{"id":1484,"date":"2006-09-25T19:23:03","date_gmt":"2006-09-25T19:23:03","guid":{"rendered":"http:\/\/www.onezblog.de\/?p=104"},"modified":"2006-09-25T19:23:03","modified_gmt":"2006-09-25T19:23:03","slug":"sinn-durch-erfahrung-des-fremden","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/raue.it\/gesellschaft\/sinn-durch-erfahrung-des-fremden\/","title":{"rendered":"Sinn durch Erfahrung des Fremden?"},"content":{"rendered":"

Arbeit mit Roma-Kindern: Bezaubernd sch\u00f6n, aber alles andere als einfach<\/h3>\n

Meinen Text m\u00f6chte ich einem roten Faden folgen lassen: die Frage nach dem Sinn meines Dienstes. Denn die Frage ist mir am meisten w\u00e4hrend meines Jahres begegnet. Ich habe sie mir oft gestellt, sie wurde mir oft gestellt, wir haben oft im Team dar\u00fcber gesprochen, privat oder auch auf den Arbeitsmeetings. Warum habe ich das gemacht, was ist das und hat das was gebracht?<\/p>\n

Das, das ist mein Friedensdienst in Ostrava\/ Tschechische Republik, ich arbeite in einem Club f\u00fcr Romakinder und -jugendliche des Salesianerordens. Ich biete zwei Workshops an: Fu\u00dfball und Tischtennis. Zudem gibt es noch Billard, Tanzen, Breakdance, Malen, Basteln, Puzzeln, Klettern, Kirchenservice sowie Ferienlager.<\/p>\n

Wie meine Arbeit ist, ist die n\u00e4chste Frage, doch sie ist sehr schwer zu beantworten. Sch\u00f6n und hart, entnervend, stressig und bezaubernd, Arbeit mit Kindern eben. Oder eben doch nicht, denn wir arbeiten nicht mit \u201enormalen\u201c Kindern sondern mit Roma.
\nWarum abgrenzen? Normal und Roma? Aus Unf\u00e4higkeit meinerseits eine bessere Differenzierung zu finden. Als normal wird die Majorit\u00e4t angesehen, Minorit\u00e4ten, hier die Roma, sind anders, sonst w\u00e4ren sie keine Minderheit. Soviel festgehalten, aber! das macht sie nicht zu anderen Menschen, weder besser noch schlechter, weder normaler noch abnormaler, weder sozialer noch asozialer. Soviel zu normal.<\/p>\n

Unsere Kinder, so nennen wir sie, sind alles andere als normal. Lesen Sie den folgenden Absatz, bitte: ohne abzusetzen! Unsere Kinder habe mir alle, ja alle Vorurteile, die ich \u00fcber Roma kannte best\u00e4tigt: Sie klauen, ja fast alle, sie stinken, ja viele, sie sind asozial, ja sogar die Kleinsten. Das ist ein Schock, der f\u00fcr mich gro\u00df war, dachte ich doch, die Ber\u00fchrung mit Menschen r\u00e4umt Vorurteile aus dem Weg. Hat sie auch, denn: So viele auch diese Vorurteile best\u00e4tigen, so viele Roma habe ich auch kennen gelernt, die der t\u00e4glichen Ablehnung und Diskriminierung durch die Majorit\u00e4t strotzen, die mit uns arbeiten, es gerne tun, helfen wollen, anderen Roma ein positives Vorbild sein und der Armutskultur eine Kraft entgegensetzten wollen. Vor allem aber ein \u201enormales\u201c Leben f\u00fchren m\u00f6chten, was ihnen durch Vorurteile oft verwehrt bleibt, sie werden durch die Erwartung der Gesellschaft in ihre Rolle gedr\u00e4ngt.
\nVorurteile sind deshalb schlimm, weil sie verallgemeinern, wo es falsch ist, bei Menschen. Denn trifft man einen, auf den das Vorurteil nicht zutrifft, sollte man es wegschmei\u00dfen, gleich mit all den anderen in seinem Kopf. Vorurteile taugten vielleicht in der Steinzeit zur besseren Erkennung von Gefahren, aber wir leben im Jahr 2006, also Schluss mit der Angst vor Fremden, denn diese Fremden sind so menschlich, im guten wie im schlechten, wie du und ich!<\/p>\n

Habe ich nicht weiter oben geschrieben, die Arbeit sei sch\u00f6n, bezaubernd \u2013 wie, das fragen Sie zu recht, scheint es doch so, als sei ich nur von asozialen, stinkenden Dieben umgeben? Diese Antwort ist einfach: Weil alle Kinder bezaubernd sind, weil Spielen mit Kindern immer sch\u00f6n ist, so man ein Herz hat.<\/p>\n

Was hat das also alles gebracht, denn wie oft habe ich, haben wir an unserer Arbeit gezweifelt? Das Spielen, das bezaubernde Lachen? Nein, sicher nicht, oder doch auch. Ich war am Anfang die Sensation, da kommt ein Deutscher, um mit uns zu spielen, kaum zu glauben. Aber aus dem Fremden ist nach und nach das Normale geworden. So konnten sich viele Kinder am Ende nicht vorstellen, nicht einsehen, dass ich nach den Ferien nicht wieder komme.
\nDas ist vielleicht der Sinn meines Dienstes: das Fremde wird erfahren, es wird vertraut. Ich konnte es bei sowohl bei mir sp\u00fcren wie auch bei den Kindern.<\/p>\n

Realismus meinerseits: Ich habe die Situation der Roma nicht ver\u00e4ndert. Bescheidenheit meinerseits: Ich hoffe, ich konnte ein wenig Vertrauen bei den Kindern pflanzen. Selbstvertrauen meinerseits: Ich bin mir sicher dieser Dienst mit ASF war nicht umsonst, er hat etwas ver\u00e4ndert, denn wenn sie mich vermissen, dann habe ich sie auch erreicht.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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