{"id":68,"date":"2007-12-03T19:27:39","date_gmt":"2007-12-03T17:27:39","guid":{"rendered":"http:\/\/www.endlosrekursion.de\/68\/nihilistisches-kauderwelsch-in-hollywood\/"},"modified":"2007-12-03T19:27:39","modified_gmt":"2007-12-03T17:27:39","slug":"nihilistisches-kauderwelsch-in-hollywood","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/raue.it\/medien\/nihilistisches-kauderwelsch-in-hollywood\/","title":{"rendered":"Nihilistisches Kauderwelsch in Hollywood"},"content":{"rendered":"

Hollywood wird gemeinhin mit schnulzigen Filmen verbunden, die vor Patriotismus und christlich-amerikanischen Werten nur so triefen. Happy End mit un\u00fcbersehbarer Moralkeule, eingewunden in das Gewand der Romantik oder den Heldenepos des metaphysischen Kriegshelden in Gestalt eines leidenden Soldaten, der sich f\u00fcr seine Einheit, sein Land und die Freiheit opfert. So ist Hollywood und so wird es immer sein, mag man vermuten, wenn man nur zum Popcornfuttern ins Kino geht. Nicht vergleichbar mit dem deutschen oder gar dem franz\u00f6sischen Film.<\/p>\n

Doch das ist eine zu einseitige Betrachtung und gerade der unter Filmliebhabern meiner Generation verehrte Quentin Tarantino zeigt eine andere Seite des Massenkinos aus Amerika auf. Brutal, subjektiv, relativ und vor allem blutig sind Tarantinos Filme. Moralisch durchw\u00e4ssert, aber nicht \u00fcberflutet. Tarantinos Helden<\/a> sind der Albtraum des konservativen Wertekanons: Drogen steigern die subjektive Empfindung und postmodern gebildet wei\u00df der Junkie um den Wert des n\u00e4chsten Trips. Ein anderes Leben z\u00e4hlt nur so lange etwas, wie es das eigene f\u00f6rdert. Tarantinos Filme aber hier als moraltheoretischen Tod zu erh\u00f6hen, steht mir fern, mir geht es um den Nihilismus im modern-amerikanischen Kino.<\/p>\n

Gangster, Loser und skrupellose Dollar-Brillen-Tr\u00e4ger sind die Vorstellung des \u00dcbermenschen, dem Mitleid nur ein Hindernis ist, dass es demonstrativ brutal wegzuwischen gilt. Muskeln und Waffen ersetzen die Diskussion und je sp\u00e4rlicher sich der Anti-Held artikuliert umso sympathischer ist er dem matrixmanteltragenden Filmphilosophen, der sogar seine Oma verkaufen w\u00fcrde, um nur endlich nicht mehr an sich selbst glauben zu m\u00fcssen.<\/p>\n

Doch wie weit ist es wirklich mit dem nihilistischen Gedankengut aus Hollywood? Findet hier wirklich mal eine Auseinandersetzung statt, wenn auch praktisch orientiert, also handelnd, oder ist hier nur die \u00dcbertreibung der Untertreibung gewichen?<\/p>\n

Der Klassiker Scarface ist momentan mit anderer Geschichte und anderen Schauspielern, von einem anderen Regisseur und einer anderen Produktionsfirma noch einmal ins Kino gebracht worden: American Gangster. Stumpf, brutal und werteraubend soll er f\u00fcr feuchte Tr\u00e4ume des postmodernen Nihilisten sorgen, versagt aber schon an seinem Anspruch. Statt einen Nihilisten par excellence (Al Pacino) f\u00fcr sich spielen zu lassen, steckt man Charakterschauspieler in ein Korsett aus trockenen Spr\u00fcchen und sizilianisch angehauchter Mafiaromantik. Der beruflich loyale Polizist, der sich nicht mal um seinen eigenen Sohn k\u00fcmmern kann und der famili\u00e4re Gangsterheld, der sich um seine Konkurrenten auf ebenso brutal wie beil\u00e4ufige Art und Weise k\u00fcmmert. Beide ohne klare Werte, beide keine Nihilisten und selbst f\u00fcr den postmodernen Menschen zu emphatisch aufgebl\u00e4ht.<\/p>\n

Scarface ist Nietzsche ohne Reime, American Gangster wie Matrix ohne Neo. Nicht, dass man sich nicht auch Matrix ohne all die Heilsversprechen vorstellen und in American Gangster einen sch\u00f6nen Abend haben k\u00f6nnte, aber die G\u00e4nsehaut des gelebten Nihilismus bleibt aus und es bleibt nur ein Staubfilm auf platonischen Werten zur\u00fcck, die danach schreien im sonst so epischen Pathos Hollywoods endlich wieder poliert zu werden.<\/p>\n

 <\/p>\n

 <\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Poststrukturalismus und nihilistische Tendenzen in den Filmen Hollywoods? Sonst geht es doch um den christlich-fundamentalistischen Heldenkanon. Eine etwas andere Sicht auf die amerikanische Filmindustrie<\/p>\n","protected":false},"author":1,"featured_media":0,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[6],"tags":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/68"}],"collection":[{"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/users\/1"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=68"}],"version-history":[{"count":0,"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/68\/revisions"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=68"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=68"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=68"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}