{"id":287,"date":"2007-06-05T09:56:12","date_gmt":"2007-06-05T07:56:12","guid":{"rendered":"http:\/\/www.onezblog.de\/item\/2007\/06\/wandel-und-zeit\/"},"modified":"2007-06-05T09:56:12","modified_gmt":"2007-06-05T07:56:12","slug":"wandel-und-zeit","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/raue.it\/gesellschaft\/wandel-und-zeit\/","title":{"rendered":"Wandel und Zeit"},"content":{"rendered":"

Dies ist der dritte Teil eines Gespr\u00e4chs zwischen mir und people in motion<\/a>. Eine Diskussion \u00fcber System, Kapitalismus, Bildung und Individuum in vier Teilen. F\u00fcr alle Neueinsteiger findet sich die Erkl\u00e4rung<\/a>, der erste Teil<\/a> und der zweite Teil noch in unseren Archiven. Der letzte Teil wird n\u00e4chsten Dienstag auf people in motion erscheinen. Ich bitte um Diskussion.<\/em><\/p>\n

soeren onez:<\/strong>
\nDie ersten beiden Teile unserer Diskussion waren eher theoretischer Natur, sodass du zu recht die Politik angef\u00fchrt hast. Dabei siehst du vor allem Defizite in der Bildung und Erziehung. W\u00fcrdest du bitte dort fortfahren und deine Ideen entwickeln. Zun\u00e4chst solltest du mir das Problem eingehend erl\u00e4utern.<\/p>\n

people in motion:<\/strong><\/p>\n

Deutschland besitzt ein ausgepr\u00e4gtes demokratisches Gef\u00fcge in Bezug auf die Gesellschaft und die Organisation. Eines der besten Indizien daf\u00fcr, ist der sehr ausgepr\u00e4gte, wissenschaftliche und gesellschaftliche Diskurs in Zeitungen und B\u00fcchern. Also eigentlich gute Voraussetzungen f\u00fcr ein freies und unabh\u00e4ngiges Leben in Gerechtigkeit und damit die Unterst\u00fctzung zur Findung, ich nenne es jetzt mal wie du, der Verantwortung gegen\u00fcber sich selbst und damit auch gegen\u00fcber der Gesellschaft.<\/p>\n

Allerdings habe ich den Eindruck, dass f\u00fcr die j\u00fcngere Bev\u00f6lkerung unseres Landes auf Grund \u00e4u\u00dferer Bedingungen diese Selbstfindung schwieriger geworden ist. W\u00e4hrend die heutigen 35 bis 60 j\u00e4hrigen noch in der Lage sind unser kulturell, historisches Erbe zu tragen, scheint meine Generation das nicht zu sein. Eine m\u00f6gliche Ursache ist die drastische Ver\u00e4nderung des Lebens durch den rasanten technischen Fortschritt. Dieser ungew\u00f6hnlich abrupte Wandel – zum Beispiel durch das Internet -, der besonders aus kapitalistischen Motiven angetrieben wurde, k\u00f6nnte eine gr\u00f6\u00dfere Kluft zwischen den Generationen verursacht haben als geschichtlich \u00fcblich. Die Kluft zwischen der moderne und dem apokalyptischen Zeitalter. Die L\u00f6sungsans\u00e4tze unserer heutigen Politik in Bezug auf die Jugend sind offensichtlich nicht ausreichend.<\/p>\n

Theoretisch k\u00f6nnte dies bedeuten, dass es im Laufe der n\u00e4chsten 50 Jahre zu einem fr\u00fchen Bruch der noch jungen demokratischen Tradition in Deutschland kommt. Allerdings sind dies nur Tendenzen. Daran kann sich noch was \u00e4ndern. Nur wie? Bei der Frage nach den Schl\u00fcsselelementen zur Realisierung nachhaltiger Errungenschaften gelange ich wieder bei Bildung und Erziehung und dem Priorit\u00e4tenproblem unserer Politik an.<\/p>\n

Du schreibst, um was zu \u00e4ndern, „m\u00fcsste man sowohl das Gestern, das Heute als auch das Morgen ver\u00e4ndern“. Das kann h\u00f6chstens das Ziel einer Philosophie, einer Weltformel, sein. In der Geschichtswissenschaft und Soziologie muss man das Gestern verstehen und das Heute erkennen, um dann das Morgen \u00e4ndern zu k\u00f6nnen.<\/p>\n

<\/p>\n

soeren onez:<\/strong><\/p>\n

Es gibt mit Sicherheit viele verschiedene Ansatzpunkte dieses Problem anzugehen, einige werden sich gegenseitig ausschlie\u00dfen, die meisten aber werden sich zu einem neuen Weg erg\u00e4nzen. So oder so \u00e4hnlich stelle ich mir eine funktionierende Herangehensweise vor. Ein System entwickelt von der Philosophie, was aber nicht arrogant von oben herab auf die anderen Wissenschaften schaut und ihnen zuraunt – „na immer noch keine L\u00f6sung?“ – sondern was ein Denkmodell, eine Weise zur Gestaltung hervorbringt. Ein philosophisch gesehen perfektes Modell was durch die Wissenschaften versucht wird ann\u00e4hernd realisieren zu werden.<\/p>\n

Ohne einen Denkrahmen bleiben alle Versuche dieses Problem zu l\u00f6sen der ber\u00fchmte Tropfen auf den hei\u00dfen Stein. Ohne eine Koordination werden sich zu viele Versuche im negativen Sinne kreuzen. Sie werden sich gegenseitig aufheben und somit das System Kapitalismus nur unterst\u00fctzen, denn soweit Ma\u00dfnahmen innerhalb des System angewendet werden, k\u00f6nnen sie es nur st\u00fctzen.<\/p>\n

Ich bin kein Gegner der Globalisierung oder des Kapitalismus im Allgemeinen, aber ich sehe welche Auswirkungen dieses System auf den Menschen hat. Ich denke der Mensch hat dieses System erschaffen. Jetzt wird er die Geister, die er rief, nicht mehr los? Nein, ich denke nicht. Ich gehe viel mehr davon aus, dass der Mensch selbst dieser Geist des Systems ist. Sollte es jemals gelingen, dieses System wirklich in all seinen Ausma\u00dfen darzustellen, bin ich \u00fcberzeugt, die Grundz\u00fcge werden den Grundcharaktereigenschaften des Menschen gleichen.<\/p>\n

Ich bin mir nicht sicher ob wirklich eine gr\u00f6\u00dfere Kluft zwischen den Generationen bevorsteht oder schon eingeleitet ist. Diese These solltest du noch einmal genauer begr\u00fcnden. Nimmst du nicht die Zeit als Faktor und vergisst dabei, dass eben diese neuen technischen Fortschritte die Zeit als solche fast abgeschafft haben. Kommunikation ist heute wichtiger denn je. Dabei ist nicht mehr Schnelligkeit der Fortschrittsfaktor, sondern dieser wurde von der M\u00f6glichkeit zur Livekommunikation abgel\u00f6st. Zumindest ist das die Vision, die in sehr vielen Bereichen schon verwirklicht ist. Die \u00e4ltere Generation hatte niemals diese M\u00f6glichkeiten und es wird sich erst zeigen, welchen Gewinn\/Verlust das mit sich bringen wird.<\/p>\n

people in motion:<\/strong>
\nErst mal muss ich dir in einem Punkt widersprechen. \u00dcber die Darstellung des Systems lassen sich nicht die Grundcharaktereigenschaften des Menschen erkennen. Es w\u00e4re vielmehr eine Darstellung der gesellschaftlichen, stark durch das Umfeld beeinflussten Lebensweise der Menschen. Zur einem Abbild der Grundeigenschaften k\u00f6nnte man nur \u00fcber ein Gesamtverst\u00e4ndnis der historischen Entwicklung der Menschheit gelangen. Das, was ich als menschliche Grundeigenschaften bezeichnen w\u00fcrde, hat den Lauf der Geschichte geschrieben.<\/p>\n

Deine Kritik an meiner Aussage, dass der Fortschritt der Technik f\u00fcr einen abrupten Wandel der Lebensverh\u00e4ltnisse verantwortlich ist, kann ich verstehen. Das war sehr vereinfacht und ungenau argumentiert. Ich m\u00f6chte meine These genauer erl\u00e4utern.<\/p>\n

Die heutige Jugend wird bei Best\u00e4tigung erkennbarer Tendenzen nicht die n\u00f6tige menschliche Reife erlangen um unter den in etwa 40 Jahren herrschenden Bedingungen die deutsche Hochkultur und demokratische Stabilit\u00e4t aufrecht zu erhalten. Das liegt am abrupten Wandel der Lebensverh\u00e4ltnisse, in denen der Mensch weniger in seiner Entwicklung unterst\u00fctzt wird, aber vor immer mehr Fragen und Probleme gestellt wird. Belege f\u00fcr den abrupten Wandel und dessen Auswirkungen lassen sich in praktisch allen Feldern des menschlichen Lebens finden.<\/p>\n

Nehmen wir die innerste Form des sozialen Kontakts, die Familie. Der Stellenwert der Familie nimmt in Betrachtung der gesamt-historischen Entwicklung exponentiell ab. Wie wichtig sowohl Vaters als auch Mutter f\u00fcr die gesunde Entwicklung eines Kindes sind und wie f\u00f6rderlich Geschwister, das scheint bei der Wahl der Lebensform heute keine besondere Bewandtnis mehr zu haben. Oft sollen die Medien die L\u00fccken f\u00fcllen, die von der Familie hinterlassen werden.<\/p>\n

Nehmen wir die Ver\u00e4nderungen der Kommunikation, die du ja schon angesprochen hast. Eine ihrer Auswirkungen ist, dass dieser allezeit verf\u00fcgbare Live-Austausch von Informationen es den gro\u00dfen Konzernen erm\u00f6glicht ein Weltnetzwerk aufzubauen, dass an keine r\u00e4umlichen Schranken mehr gebunden ist. Den Bossen der deutschen Firmen werden dadurch die teuren deutschen Arbeiter mehr und mehr ein Laster im Kampf um den gr\u00f6\u00dften Profit. Eine Unsicherheit tritt dadurch in das \u00f6konomische Leben einer gro\u00dfen Ma\u00dfe der Bev\u00f6lkerung. Die untere Bildungsschicht hat heute schon verloren. Wie es der immer kleiner werdenden Mittelschicht ergehen wird, l\u00e4sst sich nur erahnen.<\/p>\n

Nehmen wir die Geschichte, denn auch historisch hat sich mit dem Ende des Ost-West Konflikts ein einschneidender Wandel vollzogen. Heute ringen keine Systeme mehr um das Recht des St\u00e4rkeren, denn der Kapitalismus hat sich als St\u00e4rkster herausgestellt. Deutschland steht in diesem Ringen der Staaten um gute \u00f6konomische Voraussetzungen vor der Erkenntnis, dass die wichtigsten Entscheidungen nicht mehr nur vom christlichen Westen getroffen werden, da sich die wirtschaftlichen Machtzentren Richtung S\u00fcd-Ost Asien verschieben.<\/p>\n

Nehmen wir die Politik. Eine Erfahrung der heutigen Jugend in Bezug auf Staat und Demokratie ist die Machtlosigkeit der Politik. Ich kenne nicht das Gef\u00fchl wenn einem der Nachrichtensprecher sagt, dass die Arbeitslosenzahl auf Grund der neuesten Reformen wieder eindeutig gesunken sind. Oder das Deutschland einen Haushalt vorlegt in dem am Ende keine riesengro\u00dfe rote Zahl steht. Da kann man doch schon mal zweifeln, ob das wirklich alles gut endet. Ein heute f\u00fcnfzig Jahre alter Mann hat Aufschwung, tendenziell immer gr\u00f6\u00dfer werdende soziale Sicherheit in Deutschland erlebt. Wir, die Jugend, haben das nicht.<\/p>\n

Nehmen wir die Umwelt. Die fatalen Einfl\u00fcsse des Menschen auf die Natur f\u00fchren auch zu immer dr\u00e4ngenderen Fragen, denn auch hier ist eine Entwicklung mit exponentieller Steigerung der Sch\u00e4den zu erkennen. Die gewissenlose Rodung des Regenwaldes unter kapitalistischen Gesichtspunkten, der f\u00fcr das Klima der Erde von so entscheidender Bedeutung ist, z\u00e4hlt zu den dringlichsten Problemen mit denen sich die Welt\u00f6ffentlichkeit besch\u00e4ftigen muss. Das es dort heute noch keine ann\u00e4hernd wirksamen L\u00f6sungsans\u00e4tze gibt kann einen durchaus erschauern lassen. Auch eine exponentielle Entwicklung weist \u00fcbrigens die Weltbev\u00f6lkerung auf, die diese Problematik noch um ein vielfaches verst\u00e4rken wird.<\/p>\n

Das Weniger an menschlicher Reife bei einem Mehr an Problemen. Das f\u00fchrt zu Hoffnungslosigkeit, Radikalismus und Angst. Dies ist N\u00e4hrboden f\u00fcr den Verfall unseres Landes. Erreicht werden muss mehr Reife, dann er\u00fcbrigen sich schon viele dieser Probleme oder zumindest lernt der Mensch mit ihnen umzugehen. Um einen h\u00f6heren Reifegrad zu erlangen, braucht man mehr Erziehung und mehr Bildung. Heute in einem drastischeren Ma\u00df als es die derzeitige Generation der Erwachsenen erahnt. So k\u00f6nnten sich zumindest einige Prozesse automatisch umkehren und dem Menschen k\u00f6nnte eine Anpassung an die Begebenheiten gelingen. Dies w\u00fcrde dann wieder eine Besserung der Begebenheiten verursachen. Eine positive anstatt einer negativen Entwicklung.<\/p>\n

soeren onez:<\/strong>
\nIch konnte deinen Ausf\u00fchrungen folgen und habe einige Anmerkungen zu machen. Zum einen werde ich meine These vom System und den Grundcharaktereigenschaften des Menschen verteidigen, denn ich denke mich ungenau ausgedr\u00fcckt zu haben. Des weiteren werde ich auf die Nationalstaatlichkeit eingehen, sehe ich doch darin ein weiteres Problem, was verhindert, all diese Probleme, die du ansprichst, in Angriff zu nehmen. Das in unserem vierten und letzten Teil der Diskussion n\u00e4chsten Dienstag.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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