{"id":13,"date":"2005-09-27T13:24:00","date_gmt":"2005-09-27T13:24:00","guid":{"rendered":"http:\/\/www.onezblog.de\/?p=13"},"modified":"2005-09-27T13:24:00","modified_gmt":"2005-09-27T13:24:00","slug":"ein-tschechisches-marchen","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/raue.it\/leben\/ein-tschechisches-marchen\/","title":{"rendered":"Ein Tschechisches Märchen"},"content":{"rendered":"
Episode 1<\/p>\n
Los gings also von meinem Vater nach Hirschluch, ein Ort etwa eine knappe Stunde von Berlin entfernt, wo unser Vorbereitungsseminar stattfand. \u00dcber dieses Seminar gibt es eigentlich wenig zu berichten, es war einfach nur \u00e4tzend, mit 150 Leuten zusammengepfercht ein Programm durchziehen zu m\u00fcssen, was an Sinnlosigkeit nicht zu \u00fcberbieten war. Ich habe zwar ein paar nette Menschen wieder getroffen, die ich bereits vom Auswahlseminar kannte und mich mit ein paar neuen interessanten Leuten bekannt gemacht, die es dann halbwegs ertr\u00e4glich machten. Wir sind z.B. fast jeden Tag in einem See ganz in der n\u00e4he schwimmen gewesen. Aber sonst ging mir alles gewaltig auf den Keks.<\/p>\n
Am neunten September sind wir dann endlich nach Tschechien aufgebrochen. Aber es standen noch neun tage Seminar in Praha bevor, die einen Sprachkurs und einige sehr wenige Informationen \u00fcber das Land beinhalteten. Der Sprachkurs war allerdings absolut notwendig und hilfreich als Einstieg. Wir werden im November noch einen zweiten Kurs haben, zum erweitern unserer Sprachkenntnisse. Die Tage in Praha waren auch von der Stimmung, meiner eigenen und die der Gruppe bedeutend besser als in Hirschluch, wir waren nur noch vierzehn Freiwillige. Wir haben uns alle gut verstanden und hatten doch auch viel Spa\u00df miteinander.<\/p>\n
Ich war dennoch froh als ich ein wenig fr\u00fcher als der Rest schon am 17. nach Ostrava aufbrechen konnte. Die Zugfahrt dauerte viereinhalb Stunden, die ich mit Gespr\u00e4chen verbrachte mit Samuel, der mit mir in Ostrava ist und Christoph, der in die n\u00e4he von Ostrava kommt, aber nicht von Asf ist.<\/p>\n
Als wir am Bahnhof ankamen war ich doch sehr gespannt auf meinen Chef und die Unterkunft. Jirka, mein Chef, ist ein sehr netter Mann, der besser als gedacht Deutsch spricht, n\u00e4mlich ziemlich gut, bis jetzt kommen wir sehr gut mit einander aus.<\/p>\n
Meine Unterkunft war am Anfang mehr als unbefriedigend, ich sollte mit Samuel ein Zimmer teilen, aber da Samuel genauso erpicht darauf war Privatsph\u00e4re zu haben, hat er sich ein Zimmer gesucht und wir dort morgen einziehen, ich habe zum Gl\u00fcck hier im Wohnheim dann auch ein Einzelzimmer bekommen, in das ich morgen auch einziehen kann, ansonsten ist alles hier recht komfortabel f\u00fcr mich, alles ist einfach eingerichtet, wie man es von einem katholischen M\u00f6nchsorden erwarten w\u00fcrde, aber ich bekomme dreimal am tag essen, umsonst, was hier ein riesen Vorteil ist, da wir nur etwa 150 Euro im Monat bekommen, au\u00dferdem habe ich hier freien Internetzugang, allerdings nicht auf meinem Zimmer sondern in einem extra Internetraum, in dem ich allerdings meinen Laptop anschlie\u00dfen kann, meine W\u00e4sche wird hier gewaschen, ich muss sie nur in den Keller legen und auch sonst ist hier alles gut organisiert, ein Problem ist allerdings, es sind keine Frauenbesuche auf den Zimmern gestattet, muss ich immer wenn mich jemand besuchen kommt ein Hotelzimmer buchen, hier werde ich wohl eh erstmal keine Frauen kennen lernen, da die Sprachbarriere viel zu hoch ist.<\/p>\n
Meine Arbeit ist zwar sehr anstrengen und stressig aber auch erf\u00fcllend, es ist ein echt tolles Gef\u00fchl in gl\u00fcckliche Gesichter zu schauen, wenn man die T\u00fcr mittags aufschlie\u00dft und zu merken wie froh die Kinder sind, wenn sich jemand f\u00fcr sie Zeit nimmt, allerdings sind hier auch viele Jugendliche, die viel zu cool sind um Freude zeigen zu k\u00f6nnen, echte Ghettokids, mehr als die H\u00e4lfte der Zigeunerkinder sind schon mit zehn Jahren fest in mafi\u00f6sen Strukturen verankert, Drogen Gewalt und Vorurteile sind hier Alltag. Vor einem halben Jahr hat die Polizei hier aus dem Zentrum zwei jugendliche abgeholt, die aus einer Erziehungsanstalt abgehauen sind, der eine war dort wegen schwerer K\u00f6rperverletzung, der andere wegen Bankraub, da wir einem doch ein wenig mulmig. Aber sei\u2019s drum, die \u00e4lteren akzeptieren und respektieren mich, aufgrund meines Tischtennisk\u00f6nnens, was ich gerade wiederbelebe, da ich in der Mannschaft des Salesianer Ordens mitspiele, und ich spiele mit ihnen Billard, naja hier muss man sich Respekt erarbeiten, ich hatte einen guten Start und hoffe das sich nichts \u00e4ndert.<\/p>\n
\u00c4tzend sind nur die pubertierenden Kids, die es unheimlich lustig finden mir jegliche ihnen bekannten Schimpfw\u00f6rter an den Kopf zu werfen, in der Annahme ich w\u00fcrde sie nicht verstehen, was ja auch rein faktisch stimmt, aber sie k\u00f6nnen sich nicht vorstellen, dass es so etwas wie soziale Intelligenz gibt, die dich dennoch merken l\u00e4sst was dein gegen\u00fcber dir gerade vermitteln will, aber sei\u2019s drum, ich versuche mich nicht aufzuregen, es h\u00e4tte vermutlich eh keinen Sinn.<\/p>\n
Das Beste aber an der Arbeit und dem Leben hier ist, wie ich hier aufgenommen wurde und werde. Die Kommunikation ist sehr schwierig, da es in Tschechien nicht sehr verbreitet ist Englisch sprechen zu k\u00f6nnen, aber dennoch ist jeder bem\u00fcht seine Sprachkenntnisse irgendwie zu aktivieren um sich mit mir unterhalten zu k\u00f6nnen, mir schl\u00e4gt hier eine Freundlichkeit seitens des Hauspersonals und vor allem wichtig, die des Teams bei der Arbeit, entgegen mit der ich nicht gerechnet h\u00e4tte, eine durchweg positive Erfahrung, ich h\u00e4tte einfach mit ein bisschen mehr Vorurteilen gerechnet.
\nNaja und mein Leben nach der Arbeit existiert nicht wirklich, ich schreib ein paar Mails, geh essen, duschen, lese noch und schreibe ein paar Dinge f\u00fcr mich und falle meist sehr fr\u00fch wie ger\u00e4dert ins Bett, aber das wird sich schon noch \u00e4ndern.<\/p>\n
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