{"id":96,"date":"2007-12-28T12:12:15","date_gmt":"2007-12-28T10:12:15","guid":{"rendered":"http:\/\/www.endlosrekursion.de\/96\/feuerbach-und-die-evolution\/"},"modified":"2007-12-28T12:12:15","modified_gmt":"2007-12-28T10:12:15","slug":"feuerbach-und-die-evolution","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/raue.it\/gesellschaft\/feuerbach-und-die-evolution\/","title":{"rendered":"Feuerbach und die Evolution"},"content":{"rendered":"
Es gibt Evolutionsfundamentalisten, die meinen, die Evolutionstheorie sei eine Wahrheit und keine Theorie mehr. Sie meinen, damit bewiesen zu haben, dass Gott, welcher Auspr\u00e4gung auch immer, nicht existiert. Richard Dawkins ist einer dieser Fundamentalisten und im deutschsprachigen Raum dominiert Ulrich Kutschera die popul\u00e4rwissenschaftlichen Evolutionsdebatten. Evoltion ist ein Fakt, keine Theorie. Wenn Evolution ein Fakt ist, kann Gott nicht existieren. So sieht vereinfacht der polemisch gef\u00fchrte Kampf gegen Kreationisten und Anh\u00e4nger der Intelligent Design Theorie aus. Doch das ist nicht nur zu einfach, sondern schlichtweg falsch.<\/p>\n
Den selben Fehler hat Ludwig Feuerbach begangen und es scheint so, als w\u00e4re es schwieriger aus Fehlern zu lernen, als ich bei solch intelligenten Wissenschaftler, die in ihren Bereichen Gro\u00dfes geleistet haben, zugetraut h\u00e4tte. Feuerbach stellte seiner Religionskritik eine Genese der Religi\u00f6sit\u00e4t zur Seite, die zeigen sollte, dass alles, was der Mensch sich unter Gott vorstellt, die Projektion seiner W\u00fcnsche sei. Wir machen uns Gott um uns W\u00fcnschen zu k\u00f6nnen, eines Tages unsere Unzul\u00e4nglichkeit zu verlieren.<\/p>\n
Das dies nur zeigt, dass Gott wohl nicht so ist, wie wir ihn uns ausmalen, aber nichts dar\u00fcber aussagt, ob Gott nun existiert oder nicht, ist mittlerweile hinreichend gezeigt worden. Wohlgemerkt sowohl von Philosophen wie Theologen.<\/p>\n
Dawkins aber begeht diesen Fehler aus dem 19. Jahrhundert erneut, indem er die Religi\u00f6sit\u00e4t des Menschen als evolutionstheoretischen \u00dcberlebensvorteil beschreibt. Zwar sei die Religion kein direkter Vorteil, sondern nur ein Nebenprodukt anderer Vorteile des Menschen. Religion ist ein Beiprodukt einiger Eigenschaften, die durch unsere Gene weitergegeben werden. Ich will gar nicht fragen, ob das so richtig ist, da ich von Biologie wenig Ahnung habe und lasse das so stehen. Aber angenommen es sei genau so, dann sagt dies wiederum nichts dar\u00fcber aus, ob Gott existiere oder nicht, sondern nur, dass Religion und Gott, so wie er sich von Menschen vorgestellt wird, wohl nicht Gott entspr\u00e4che.<\/p>\n
Es sei erw\u00e4hnt, dass Dawkins und auch Kutschera diese Formen der Religionskritik nicht gew\u00e4hlt h\u00e4tten, wenn sie nicht einen immer st\u00e4rker werdenden Gegner vor Augen h\u00e4tten: Die Kreationisten oder auch Intelligent Designer genannt. Diese leugnen die Evolution mit Verweis auf die Bibel oder Verweis auf (bis jetzt) ungekl\u00e4rte Probleme in der Biologie.<\/p>\n
Doch ich halte es ganz und gar f\u00fcr verfehlt, selbst mit einem „guten“ Zweck unwissenschaftlich vorzugehen. Denn mit wissenschaftstheoretischen Fehlern wird man die Wissenschaft nicht retten. Vielmehr muss man die wissenschaftstheoretischen Fehler der kreationistischen Theorien aufzeigen, so diese Theorien \u00fcberhaupt abgrenzbare Aussagen treffen, was oft genug nicht geschieht. Aber Immunisierungsversuche wie Dawkins und Kutschera sie vornehmen, erweisen der Wissenschaft einen B\u00e4rendienst und heben sie auf eben eine Stufe mit der obskuren Vorgehensweise des Intelligent Design.<\/p>\n
Wissenschaft wird auf die Probe gestellt und das ist die Grundlage der Wissenschaft. Auch wenn die Pr\u00fcfungen religi\u00f6s oder bibel-fundametalistisch motiviert sind, muss die Wissenschaft entweder das Fehlen einer wissenschaftlichen Antwort eingestehen und nach dieser suchen, oder aber versuchen, die wissenschaftlichen Antworten allgemeinverst\u00e4ndlich zu machen, damit \u00c4u\u00dferungen wie von der hessischen Kultusministerin Wolff (CDU) keinen Wiederhall bekommen, weil sie schlicht keine Grundlage haben. Sie hatte gefordert, die Sch\u00f6pfungslehre auch im Biologieunterricht zu behandeln.<\/p>\n
Wissenschaft macht Fehler, wird immer Fehler machen und nie \u00fcber „Wahrheit“ verf\u00fcgen. Aber Wissenschaft muss versuchen Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen, um Wissen zu mehren, nicht zu immunisieren. Theorien werden \u00fcberpr\u00fcft und gegebenenfalls auch verworfen. Das gilt selbstverst\u00e4ndlich auch f\u00fcr die Evolutionstheorie, auch wenn es doch arg unwahrscheinlich ist, dass wir sie eines Tages komplett verwerfen m\u00fcssen. Das macht sie aber noch nicht zu einer Wahrheit. Evolution bleibt eine Theorie, die deshalb einer Sch\u00f6pfungslehre vorzuziehen ist, weil sie genauer erkl\u00e4rt, weil sie besser erkl\u00e4rt, mehr erkl\u00e4rt und nicht weil sie einige Biologen f\u00fcr wahr halten. Theorien werden auf Effektivit\u00e4t und inhaltliche Konsistenz des zu betrachtenden Gegenstandes gepr\u00fcft. Theorien sind Modell und Modelle k\u00f6nnen besser oder schlechter sein. Einzusehen, dass das Modell Evolution um L\u00e4ngen besser erkl\u00e4rt, als dies die Sch\u00f6pfungsgeschichte tut, ist nicht schwer. Das dies dennoch von vielen nicht getan wird, mag an religi\u00f6sen Genen liegen, meinetwegen auch an fehlerhaften Projektionen, das muss uns aber nicht dazu zwingen, die selben Fehler auch zu begehen.<\/p>\n