{"id":168,"date":"2007-01-17T13:09:28","date_gmt":"2007-01-17T13:09:28","guid":{"rendered":"http:\/\/www.onezblog.de\/?p=168"},"modified":"2007-01-17T13:09:28","modified_gmt":"2007-01-17T13:09:28","slug":"credo-quia-absurdum-ich-glaube-weil-es-falsch-ist","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/raue.it\/gesellschaft\/credo-quia-absurdum-ich-glaube-weil-es-falsch-ist\/","title":{"rendered":"Tertullian: \u201ecredo quia absurdum\u201c – Ich glaube, weil es Falsch ist"},"content":{"rendered":"

Ich m\u00f6chte euch eine philosophisch-theologische Position vorstellen, die uns komischer nicht erscheinen kann. Sie h\u00f6rt sich so abwegig an, dass sie in keiner Diskussion wirklich vorkommt. Sie ist lustig. Dennoch, sie ist kein Schwachsinn im eigentlichen Sinn, sie ist nicht entsprungen eines Irren.<\/p>\n

Fideismus<\/strong>, von fides, -ei \u2013 lat. der Glaube<\/p>\n

Tertullian, 2. Jahrhundert nach Christus, ist Verfechter des extremen Fideismus. Der Fideismus ist eine Position, der dem Glauben eine h\u00f6here Erkenntnism\u00f6glichkeit einr\u00e4umt als dem Verstand. So ist z.B. Thomas von Aquin ein Anh\u00e4nger des schwachen Fideismus. Er vertritt die Annahme, dass der Verstand nur bis zu einem gewissen Grad Wissen erlangen kann. Der Verstand kann seiner Meinung nach die Existenz Gottes beweisen, also wissen. Allerdings kann er nichts \u00fcber Glaubensinhalte wissen, daf\u00fcr gibt es die Autorit\u00e4t der Bibel, der Offenbarung Gottes. Schwacher Fideist deshalb, weil er dem Verstand einen gewissen Grad an Erkenntnism\u00f6glichkeit einr\u00e4umt.<\/p>\n

Nun aber zu einem Verfechter des extremen Fideismus, Tertullian. Es gibt in seinem Werk \u201e Vom Fleisch Christi\u201c eine Textstelle, die Widersinniger uns nicht erscheinen kann.<\/p>\n

\u201ecredo quia absurdum\u201c<\/em> – Ich glaube, weil es absurd\/Unfug ist<\/p>\n

Wie kommt der denn darauf? Das kann der doch nicht wirklich so meinen, oder? Kann er eben sehr wohl und auch nicht mal unbegr\u00fcndet. Tertullian geht von einem Skeptizismus aus, einem gerechtfertigten Skeptizismus. Der besagt, dass der Common Sense keine Wahrheit beinhaltet. Wenn es aber starke Indizien gibt, der \u201ecommon sense\u201c habe keinen Wahrheitsanspruch, ist es gerechtfertigt anzunehmen, dass das Gegenteil richtig ist. So glaubt er also das Gegenteil auch oder eben weil es absurd ist.<\/p>\n

Nicht verstanden? Macht nichts, nochmal ein wenig konkreter. Der \u201ecommon sense\u201c gegen den er argumentieren will, ist die in der vor christlichen Zeit, vor allem in Griechenland, verbreitete Annahme, dass G\u00f6tter oder Gott sich nicht mit dem irdischen Fleisch verbinden k\u00f6nnen\/kann.<\/p>\n


\nDas G\u00f6ttersystem der Griechen war ein hierarchisches und ein h\u00f6her stehender Gott w\u00fcrde sich nicht mit dem niederen Fleisch\/K\u00f6rper einlassen. So war es allgemein verbreitet, dass Jesus, als Gott, nicht wirklich in einem K\u00f6rper steckte, sondern nur in einer Art Scheink\u00f6rper. Auch sei er nicht wirklich gestorben, sondern habe nur den Scheink\u00f6rper abgelegt. Das widerspricht aber der Auferstehungsgeschichte, dass Jesus all unsere S\u00fcnden in sich aufgenommen hat mit seinem Leiden. Denn Scheink\u00f6rper leiden gemeinhin nicht so sehr.<\/p>\n

Tertullian wollte aber dieser Meinung entgegentreten und das Gegenteil, Jesus Christus war ein Mensch von Fleisch und Blut und Gott, vertreten. Das tut er indem er die Annahme trifft, es gebe indizien, dass der \u201ecommon sense\u201c falsch sei und er deshalb berechtigterweise das Gegenteil glauben k\u00f6nne, also an Jesus als Gott im Fleische.<\/p>\n

So l\u00e4sst sich bei Tertullian weiter lesen:
\n
\n\u201eGottes Sohn ist aus einer Frau geboren, das ist keine lehre, der man sich sch\u00e4men muss, weil man sich daf\u00fcr sch\u00e4men muss.\u201c<\/em><\/p>\n

Also K\u00f6rper, f\u00fcr den \u201ecommon sense\u201c schon ganz komisch, aber dann auch noch aus einer Frau! Das kann nicht sein, geht nicht, darf nicht. In diesem Lichte kann man sogar die Aussage Tertullians verstehen, so abwegig sie uns heute auch vorkommen mag. Denn dieser Fideismus, wenn auch nicht so stark wie der Tertullians, findet sich bei allen Kirchenv\u00e4tern und ist als Abwehr der Gnosis gedacht.<\/p>\n

Eine lustige Episode aus meinem Studium, die dennoch in die Tiefen eines religions-philosophischen Diskurses f\u00fchren kann. Das Verh\u00e4ltnis von Glauben und Wissen ist n\u00e4mlich keinesfalls ein einfaches, also einfach zu kl\u00e4rendes, was den anschein hat, wenn wir \u00fcber dises Verh\u00e4lltnis, das Tertullian bestimmt hat lachen. Aber diesen Diskurs hier auch noch auszubreiten w\u00fcrde definitiv zu lange dauern, f\u00fcr einen Blogartikel.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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