht allein. Ich bin nicht der einzige, der keine Blog-Karnevals mehr veranstaltet, der nicht mehr mindestens zehn Kommentare pro Woche in anderen Blogs schreibt, der sich nicht mehr Gedanken macht, wie er alle Dienste miteinander verbindet, damit bloß kein Leser die eigene Gehirngrütze verpasst. Ich bin nicht der einzige, der entdeckt hat, das das Hobby Internet zwar super ist, aber allein irgendwie keinen Sinn macht. Nicht allein mit dem Gedanken, dass ohne Input von woher auch immer, dieses Internet aus Schleimspuren des zerplatzten Traumes von einer anderen Realität besteht.

Wir ist im Netz genauso wie da draußen. Lernste jemanden kennen, haste Spaß zusammen, vielleicht Liebe, vielleicht Freundschaft. Meldeste dich nicht mehr, ist irgendwann aus. Mails, Anrufe, Nachfragen, Likebutton. Aber irgendwann ist vorbei. Dabei bleiben musste. So ist das da im Leben und hier im Onlinedingens. Aber hier Online ist uns das nicht so wichtig. Mensch die kenn ich doch alle gar nicht. Klickvieh, Pageviews, Unique Visitors und Spammer.

Es gibt alles im Netz, was es da draußen auch gibt. Assis, Nutten, Spießer, Reiche, Dumme und Genies. Und wir sind uns so nah wie sonstwo auch.

Alles, was ich in den letzten vier Jahren auf Twitter, Jaiku, Friendfeed, Plurk, Pownce, und ja: Google Buzz postete, erscheint mir jetzt als einzige große Zeitverschwendung. Ich rief in einen leeren Echo-Raum, in dem mich keiner hören konnte, weil alle viel zu sehr damit beschäftigt waren, selber zu rufen. All diese Zeit hab’ ich Content ins Leere gesendet, ganz wie ein Chat-Onanist. Wie demütigend. Wie deprimierend.

Das oben genannte Zitat ist Leo Laporte und übersetzt von Claudia, der seinen persönlichen Social Media Alptraum erlebt hat. Er schrieb und schrieb und schrieb und merkte nicht, dass ihm irgendwann niemand mehr las. Alles irgendwie weg. Alles in die endlose ungelesene Weite des Netzes gestreut und verloren. Leo will jetzt wieder auf seinem Blog schreiben. Der gehört ihm, da geht nichts verloren. Vielleicht mache ich das auch Mal wieder. Regelmäßig. Hat nämlich Mal Spaß gemacht.

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