{"id":530,"date":"2009-07-16T11:42:13","date_gmt":"2009-07-16T09:42:13","guid":{"rendered":"http:\/\/www.endlosrekursion.de\/?p=530"},"modified":"2009-07-16T11:42:13","modified_gmt":"2009-07-16T09:42:13","slug":"vertrauen-als-basis-des-politischen","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/raue.it\/gesellschaft\/vertrauen-als-basis-des-politischen\/","title":{"rendered":"Vertrauen als Basis des Politischen?"},"content":{"rendered":"

Man liest immer wieder von Politikern jeder Coleur die in inhaltslosen Interviews oder redebeitr\u00e4gen fordern, die Politik m\u00fcsse die Akzeptanz des Politischen bei B\u00fcrger festigen und Vertrauen schaffen. Messbarometer dieser Akzeptanz und Vertrauens bzw. fehlendem Vertrauens ist die Politikverdrossenheit ausgedr\u00fcckt in der Wahlbeteiligung. Da in nahezu allen diesen \u00c4u\u00dferungen Akzeptanz und Vertrauen in einem Atemzug mit W\u00e4hlermobilisierung und zielgruppenorientierten Wahlkampf f\u00e4llt, k\u00f6nnen die gro\u00dfen Worte der Wortnehmer des Politischen getrost nicht ernst genommen werden. Aber den allein zweckorientierten Parteis\u00f6ldnern steht das Heer der Verdrossenen in nicht nach. Der kleine Mann, der sich permanent und zu jeder Zeit als Opfer der da oben sieht, kann Politik auch kaum denken ohne an Steuern und seinen Geldbeutel zu denken.<\/p>\n

Meine \u00dcberspitzung weist auf ein Problem hin, dass momentan als Zyklus dieses Denken durchbricht: Rechte und Pflichten werden sich gerne gegenseitig in einem ungleichen Verh\u00e4ltnis zugeschoben und das Verh\u00e4ltnis dieser beiden staatstragenden Grundfesten werden dabei wenig reflektiert.<\/p>\n

Doch ab und an kommen die Grundfesten, die Grundrechte und die Verantwortung von Politik, Gesellschaft und System in den Blick. Dies geschieht im Moment, auch wenn Opel und der Geldbeutel sich schon wieder positionieren, um diese unangenehme Diskussion zu verdr\u00e4ngen. Gemeint ist die Diskussion um B\u00fcrgerrechte und Zensur, den ich enorm ver\u00e4rgert schon im letzten Beitrag <\/a>thematisiert habe.<\/p>\n

Ich habe so reagiert, wie derjenige, der seinem Geldbeutel zu verteidigen sucht, ohne nachzudenken. Denn die Vorst\u00f6\u00dfe unserer Regierung in einen Bereich, in dem sie auf diese Art meiner Meinung nach nichts zu suchen hat, k\u00f6nnen auch anders betrachtet werden. Positiv und als staats- und demokratief\u00f6rdernde Strukturen, die das Vertrauen schaffen und nicht untergraben. Man muss sich als B\u00fcrger nicht verraten f\u00fchlen und darauf schimpfen,d ass Deutschland immer mehr zur Diktatur verkommt, sich nicht von China unterscheidet und der B\u00fcrger immer weiter entm\u00fcndigt wird.<\/p>\n

Unser Staat ist n\u00e4mlich ein entschieden stabileres System verschiedener Mach- und Kontrollinstanzen, als eine solch negative Darstellung suggeriert.\u00a0 People in motion hat darauf schon in der Diskussion um Onlinedurchsuchungen<\/a> hingewiesen und eine differenzierte Darstellung und Diskussion eingefordert. Dies m\u00f6chte ich im Folgenden auch ind er Diskussion um die Zensur im Internet tun.<\/p>\n

Die Klagen gegen das Internetsperrgesetzt sind in Vorbereitung und in absehbarer Zeit wird dies am Bundesverfassungsgericht verhandelt werden. Dabei ist wohl zu erwarten, dass der Versto\u00df von Ursula von der Leyen in seiner Vehemenz und Rechtebeschr\u00e4nkung zur\u00fcckgewiesen und gleichzeitig aber auch die Kompetenz des Staates im Internet aufgezeigt wird. So wie im Streitfall Onlinedurchsuchungen ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung<\/a> geschaffen wurde, wird sicherlich im Streitfall Internetsperrung auch eine Grenzziehung der staatlichen Zugriffsm\u00f6glichkeiten im Internet passieren. Das Verfassungsgericht wird sich mit Sicherheit der Tragweite einer solchen Auseinandersetzung bewusst sein, auch wenn mit ebensolcher Sicherheit das Internet nicht als der viel beschriehene rechtsfreie Raum best\u00e4tigt wird. Eine Abw\u00e4gung zwischen staatlichen M\u00f6glichkeiten der Kriminalit\u00e4tsbek\u00e4mpfung und der Einhaltung b\u00fcrgerlicher Rechte wird dort stattfinden. So wird das Internet eben auch nicht zum b\u00fcrgerrechtsfreien Raum.<\/p>\n

Wenn man \u00fcber Politik und vertrauen nachdenkt, dann kannman nicht nur den Widerstreit zwischen Politikern und B\u00fcrgern thematisieren, sondern muss eben auch die Kontrollinstanzen mit einbeziehen. Es mag bedenklich bezogen auf den Charakter gewisser Politiker sein, dass in Bezug auf das Internet st\u00e4ndig Gesetze erlassen werden, die vom Bundesverfassungsgericht in gro\u00dfen Teilen wieder kassiert werden und als nicht verfassungskonform zur\u00fcckgewiesen werden. Das Vertrauen in das Politische sollte aber dadurch nicht verloren gehen. Denn Politik in Deutschland ist zum Gl\u00fcck eben nicht die alleinige Auseinandersetzung der Gesetzgebenden und dem W\u00e4hler, sondern wird gesteuert, gelenkt udn reglementiert von einer Instanz, die sich gleicherma\u00dfen als Stimme des Staates und des B\u00fcrgers verstehen muss.<\/p>\n

Im Grunde genommen sind also die Vorst\u00f6\u00dfe von Sch\u00e4uble und von den Leyen ein Gl\u00fccksfall, haben sie doch f\u00fcr genug \u00d6ffentlichkeit und Aufmerksamkeit gesorgt, sodass unsere Gesellschaft als ganze gezwungen ist dar\u00fcber nachzudenken und den immer wichtiger werdenden Bereich des Internets st\u00e4rker in unsere rechtliche Balance aufzunehmen. Das macht die zwei oben genannten nicht zu Helden und Zweifel an deren Rechtsstaatlichen Auffassungen sind weiter angebracht, aber es macht den ganzen Vorfall nicht zu einer Vertrauenskrise.<\/p>\n

Vertrauen im Politischen kann nur im Streit entstehen, wohlwissend,d ass nicht immer die eigene Meinung die richtige sein kann. F\u00fcr das vertrauen ist es nicht wichtig, dass sich die Akteure der gesellschaftlichen Auseinandersetzung gegenseitig vertrauen, sondern nur, dass sie ihre Rechte und Pflichten kennen und respektieren. Diese f\u00fchren manchmal \u00fcber Gericht, meist aber eben auch nicht. Auseinandersetzungen \u00fcber Neues werden meist vehementer diskutiert und so verwundert es kaum, dass sich hier die Lager st\u00e4rker gegeneinander positionieren als dies in schon lange w\u00e4hrenden Diskussionen und „alten“ Fragen der Fall ist.<\/p>\n

Damit bleibt f\u00fcr mich die CDU, die SPD und auch die gr\u00fcnen in der kommenden Bundestagswahl unw\u00e4hlbar, aber ein f\u00fcr alle Zeiten in Zeiten der Ver\u00e4rgerung hinauszubr\u00fcllen und darauf zu verharren zeugt nicht vom vertrauen in das, was alle auf ihre Weise bef\u00f6rdern wollen: die Gesellschaft.<\/p>\n

Ich habe jedenfalls die Hoffnung, dass in dieser Wahl die Rechte udn Pflichten im Internet durchaus ein Wahlkampfthema werden und so ein Umdenken stattfinden kann. Noch mag dieses \u00f6min\u00f6se Dingens wo jeder scheinbar machen kann, was er will, eher dunkles und feindliches Mysterium f\u00fcr die einen und demokratisches Selbstverst\u00e4ndnis f\u00fcr die anderen sein, aber ein respektables Abschneiden der Piratenpartei<\/a> bei der Bundestagswahl k\u00f6nnte dies \u00e4ndern.<\/p>\n

Dadurch w\u00fcrde aber nicht ein Akteur die B\u00fchne des Politischen betreten, der endlich vertrauen schafft, sondern ein weiterer Akteur, der den wichtigen Themen unserer Gesellschaft zur Stimme verhilft, wie dies mit der \u00d6kologie und den Gr\u00fcnen in den Neunzigern geschehen ist. Ob dies geschieht ist aber nicht die Entscheidung der b\u00f6sen Politiker da oben, sondern die Frage, wie wichtig dem Einzelnen sein Geldbeutel ist, wenn er das Kreuzchen am 27. September macht. vertrauen zu schaffen ist Aufgabe eines jeden Einzelnen, so romantisch sich das auch anh\u00f6ren muss. Alle, die meinen, dass die B\u00fcrgerrechte im Internet ebenso gelten sollten, sind aufgefordert, dementsprechend auch ihre Stimme abzugeben, um zu verhindern,\u00a0 dass das Thema wieder in der Versenkung verschwindet. Schreibt, redet, bloggt und \u00fcberzeugt eure Mitmenschen. Informiert oder predigt. Tut etwas. Aber nicht um die drohende Apokalypse herauszuz\u00f6gern, sondern um der Gesellschaft ein wichtiges Thema mehr zu geben.<\/p>\n

Immer im Wissen, dass es auf euch ankommt, ohne zu bef\u00fcrchten, dass es nur auf euch ankommen k\u00f6nnte. Das ist Vertrauen im Politischen.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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