{"id":248,"date":"2008-06-25T03:26:21","date_gmt":"2008-06-25T01:26:21","guid":{"rendered":"http:\/\/www.endlosrekursion.de\/248\/tagesan-bruch\/"},"modified":"2015-10-15T12:40:45","modified_gmt":"2015-10-15T10:40:45","slug":"tagesan-bruch","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/raue.it\/leben\/tagesan-bruch\/","title":{"rendered":"Tagesan bruch"},"content":{"rendered":"
Eine Frage zum Einstieg: Wenn der Tag anbricht, <\/span>zerbricht<\/span> dann der Tag, oder die Nacht?<\/p>\n Wir haben ein Wort f\u00fcr den \u00dcbergang vom Tag zur Nacht, den Sonnenuntergang, ein romantisch verspieltes und gern genutztes Sinnbild des Aufbruchs in die Stille der Nacht. Wir haben auch ein Wort f\u00fcr den Sonnenaufgang, Symbol des Aufbruchs und des Neuanfangs. Wir haben aber keine Worte f\u00fcr die Momente vor diesen Br\u00fcchen.<\/p>\n Der Bruch der Nacht mit dem Tag wird meist \u00fcbersehen, \u00fcber-lebt. Der Alltag zieht uns weiter und l\u00e4sst uns h\u00f6chstens dem Sonnenuntergang beiwohnen, als bisweilen allzu malerisches Naturkunstwerk. Denn dieses Schauspiel ist nicht der Bruch, es ist ein \u00dcberspielen. Ebenso verh\u00e4lt es sich mit dem Bruch der Nacht hin zum Tage. Nicht die mystisch aufgeladene Morgenr\u00f6te, f\u00fcr die es sich aufzustehen lohnt, bricht mit der Nacht, sondern das aufgeladene Schweigen wenn der Tag noch nicht beginnen will und die Nacht schon ihre Magie verloren hat.<\/p>\n Morgenr\u00f6te und Sonnenuntergang sind vom grau geleitet, so farbenfroh sie uns Betrachter auch in ihren Bann zu ziehen versuchen. Sie sind uns Abwechslung zum grauen Alltag, zum grauen Licht des Tagesanbruchs. Sie sind Konsum und dem Kunstwerk entgegengesetzt. Der Bruch ist die eigentliche L\u00fccke des Schauspiels der Natur. Der Bruch muss nicht verf\u00fchren durch Farbenspiel und Romantik. Der Bruch braucht weder Vogelgezwitscher noch einen Strand mit breitem Horizont. Der Bruch will verstanden werden, ohne verstanden zu werden.<\/p>\n Die L\u00fccke, die sich jeden Tag auftut zwischen der Zeit in der wir funktionieren und arbeiten sollen und der Zeit in der wir funktionieren und Schlafen sollen ist das Kunstwerk meines Lebens.<\/p>\n Diese L\u00fccke f\u00fcllt meinen Tag, an dem ich Schlafe, weil ich in der Nacht gearbeitet habe, f\u00fcllt meine Nacht, in der ich lese, weil auch das Arbeit ist. Doch was ich auch tue, ich warte auf die L\u00fccke, den Bruch, das Brechen, das kein g\u00f6ttlicher K\u00fcnstler f\u00fcr mich erschuf, sondern immer wieder aufs neue hervorgerufen wird, von mir. Dem einzigen K\u00fcnstler, den ich nie werde verstehen k\u00f6nnen.<\/p>\n