{"id":1206,"date":"2011-01-31T19:57:08","date_gmt":"2011-01-31T18:57:08","guid":{"rendered":"http:\/\/www.raphael-raue.de\/?p=482"},"modified":"2021-04-01T15:35:35","modified_gmt":"2021-04-01T13:35:35","slug":"warum-haben-wir-eigentlich-so-grosse-angst-vor-dem-sex","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/raue.it\/gesellschaft\/warum-haben-wir-eigentlich-so-grosse-angst-vor-dem-sex\/","title":{"rendered":"Warum haben wir eigentlich so gro\u00dfe Angst vor dem Sex?"},"content":{"rendered":"

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Man muss nicht Foucault gelesen haben um mit einem Blick in die Gesellschaft oder die Geschichte unserer Gesellschaft gewisse Machtanspr\u00fcche zu identifizieren die sich auf Sex,<\/a> Pornografie und Erotik beziehen. Moralische, rechtliche, kulturelle sowie kommunikative Anspr\u00fcche finden sich in jeder mir bekannten Gesellschaft und beziehen sich immer sowohl auf das \u00f6ffentliche sowie das private Leben. In kaum einem Bereich ist Verschmelzung von Individuum und Gesellschaft so stark. Ich frage mich warum das so ist.<\/p>\n

Schwimmen zwei junge Fische daher und treffen auf einen \u00e4lteren Fisch, der in die andere Richtung schwimmt, ihnen zunickt und sagt: \u201eMorgen, Jungs. Wie ist das Wasser?\u201c Und die beiden jungen Fische schwimmen noch ein bisschen, bis der eine schlie\u00dflich zum andern r\u00fcbersieht und sagt: \u201eWas zur H\u00f6lle ist Wasser?\u201c David Foster Wallace<\/p><\/blockquote>\n

Wenn wir \u00fcber Sex reden, meinen wir meist nur unseren eigenen Sex. Wenn wir \u00fcber Pornografie reden, meinen wir meist nur die anderen, die entweder verheimlichend oder stilisierend dar\u00fcber reden. Wenn wir \u00fcber Erotik reden, reden wir immer nur \u00fcber die der anderen. Ich bin geil, das ist hei\u00df, ich bin so, der ganz anders, ich w\u00fcrde gern, ich h\u00e4tte doch, k\u00f6nnten wir nicht. Das ist nicht der Sex, den ich meine, \u00fcber den ich reden will. Das ist der Sex, \u00fcber den ihr mit euren Freunden und Freundinnen redet. Ich meine Sex als gesellschaftlich, kulturell und rechtlich formiertes Konstrukt, das wir immer in den Gespr\u00e4chen mit Freunden und Bekannten mittragen. Diverenzen geh\u00f6ren mit zum System, Einheitlichkeit wird durch begrenzte Differenzierungsm\u00f6glichkeiten hergestellt. So lautet Foucaults These und wichtig ist dabei zudem, dass hergestellt nicht jemanden meint. Jedenfalls niemand Konkretes. Wir alle und keiner stellen das her. Aber ich will das nicht theoretischer machen als notwendig.<\/p>\n

Deshalb konkret. Aber ohne nur das folgende Beispiel damit zu meinen. Reden wir \u00fcber Pornos, das Internet und gesellschaftliche sowie famili\u00e4re F\u00fcrsorge. Warum meinen wir als Gesellschaft eigentlich unsere Kinder vor etwas sch\u00fctzen wor\u00fcber wir uns im Klaren sind, wie die Fische \u00fcber das Wasser im Zitat von Wallace? Wenn ich die Begr\u00fcndungen und Interpretationen von P\u00e4dagogen lese, weshalb wir unsere Kinder vor schmuddeligem Sex sch\u00fctzen m\u00fcssen, steht mir der kalte wissenschaftstheoretische Angstschwei\u00df auf der Stirn. Ihr kennt alle diese Studien, denn sie flie\u00dfen sp\u00e4testens beim n\u00e4chsten Amoklauf wieder in die aktuelle Berichterstattung ein.<\/p>\n

Aber nicht nur die flatulenzierende P\u00e4dagogik erzieht uns in Sachen Erziehung. Ich hatte in letzter Zeit einige Gespr\u00e4che \u00fcber das Thema und selbst Menschen, die regelm\u00e4\u00dfig in den Puff gehen und keine SM-Fete auslassen vertreten die Meinung auch offensiv in jede Richtung, die vielleicht anderer Meinung sein k\u00f6nnte, dass Pornos f\u00fcr Jugendliche mindestens den neurotischen Tod bedeuten. Ich frage noch einmal, denn vielleicht gibt es ja doch jemanden mit fundierten Argumenten, der mir verraten kann, warum wir meinen Pornos, Sexualit\u00e4t und Erotik seien etwas, vor dem man und junge man’s im Speziellen gesch\u00fctzt werden m\u00fcssen?<\/p>\n

Die gepr\u00fcgelte amerikanische Kultur zeigt vielleicht am Besten, was ich meine. Filme mit allerbrutalsten Enthauptungsmetzeleien sind erlaubt, aber schon angedeutete Nippel oder \u00f6ffentliches Stillen sind in unterschiedlicher Weise unter Strafe gestellt. Man kann jetzt mit religi\u00f6ser Pr\u00fcderie kommen und da einen roten Faden finden, der zwar die Genese erkl\u00e4rt, aber immer noch nicht, welche Interesse wir scheinbar daran haben, uns, unsere Kinder und die Gesellschaft immer wieder vor Gefahren zu warnen, die wir nicht kennen.<\/p>\n

Warum glauben wir eigentlich, dass mehr Sex, weniger sexuelle Abh\u00e4ngigkeit und meinetwegen auch mehr Sportficken wie in den Pornos automatisch zum Verfall der Gesellschaft f\u00fchren wird? Was treibt uns, das nicht nur zu glauben, sondern es mit einer solchen Inbrunst zu glauben, dass wir es von Generation zu Generation weiter geben? Gef\u00fchle wie Scham und Eifersucht werden einseitig gef\u00f6rdert und f\u00fcr nat\u00fcrlich erkl\u00e4rt, w\u00e4hrend Neugierde und Wissensdrang nicht oder erst ab einem gewissen Alter toleriert werden. Ebenso „nat\u00fcrlich“ und in anderen Gebieten unserer Kultur nicht nur toleriert, sondern sogar gefordert und mit Druck verbunden, scheinen wir dem Sex immer noch eine Angst entgegenzubringen, die ich mir nicht erkl\u00e4ren kann.<\/p>\n

Ich bin auf eure Kommentare gespannt.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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