{"id":373,"date":"2007-09-12T13:35:44","date_gmt":"2007-09-12T11:35:44","guid":{"rendered":"http:\/\/www.onezblog.de\/item\/2007\/09\/die-goldenen-regel-und-der-kategorische-imperativ\/"},"modified":"2007-09-12T13:35:44","modified_gmt":"2007-09-12T11:35:44","slug":"die-goldenen-regel-und-der-kategorische-imperativ","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/raue.it\/kultur\/die-goldenen-regel-und-der-kategorische-imperativ\/","title":{"rendered":"Der kategorische Imperativ und die Goldenen Regel"},"content":{"rendered":"

Farlion hat in seinem neusten Beitrag ein Appell f\u00fcr eine sekul\u00e4re Gesellschaft<\/a> geschrieben und so sehr ich ihm auch zustimme, wenn ich auch die Analyse der Ursachen und Gr\u00fcnde ganz anders ansetzen w\u00fcrde, widerspreche ich ihm mit seiner Schlussfolgerung vehement. Dadurch, dass religi\u00f6se Gr\u00fcnde immer wieder zu Angriffen auf unschuldiges Leben f\u00fchren, schlie\u00dft er, Religion aus dem \u00f6ffentlichen Leben zu entfernen. Keine Kopft\u00fccher, keine Kreuze, keine Schwesterntrachten, keine M\u00f6nchskutten in Schulen und anderen \u00f6ffentlichen Einrichtungen. Soweit folge ich, aber er m\u00f6chte dies ersetzen durch den Spruch „Was Du nicht willst, was man Dir tut, das f\u00fcg‘ auch keinem and’ren zu“, den er gerne gerne an den W\u00e4nden \u00f6ffentlicher Geb\u00e4ude lesen w\u00fcrde.<\/p>\n

Doch dem kann ich nicht zustimmen und auch wenn es einer Spitzfindigkeit nahe kommt, will ich kurz erl\u00e4utern, warum.<\/p>\n

Dieser Satz macht gleich, wo nicht gleichzumachen ist. So kann ich nat\u00fcrlich anderen Menschen etwas zuf\u00fcgen, was mir selbst nicht zugef\u00fcgt werden soll, denn dieser Imperativ soll sich wohl auf alle Handlungen beziehen, so negativ auch zuf\u00fcgen klingen mag. Aber wir Menschen sind nicht alle gleich, das kann sich schon in ganz allt\u00e4glichen Beriechen zeigen lassen. Wenn ich meiner Freundin Brokkoli koche, dann f\u00fcge ich ihr etwas zu, was ich nicht will, dass man es mir zuf\u00fcgt. Sicherlich die Motivation ist entscheiden und da m\u00f6chte ich ja auch, dass mir etwas gutes zugef\u00fcgt wird, wie es meine Motivation ist, dem anderen etwas gutes, Brokkoli, zuzuf\u00fcgen. Aber da ist der springende Punkt und spielt den Fanatikern geradezu in die H\u00e4nde. Nicht ohne Grund ist diese Form der Goldenen Regel christlich entstanden.<\/p>\n

Entweder legt man sie so aus, dass man Menschen nur das zuf\u00fcgen soll, was man selbst zugef\u00fcgt bekommen m\u00f6chte, dann ist sie Schwachsinn, weil nicht alle Menschen gleich behandelt werden wollen und k\u00f6nnen. Oder aber man versteh es als Motivations\u00fcberpr\u00fcfung. Dann wird die Regel gef\u00e4hrlich. Denn genau so wird religi\u00f6s argumentiert.<\/p>\n

Wir m\u00fcssen euch von der S\u00fcnde befreien, wir wollen euch doch nur Gutes. Unsere Motivation ist eine gute, denn wir folgen dem Willen Gottes. Mord, Folter, Krieg und Okkupation wird so gerechtfertigt. Diese Rechtfertigungsschiene ist genau die Goldene Regel. Im Namen des Guten m\u00fcssen wir euch etwas schlechtes antun, denn es ist f\u00fcr etwas Gutes. Ihr m\u00fcsstet es auch mit uns so machen, wenn wir etwas schlechtes tun w\u00fcrden, denn das ist Gottes Wille. Man will also wirklich, dass einem das zugef\u00fcgt wird, was man den anderen zuf\u00fcgt. Man ist sich eben nur sicher, dass man selbst dem Willen Gottes folgt und die anderen nicht.<\/p>\n

Die Regel ist nicht zu gebrauchen. „Was Du nicht willst, was man Dir tut, das f\u00fcg‘ auch keinem and’ren zu“ ist gef\u00e4hrlich, da sie eigentlich nichts regelt und so scheinbar jegliche Argumentation rechtfertigt.<\/p>\n

Sie wird zudem oftmals mit dem kategorischen Imperativ Kants verwechselt, aber diese beiden Imperative haben nichts, ich wiederhole nichts miteinander zu tun. Kants kategorischer Imperativ<\/strong> wurde in vielen verschiedenen Versionen von ihm aufgestellt um die Grundlage deutlich zu machen. Bei einigen Formulierungen ist die \u00c4hnlichkeit ohne den Kontext, in dem sie stehen, wirklich hoch, so bei diesem:<\/p>\n

„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“<\/p><\/blockquote>\n

Es scheint, als wollten dieser kategorische Imperativ und die Goldene Regel das Selbe, doch wenn man noch eine weitere Formulierung Kants hinzuzieht, wird klarer, dass dem nicht so ist:<\/p>\n

„Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals blo\u00df als Mittel brauchst.“<\/p><\/blockquote>\n