{"id":394,"date":"2007-09-27T21:02:35","date_gmt":"2007-09-27T19:02:35","guid":{"rendered":"http:\/\/www.onezblog.de\/item\/2007\/09\/die-trennung-von-theorie-und-theoretiker\/"},"modified":"2007-09-27T21:02:35","modified_gmt":"2007-09-27T19:02:35","slug":"die-trennung-von-theorie-und-theoretiker","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/raue.it\/kultur\/die-trennung-von-theorie-und-theoretiker\/","title":{"rendered":"Die Trennung von Theorie und Theoretiker"},"content":{"rendered":"
Ich lese gerade ein Buch, das den Titel „Philosophen wie wir – Gro\u00dfe Denker menschlich betrachtet“ tr\u00e4gt und mir einigen Spa\u00df beim Lesen bereitet. Nigel Rodgers und Mel Thompson haben lustige, entsetzende, besch\u00e4mende und profane Anekdoten ber\u00fchmter Philosophen wie Heidegger, Rousseau und Sartre gesammelt. Sie betrachten das leben der Philosophen und ziehen R\u00fcckschl\u00fcsse auf deren Werk. Warum hat Nietzsche den \u00dcbermenschen erfunden und war er selbst einer. Warum hat Rousseau seine Kinder im Weisenhaus verrecken lassen, wo er doch Mitbegr\u00fcnder der modernen P\u00e4dagogik ist. Warum ist Schopenhauers Werk so pessimistisch. Solche und andere Fragen versuchen die Autoren zu kl\u00e4ren und machen das auf eine witzige Art und Weise, die gut zu lesen ist. Ein wirklich gutes Buch um Abends im Bett noch eine halbe Stunde darin zu schm\u00f6kern. Aber!<\/p>\n
Mir gef\u00e4llt die Grundintention des Buches nicht, oder ich verstehe sie falsch. Die Autoren ziehen immer wieder Parallelen von den Theorien der Philosophen und deren Leben. Diese Parallelen sind manchmal sehr nahe beieinander und manchmal so weit von einander entfernt. Doch genau diese Abst\u00e4nde werten die Autoren, was auch ihr gutes Recht ist. Doch gehen sie meist im Fazit einen Schritt zu weit, indem sie die Bedeutung der Werke nur in Bezug\u00a0 auf das Leben des Verfassers setzen. So habe Rousseau die Romantik begr\u00fcndet, weil er in so naturverliebter Mensch war und dadurch so viele Romantiker inspiriert. Das halte ich f\u00fcr falsch.<\/p>\n
Rousseau wird sehr viel mehr Menschen inspiriert haben, als nur diejenigen, die seinen Ideen gefolgt sind. Er wird viel mehr Menschen zu kritischer Haltung, seinen Ideen gegen\u00fcber inspiriert haben. Denn seine Ideen sind etwas au\u00dfer ihm, wenn auch nicht auf metaphysisch existierende Art und\u00a0 Weise, h\u00e4ngen diese Ideen nicht mehr mit der Person des Verfassers zusammen. Ob Rousseau den Gesellschaftsvertrag geschrieben hat oder Nietzsche den Zarathustra ist im philosophischen Sinne vollkommen gleichg\u00fcltig. Wir betrachten die Werke, Ideen und Theorien, weil sie als Theorien einen Anspruch haben.<\/p>\n
Theorie und Theoretiker kann und muss man trennen, will man in der Sache weiter kommen. Nat\u00fcrlich bestreite ich nicht, dass die Umwelt und Bedingungen eines Werkes dieses Beeinflussen, aber dann ist es unsere Aufgabe diese, heute vielleicht nicht mehr g\u00fcltigen Argumente zu erkennen und von denen zu trennen, die g\u00fcltig sind, egal ob sie Onkel Fritz, Oma Erna oder Platon geschrieben\u00a0 haben. Der theoretische Gehalt einer Theorie ist eben dieser, der nicht abh\u00e4ngig von Zeit und Ort ist. Deshalb befassen wir uns mit diesen Idee, weil sie mehr als Ausdruck ihrer zeit und Umst\u00e4nde sind.<\/p>\n
Das allerdings vergessen die Autoren des Buches bisweilen, wenn sie \u00fcber ihr Ziel hinausschie\u00dfen, gro\u00dfe Philosophen auch nur als Menschen wie du und ich darzustellen, was sie zweifelsohne waren.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
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