{"id":15,"date":"2007-10-29T14:08:09","date_gmt":"2007-10-29T12:08:09","guid":{"rendered":"http:\/\/www.endlosrekursion.de\/15\/die-wahrheit-der-zahlen\/"},"modified":"2007-10-29T14:08:09","modified_gmt":"2007-10-29T12:08:09","slug":"die-wahrheit-der-zahlen","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/raue.it\/gesellschaft\/die-wahrheit-der-zahlen\/","title":{"rendered":"Die Wahrheit der Zahlen"},"content":{"rendered":"
Zahlen sind wirklich t\u00fcckische Zeitgenossen, die st\u00e4ndig ihre Meinung \u00e4ndern. \u00c4u\u00dferlich sagen sie immer das Selbe aus. Der Genosse 42 sieht immer wie eine 42 aus, doch der erste Blick kann t\u00e4uschen. Mal ist er die Antwort auf alle Fragen, mal ein gro\u00dfes Problem. Das Problem ist allerdings nicht der Genosse 42, denn mit ihm kommt man noch ganz gut zurecht. Wenn man ihn alleine trifft, plustert er sich zwar manchmal ein wenig auf und macht sich gr\u00f6\u00dfer als er ist, aber wenn man ihn ein wenig betrachtet, renkt sich das schon bald wieder ein.<\/p>\n
Doch Genosse 42 ist selten allein. Er multipliziert sich mit dem Kollegen 73 und weiteren tausend Gleichgesinnten. Dann l\u00e4sst er sich mal hinausdividieren und manchmal bleibt er l\u00e4nger als geplant. Die Genossen Zahlen sind f\u00fcr ihre T\u00fccken bekannt und werden doch immer wieder zu Rate gezogen, mit unbekannten Folgen. Die Genossen Zahlen sind gern gesehen, \u00fcberall und von jedermann. Sie werden bezahlt und auch nicht zu knapp. Jeder hat sie gerne auf seiner Seite, selten sind sie es lange.<\/p>\n
Lassen wir die Zahlenspiele ..Verzeihung.. Wortspiele beiseite um uns dem Problem der Zahlen zuzuwenden. Zahlen sind in der Wirtschaft ebenso beliebt wie in der Politik. Ob in der Wissenschaft, ob in der Bildzeitung, nirgendwo wird auf Zahlen und Statistiken verzichtet. Nat\u00fcrlich zu Recht, denn wir brauchen Zahlen und Werte. Unser, nicht durchwegs, aber doch gr\u00f6\u00dftenteils auf Empirie aufgebautes Realit\u00e4tsverst\u00e4ndnis braucht Zahlen und Formwerte um die „Realit\u00e4t“ zu beschreiben, ansonsten w\u00fcrden wir in der Flut von Informationen versinken.<\/p>\n
Ich wei\u00df nicht, ob nicht schon die kindliche Entwicklung eines Ichs Zahlen enth\u00e4lt, also mindestens 2, ich und jemand anderes, oder ob Zahlen anders einzuf\u00fchren w\u00e4ren. Ich wei\u00df aber, dass ohne Zahlen ein pr\u00e4ziser Sprachgebrauch nicht m\u00f6glich w\u00e4re. Nicht, dass wir unbedingt dieses arabische Z\u00e4hlverfahren benutzen m\u00fcssten, es gibt auch andere, aber Eines, Vieles, Verschiedenes sind schon Z\u00e4hlformen. Zu einem System gefasst k\u00f6nnen diese Zahlen nutzbar gemacht werden. Kaum vorstellbar, wie ich jemandem ohne Zahlenverst\u00e4ndnis oder -wissen erkl\u00e4ren sollte, dass ein Berg eine Steigung von 12 Prozent hat. Sicher, ich k\u00f6nnte versuchen mit meiner Hand ihm eine ungef\u00e4hre Ahnung von der Steigung zu geben. Es w\u00e4re wahrscheinlich ein Desaster.<\/p>\n
Wir brauchen Zahlen also zum pr\u00e4zisen Umgang mit Sprache und empirischen Ergebnissen. Zwischenfrage: W\u00e4re eine empirische Methodik m\u00f6glich, ohne die M\u00f6glichkeit des Z\u00e4hlens? Doch die anfangs dargestellte Problematik der Zahlen liegt nicht in ihrer Pr\u00e4zision. Zahlen ver\u00e4ndern sich nicht, doch ihre Bewertung kann ungemein schwanken. Zum Teil wird mit den selben Zahlen bzw. Ergebnissen Gegenteiliges begr\u00fcndet.<\/p>\n
Ein jeder kennt den Ausspruch „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gef\u00e4lscht hast“, der Winston Churchill zugesprochen wird. Dort wird deutlich, worauf ich hinaus m\u00f6chte. Zahlen stehen zun\u00e4chst f\u00fcr eine Berechnung oder Beobachtung von Tatsachen. Doch diese Tatsachen sind keineswegs so eindeutig, wie die Zahlen suggerieren k\u00f6nnten.<\/p>\n
Bei einer statistischen Erhebung ist wichtig, dass ich genug Leute befrage, um das Ergebnis repr\u00e4sentativ zu gestalten. Selbst dann m\u00fcssen meine Zahlen nicht den Tatsachen entsprechen. Miterleben kann man das vor jeder Bundestagswahl. Gl\u00fccklicherweise kann man dort die „realen“ Ergebnisse mit den Umfragen vergleichen, was sonst selten der Fall ist. Wenn eine Umfrage herausfinden soll, wie viele Menschen in Deutschland ein Gesetz gut finden, dann kann dieses Ergebnis schlicht nicht repr\u00e4sentativ sein, dennoch werden nicht selten solche Umfragen genutzt. Sicher haben wir das (fast) alle in der Schule gelernt, aber das hindert dennoch nicht daran, dass solche statistischen „Ungenauigkeiten“ an der Tagesordnung stehen. Egal ob in Politik, Medien oder dem Elternabend des st\u00e4dtischen Gymnasiums nebenan. Ein aktuelles und \u00fcberaus am\u00fcsantes Beispiel findet ihr in der Wissenswerksatt<\/a>.<\/p>\n Aber nicht nur in der Statistik kann mit den lieben Zahlen etwas schief gehen. Zahlen sind Werte, doch Zahlen sind neutrale Werte und sie m\u00fcssen interpretiert werden. Von wertenden Menschen. So kann es z.B. passieren, dass gesagt wird, in einer Demokratie gewinnt derjenige, der mehr als 50 Prozent aller Stimmen auf sich vereint. Man w\u00e4hlt also und das Ergebnis sieht folgenderma\u00dfen aus:<\/p>\n Kandidat 4 sieht sich als der klare Sieger dieser Wahl und das ist wohl unbestritten. Er hat sehr viel mehr Stimmen auf sich vereinen k\u00f6nnen als die anderen Kandidaten. Im ersten Interview freut er sich \u00fcber 50,2 Prozent der Stimmen, also die geforderte Mehrheit und entschwindet auch schnell zu seinen Parteifreunden, um mit Sekt auf die gewonnene B\u00fcrgermeisterwahl anzusto\u00dfen.<\/p>\n Doch so sicher sollte er nicht sein und es den „Gewinnern“ Schr\u00f6der und Stoiber nachmachen: sich zu fr\u00fch zu freuen. Kandidat 2 n\u00e4mlich pocht auf eine Wahlwiederholung, da keiner der Kandidaten mehr als 50 Prozent der Stimmen erreicht habe. Denn Kandidat 1 hat die ung\u00fcltigen Stimmen nicht mitgez\u00e4hlt, mit denen er nur auf 31,6 Prozent der Stimmen kommt.<\/p>\n Man kann sicher jetzt einwenden, dass nicht die Zahlen das Problem darstellen, sondern ein unklares Gesetz, welches nicht sagt, ob mit allen g\u00fcltigen Stimmen 50 Prozent erreicht, oder ob auch ung\u00fcltige Stimmen mit einbezogen werden m\u00fcssen. Denkbar ist noch, dass sogar 50 Prozent aller Wahlberechtigten ihren B\u00fcrgermeister w\u00e4hlen m\u00fcssten. Die Zahlen stellen dabei das geringste Problem dar und doch bin ich mir sicher, dass diese zur Argumentation herangezogen werden. In unserer kleinen Beispielstadt werden alle Parteien sich Zahlen um die Ohren hauen und immer wieder darauf pochen, dass die Zahlen nicht l\u00fcgen und man eben einfach Recht hat.<\/p>\n In diesem kleinen Beispiel w\u00fcrde die zust\u00e4ndige Gerichtsbarkeit entscheiden, welche Interpretation des Gesetzestextes die bessere\/ richtigere ist. Erst dann w\u00fcrden die Zahlen wirklich zu ihrer Geltung kommen.<\/p>\n Dennoch ist zu diskutieren, wie direkt wir unsere Demokratie haben wollen und welcher Weg der Ausz\u00e4hlung der beste ist. Mit Zahlen hat das nichts zu tun, sondern mit Werten, die wir den Zahlen geben. Ein weiteres Beispiel ist der gescheiterte Volksentscheid in Hamburg, der bezeichnenderweise \u00fcber die Bedeutung von Volksentscheiden bei der Gesetzgebung im Hamburger Parlament entscheiden sollte:<\/p>\n „492.864 Stimmen wurden abgegeben, 607.468 w\u00e4ren n\u00f6tig gewesen. Das ist zwar einerseits verst\u00e4ndlich, denn einer Verfassungs\u00e4nderung sollten 50% der Menschen zustimmen. Aber: Welche Regierung wird mit 50% der Stimmen aller B\u00fcrger gew\u00e4hlt? Wieviele Menschen stehen tats\u00e4chlich hinter einer Verfassungs\u00e4nderung, die von 2\/3 der Abgeordneten bestimmt wird? Und wenn 250.000 Demonstranten in Leipzig das DDR Regime st\u00fcrzen konnten, wieso braucht\u2019s dann 607.468 um die Hamburger Verfassung zu \u00e4ndern? So theoretisch richtig die Zahl sein mag, so falsch ist sie in der Realit\u00e4t.“ Trupoli Blog <\/a><\/em><\/p><\/blockquote>\n Zahlen sollen uns nur helfen, die „Realit\u00e4t“ einfacher und genauer zu begreifen. Sie stehen nie f\u00fcr sich alleine, irgeneine Wertung, irgendeine Wahrheit. Irgendetwas.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Zahlen und Statistiken haben einen gro\u00dfen Wert f\u00fcr uns. Doch in dieser Bewertung schleichen sich bisweilen viele Fehler ein<\/p>\n","protected":false},"author":1,"featured_media":0,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[3],"tags":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/15"}],"collection":[{"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/users\/1"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=15"}],"version-history":[{"count":0,"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/15\/revisions"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=15"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=15"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=15"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}\n