{"id":398,"date":"2008-12-07T22:43:44","date_gmt":"2008-12-07T20:43:44","guid":{"rendered":"http:\/\/www.endlosrekursion.de\/?p=398"},"modified":"2008-12-07T22:43:44","modified_gmt":"2008-12-07T20:43:44","slug":"das-versagen-der-internationalen-gemeinschaft","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/raue.it\/gesellschaft\/das-versagen-der-internationalen-gemeinschaft\/","title":{"rendered":"Das Versagen der internationalen Gemeinschaft"},"content":{"rendered":"
Einige von uns, vielleicht eher die \u00e4lteren, werden sich sicher noch an den Genozid in Ruanda erinnern. 500.000 bis eine Millionen Tutsi sind damals in einem geplanten Akt der Hutu-Regierung mit Hilfe der mehrheitlich aus Hutu bestehenden Bev\u00f6lkerung get\u00f6tet worden, ob ihrer Ethnie. Die Stra\u00dfen des Landes waren mit Leichen ges\u00e4umt und die UN-Friedens-Mission hatte nichts besseres zu tun, als 2000 ihrer 2500 in Ruanda stationierten Blauhelmsoldaten abzuziehen. Nat\u00fcrlich erst, nachdem sie alle westlichen B\u00fcrger evakuiert hatte.<\/p>\n
<\/a>Man befand, dass das T\u00f6ten wohl am besten durch Appelle und Verurteilung des V\u00f6kermordes zu beenden sei. V\u00f6lkermord wurde es selbstredend erst genannt, als dieser l\u00e4ngst vorbei war und man so durch diese Wortwahl nicht aufgrund der internationalen Agenda der UN zum Eingreifen gezwungen gewesen w\u00e4re.<\/p>\n Filme wie „Hotel Ruanda“ oder „Shake hands with the devil“, UN-Protokolle und Reports des leitenden Generals der Friedensmission in Ruanda Dallaire zeigen und beweisen eindrucksvoll, dass die internationale Gemeinschaft sehr wohl vom Genozid informiert gewesen ist und nicht reagiert hat.<\/p>\n Es gibt einige Erkl\u00e4rungsans\u00e4tze, warum die einzelnen Akteure nicht gehandelt haben. So sa\u00df beispielsweise den USA wohl noch der Schreck Somalias im Nacken und sie lie\u00dfen sie den Brechtschen Aphorismus „Wer k\u00e4mpft, kann verlieren. Wer nicht k\u00e4mpft, hat schon verloren.“ zur grausamen Realit\u00e4t werden. Dallaire<\/a> hat mehrfach um eine Aufstockung gebeten und die Lage so eingesch\u00e4tzt, dass mit einer Aufstockung der Blauhelmtruppen auf 5000 Soldaten, der Genozid zu verhindern gewesen w\u00e4re. Er konnte mit seiner verbliebenen Rumpftruppe etwa 30.000 Menschen das Leben retten. Eine massive Pr\u00e4senz h\u00e4tte den Massenmord erst gar nicht entstehen lassen.<\/p>\n Geschichte wiederholt sich und es ist bezeichnend, dass das Versagen der UN zu dem Konflikt f\u00fchrte, bzw. ihn stark beeinflusst, in dem sich die UN anschickt ihre Fehler zu wiederholen.<\/p>\n Horst K\u00f6hler hat vor knapp einem Monat versucht eine Diskussion \u00fcber eine Truppenaufstockung im Kongo<\/a> anzusto\u00dfen. Der mediale und gesellschaftliche Effekt war gering. Er war damals auch gering Dagobert<\/a> hielt Deutschland in Atem und die internationale Gemeinschaft konzentrierte sich auf das auseinanderbrechende Jugoslawien.<\/p>\n Der Kongo steht kurz vor der Schwelle zu einem erneuten Genozid in dieser Region. Die Warnsignale sind vorhanden und selbst ohne den schlimmsten anzunehmenden Fall hat der undurchsichtige Krieg in diesem Land bereits \u00fcber 8 Millionen Menschen das Leben gekostet. Es ist der verlustreichste Krieg seit dem zweiten Weltkrieg. Aufgrund der undurchsichtigen Einmischung vieler afrikanischer L\u00e4nder wird dieser Krieg auch h\u00e4ufig als der afrikanische Weltkrieg bezeichnet.<\/p>\n Dennoch interessiert uns Afghanistan und der Irak. Ich will hier keinen Vergleich der Opferzahlen anstellen und so das missachten, was es meiner Meinung nach durch solche Missionen zu sch\u00fctzen gilt: die Menschenw\u00fcrde. Dennoch ist es mir unverst\u00e4ndlich, wie die internationale Gemeinschaft und somit auch Deutschland die Konflikte in Afrika so konsequent ignorieren kann.<\/p>\n Um den Verschw\u00f6rungstheoretiker ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen sei noch angemerkt, dass der Kongo ein an Bodensch\u00e4tzen und Ressourcen weitaus reicheres Land als bspw. der Irak ist und somit das Argument nicht z\u00e4hlt, dass die UN nur dort interveniert, wo es auch etwas zu holen gibt. Zudem sei auch gesagt, dass mit der MORUC momentan die zahlenm\u00e4\u00dfig gr\u00f6\u00dfte Friedensmission im Kongo aktiv sind. Doch die Experten vor Ort warnen seit Monaten davor, dass selbst die gro\u00dfe Zahl von 27.000 Blauhelmen nicht ausreicht, um einen Genozid zu verhindern. Vor allem, da die Mission ungemein schlecht versorgt und ausgebildet ist.<\/p>\n Es kann nicht sein, dass die UN zwei Mal den selben Fehler begeht und die Menschen in der Region der gro\u00dfen Seen zweimal die Mitleidsbekundungen und Appelle der tatenlosen internationalen Gemeinschaft ertragen muss, die den vielzitierten Papiertiger UN\u00a0 eher als desinteressierten Seelenverk\u00e4ufer erscheinen l\u00e4sst.<\/p>\n Dieser Artikel hat bewusst auf den Aspekt Mitleid verzichtet und m\u00f6chte dennoch Aufmerksamkeit auf einen Konflikt lenken, den Europa mit initialisiert hat. Einmal durch seine koloniale Vergangenheit, die viele ethnische Konflikte \u00fcberhaupt erst erschaffen hat und und des weiteren durch das bis heute nicht wirklich eingestandene Versagen 1994 in Ruanda. Die damaligen Fl\u00fcchtlingsstr\u00f6me sind einer der entscheidenden Ausl\u00f6ser der heutigen Konflikte. 2004 zur zehnj\u00e4hrigen Trauerfeier in Ruanda haben alle gr\u00f6\u00dferen Staaten Abgesandte geschickt. Heute braucht es behelmte Abgesandte, die sch\u00fctzen k\u00f6nnen und so eine Trauerfeier 2018 obsolet werden zu lassen.<\/p>\n Es geht in diesem, wie in vielen anderen Konflikten, nicht nur um die Glaubw\u00fcrdigkeit der internationalen Gemeinschaft, sondern auch um Realit\u00e4tssinn. Nationale Politik muss scheitern, weil die Strukturen des Lebens nicht mehr vor dem Nationalstaat halt machen. Wenn sie dies \u00fcberhaupt irgendwann getan haben. Ein Bewusstsein f\u00fcr dies zu schaffen wird nicht gelingen, wenn man sich geopolitisch wie medial nur den Konflikten zuwendet, in denen eigene Interessen jeglicher Art ihren Kontext wahren. Es ist naiv anzunehmen, dass sich allein im Nahen Osten mit dem f\u00fcr Deutschland hoch brisantem Akteur Israel allein die Welt zum Guten wendet.<\/p>\n Diesem Scheuklappendenken ist man schon im Kalten Krieg aufgesessen, dachte man doch, alle Probleme dieser Welt seien mit einem Mal gel\u00f6st, wenn der Vorhang f\u00e4llt. Die heutige Weltlage belehrt uns eines besseren und daraus keine Konsequenzen zu ziehen, w\u00e4re nicht nur gegen unsere Grunds\u00e4tze, es w\u00e4re vor allem auch fatal f\u00fcr die M\u00f6glichkeiten der UN weiterhin als Akteur wahrgenommen zu werden.<\/p>\n