{"id":129,"date":"2008-01-31T12:43:32","date_gmt":"2008-01-31T10:43:32","guid":{"rendered":"http:\/\/www.endlosrekursion.de\/129\/betriebswirtschaftslehre-ist-eine-ausbildung\/"},"modified":"2008-01-31T12:43:32","modified_gmt":"2008-01-31T10:43:32","slug":"betriebswirtschaftslehre-ist-eine-ausbildung","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/raue.it\/gesellschaft\/betriebswirtschaftslehre-ist-eine-ausbildung\/","title":{"rendered":"Betriebswirtschaftslehre ist eine Ausbildung!"},"content":{"rendered":"
Ein ironisch, stereotyp verfasstes Pl\u00e4doyer f\u00fcr die Erhaltung der Wissenschaft und die Zur\u00fcckdr\u00e4ngung des Modells der Hochschule als Dienstleister. Nicht die Wissenschaft muss sich \u00e4ndern, nein die Wirtschaft muss ihren eigenen Regeln folgen: Ineffizienz der betriebswirtschaftlichen Ausbildung.<\/strong><\/p>\n Mit der Beurteilung anderer Wissenschaften ist die Philosophie schnell dabei, r\u00e4cht sie sich doch so f\u00fcr die dauernden Angriffe auf ihre Brauchbarkeit. Philosophie habe keinen Nutzen und warum dann in einer \u00f6konomisierten Welt daf\u00fcr Geld ausgeben. Zudem sei die Philosophie doch wunderbar geeignet, um als ausgleichendes Hobby f\u00fcr den gestressten Manager von Heute zu dienen und m\u00fcsse deshalb doch nicht universit\u00e4r betrieben werden; was das kostet.<\/p>\n Ich drehe den Spie\u00df einmal um, ob aus Boshaftigkeit, Rache oder ernsthaften wissenschaftlichen Interesse, sei dahingestellt. Ich will keinen Hehl daraus machen, dass dieses Semester in meinem Nebenfach BWL\/ VWL mich zu Tode gelangweilt hat. Ich habe mich andauernd gefragt, was macht die BWL eigentlich hier an der Universit\u00e4t, welchen Nutzen soll das haben.<\/p>\n Machen wir uns nichts vor, die BWL ist die einzige Sparte der Uni, die nicht zu Naturwissenschaft gez\u00e4hlt wird und trotzdem eine Chance bei Eliteclustern und sonstigen Luftnummern hat. BWL ist ganz, ganz wichtig in einer Welt, die der Wirtschaft dient. BWL ist die Religion des Homo \u00d6konomicus und so wird sie auch zelebriert. Kommt man in eine BWL Vorlesung wird man erstmal nichts verstehen, wenn man nicht gerade zweisprachig aufgewachsen ist mit einer emanzipierten Karrieremama und einem Businesskasper als Vater. Anfangs meint man noch, die aus dem Englischen entnommenen „Fachw\u00f6rter“ dienen dem wissenschaftlichen Betrieb und grenzen so die BWL vom normalen Sprachgebrauch des Alltags ab. Schnell aber wird einem klar, dass dieses Husarenst\u00fcck der Weltverkl\u00e4rung dem Schein doch arg zugetan ist. Hier wird ein Sprachgebrauch gepflegt, der selten mehr ausdr\u00fcckt als vergleichbarer Alltagsgebrauch, aber schnell die Spreu vom Weizen trennt, wie man so sch\u00f6n sagt. Es bilden sich schon in den ersten Wochen diejenigen Charaktere heraus, die mit Eifer dieses Neusprech \u00fcbernehmen und Fragen zur vollster Zufriedenheit der Tutoren beantworten, die nicht aussagekr\u00e4ftiger sind, als die Erkl\u00e4rungen eines Neunj\u00e4hrigern sind, warum er auf dem Flohmarkt mehr verkauft hat als seine Schwester. Diese „Elite“ der BWL Studenten wird keine Probleme haben die Multiple-Choice-Fragen in der Klausur zu verstehen, denn die Beantwortung ist streng genommen kein Problem, bzw. w\u00e4re kein Problem f\u00fcr Studenten mit einigerma\u00dfen gesundem Menschenverstand, wenn sie nicht so verkl\u00e4rend gestellt w\u00e4ren.<\/p>\n Aber der Sprachgebrauch ist nicht das Abgrenzungskriterium, dass ich anf\u00fchren m\u00f6chte. Eine jede Wissenschaft bildet einen sprachlichen Zirkel heraus, der weniger der Wissenschaft, mehr aber dem Habitus dient. Gerade Philosophen sind da hervorragende Aufschneider. Den Unterschied macht die Begr\u00fcndungsstrategie, die ich nicht werten m\u00f6chte, sondern auf wissenschaftliches Interesse hin untersuchen will:<\/p>\n Der sprachgewandte Philosoph wird dir mit dem Verstehen durch Sprache kommen und dich wortgewaltig auf die notwendige Pr\u00e4zisierung von Sprache hinweisen. Erkenntnis, Verstehen und folgend Wissen manifestiert sich nur in Sprache und einer plumpen Sprache entspringt eine plumpe Welt.<\/p>\n Der BWLer aber wird eine ganz andere Strategie fahren und dir etwas von globalisierter Wissenschaft erz\u00e4hlen, von praktischer Anwendung in Unternehmen und davon, dass du ohne „Fachwissen“ in globalisierten Unternehmen keinen Fu\u00df in die T\u00fcr bekommen wirst. Denn wer will schon in den Mittelstand, das ist was f\u00fcr die Studenten, die „es“ nicht verstanden haben. Ist er etwas weniger elit\u00e4r eingestellt, wird er sogar auf die immer weiter fortschreitende Internationalisierung des Mittelstands verweisen. Er betont den praktischen Nutzen dieser Wissenschaftsentwicklung und die Gesellschaft jubelt ihm zu. Der Nutzen ist Geld und mehr Geld hat doch jeder gerne.<\/p>\n Ob jetzt durch eine philosophisch verkomplizierte Welt dieser auch einen Nutzen in Form rollender Rubel bringt, will ich beiseite schieben und lieber den Nutzen in der wissenschaftlichen Betriebswirtschaftslehre untersuchen. Stellen sich die BWLer diesem denn?<\/p>\n Zun\u00e4chst einmal sei festgestellt, dass der BWL auch noch einen Stiefbruder beiseite sitzt: die Volkswirtschaftslehre. Verp\u00f6nt als abgedrehte Sichtweise, die kein bisschen weiterhilft schnell Million\u00e4r zu werden und mit seinem Mercedes reihenweise Frauen abschleppen zu k\u00f6nnen, ist sie doch Pflicht im Studium der BWL. Hier soll der Manager von Morgen ein Gesp\u00fcr f\u00fcr gesamtwirtschaftliche Zusammenh\u00e4nge bekommen, damit er sp\u00e4ter auch die Riesenhobel unter den Konzernen l\u00e4ssig leiten kann. Der BWLer an sich strebt. Er strebt rational. So jedenfalls die Theorie.<\/p>\n Dieser Stiefbruder piesackt ihn aber ungemein, kann er doch sein neu erworbenes „Fachwissen“ nur bedingt anwenden. Auch in der VWL tauchen diese denglischen W\u00f6rter auf, doch verbinden sich diese auf einmal mit theoretischen Zusammenh\u00e4ngen, die nicht durch Vokabelk\u00e4rtchen zu erfassen sind. In der VWL ist die Mathematik noch nicht durch Phrasen ersetzt worden; hier wird gerechnet und gezeigt, statt zu reden und zu machen. Vor allem wird hier das Modell noch nicht als Wirklichkeit verkauft.<\/p>\n Hier soll allerdings nicht der Eindruck entstehen, dass die BWL keine Wissenschaft sei. Wer einmal entgegen der ungeschriebenen Regeln des Studiums in die Werke der Klassiker oder auch moderner Gr\u00f6\u00dfen geschaut hat, der wird schnell feststellen, dass hier das Wissen (fast) aller Wissenschaften genutzt und auf die \u00f6konomische Praxis \u00fcbertragen wird. Man kann durchaus nahezu alle Bereiche des Lebens mit wirtschaftlichen Grunds\u00e4tzen erkl\u00e4ren bzw. feststellen, dass in allen Bereichen wirtschaftliche Zusammenh\u00e4nge eine Rolle spielen. Nur spiegelt sich das eben nicht im Studium wieder. Hier wird impliziert, dass der Student nach praktischen Wissen verlangt, das ihm im sp\u00e4teren Berufsleben hilft seine Managerrolle ausf\u00fcllen zu k\u00f6nnen. Die Wirtschaft interessiert ihn nicht die Bohne, seine wirtschaftliche Lage wird durch sein Gehalt bestimmt. Wirtschaft geht nur so weit, als es sein Gehalt beeinflusst. Damit will ich keine Stereotypen weiter festigen, sondern ziehe nur meine Lehre aus dem Studienaufbau der BWL.<\/p>\n Doch wenn die BWL eine reine Ausbildung zum Manager sein soll, dann ist zu fragen, ob das sinnvoll, also \u00f6konomisch effizient, an der Universit\u00e4t geschehen sollte. Ein Handwerker wird im Betrieb ausgebildet weil er praktisch zu lernen hat, was er in seinem beruflichen Leben praktisch anwenden soll. Was also hat die BWL an der Uni zu suchen, wenn hier Manager praktisch von Leuten ausgebildet werden, die nur theoretisches Wissen \u00fcber die Praxis haben? Das ist ineffizient.<\/p>\n W\u00e4re es da nicht sinnvoller BWLer in Betrieben\/ Unternehmen ausbilden zu lassen und die Betriebe eng an die Hochschule zu binden, um ihnen von Theoretikern aufgedeckte Zusammenh\u00e4nge aufzuzeigen und so die betriebliche Praxis zu bereichern? Sicher, genau das wird zur Zeit erprobt und \u00fcberall als Erfolgsmodell pr\u00e4sentiert. Hochschulen betrieblicher zu gestalten ist aber genau falsch herum gedacht. Denn nicht die Praktiker sollten in die Hochschule r\u00fccken, sondern die praktisch Auszubildenden zu den Praktikern. An der Universit\u00e4t wird Theorie im Ideal zu sp\u00e4terer erfolgreicher Praxis f\u00fchren, aber um diesen praktischen Fortschritt nicht zu gef\u00e4hrden muss die Theorie erhalten bleiben. Momentan k\u00f6nnen wir aber einen genau umgekehrten Prozess feststellen. Hochschule als Dienstleistungsunternehmen f\u00f6rdert die Praxis, nicht die theoretische Freiheit und Pluralit\u00e4t.<\/p>\n Nicht die Geisteswissenschaft liegt falsch, wenn sie ihren direkten praktischen monet\u00e4ren Nutzen nicht zu ihrem Ziel macht, sondern die BWL, wenn sie denkt, dass durch Praxis Theorie entsteht, wie das in den Naturwissenschaften der Fall sein kann. Aber die BWL ist keine Naturwissenschaft, sondern bedingt sich aus den mikro- und makro\u00f6konomischen \u00dcberlegungen der VWL, die kulturwissenschaftlich vorgeht. BWL muss dann genau das leisten, was das Handwerk mit der Physik verbindet: Theoretische \u00dcberlegungen umsetzen und so f\u00fcr die Gesellschaft zu einem direkten Nutzen zu f\u00fchren. Sollte die BWL erst einmal outgesourced sein, wird sie schon schnell genug erkennen, welchen Nutzen der Stiefbruder VWL ihr bringt und sich, ganz marktwirtschaftlich, enger an die Hochschule binden. Ein Austausch von Hochschule und Wirtschaft ist unerl\u00e4sslich f\u00fcr einen technologischen Fortschritt, aber nicht mit der Zur\u00fcckdr\u00e4ngung der Forschung zu bezahlen.<\/p>\n Deswegen fordere ich: Betriebswirtschaftlehre als Ausbildung! F\u00fcr unser aller Wohl.<\/strong><\/p>\n \n","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Ich fordere die Betriebswirtschaftslehre auf, ihren eigenen Regeln zu entsprechen, und die Hochschule als E&F Abteilung von praktischen Zielen insofern zu verschohnen, als sie dem gesellschaftlichen Forts chritt in Geist und Technik dienen und sich mit ihren praktischen Zielen auf sich selbst zu richten. DIe BWL ist eine Ausbildung und sollte insofern auch ausgebildet werden: in den unternehmen und nicht an der Hochschule.<\/p>\n","protected":false},"author":1,"featured_media":0,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[3],"tags":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/129"}],"collection":[{"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/users\/1"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=129"}],"version-history":[{"count":0,"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/129\/revisions"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=129"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=129"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/raue.it\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=129"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}