{"id":1192,"date":"2007-07-17T16:38:24","date_gmt":"2007-07-17T15:38:24","guid":{"rendered":"http:\/\/philosophie.raphael-raue.de\/2007\/07\/17\/kallikles-und-nietzsche-ein-vergleich\/"},"modified":"2007-07-17T16:38:24","modified_gmt":"2007-07-17T15:38:24","slug":"kallikles-und-nietzsche-ein-vergleich","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/raue.it\/allgemein\/kallikles-und-nietzsche-ein-vergleich\/","title":{"rendered":"Kallikles und Nietzsche: Ein Vergleich"},"content":{"rendered":"
Ich m\u00f6chte in diesem Vergleich \u00c4u\u00dferungen des Kallikles in Platons Dialog \u201eGorgias\u201c mit denen Friedrich Nietzsches Vergleichen und kl\u00e4ren, inwieweit sich die Positionen unterscheiden. Daf\u00fcr werde ich nicht die Widerlegung des Kallikles durch Sokrates hinzuziehen, sondern nur die Ausgangsposition des Kallikles betrachten.Deshalb sei angemerkt, dass Kallikles im Verlauf des Gespr\u00e4chs mit Sokrates einige Male widerspricht und seine Position sich wandelt, ohne jedoch die Kernaussage zu verlieren. Diese f\u00fchrt Sokrates auf einen Widerspruch.Zun\u00e4chst eine Eingliederung in den Kontext des Dialogs, um die Aussage des kallikles besser einordnen zu k\u00f6nnen: Sokrates diskutiert mit Polos dar\u00fcber, was besser sei: Unrecht tun oder Unrecht leiden? Sie kommen zu dem Schluss, das Unrecht leiden besser sei, als Unrecht tun und daraufhin tritt Kallikles in das Gespr\u00e4ch ein, der nicht glauben kann, dass dies kein Scherz von Sokrates sei. Kallikles vertritt im folgenden die Gegenteilige Position. Aus dieser Position werde ich nun einige Textstellen heraus greifen und sie zun\u00e4chst unkommentiert einigen Zitaten Nietzsches gegen\u00fcberstellen:1. Kallikles\u201eF\u00fcr einen Mann ist das Unrechleiden ja kein annehmbarer Zustand\u201c (Alle hier aufgef\u00fchrten Zitate des Kallikles sind aus Platons Dialog \u201eGorgias\u201c 483 B-E entnommen.)1.1 Nietzsche\u201eDie vornehme Art Mensch f\u00fchlt sich als werthbestimmend, sie hat nicht n\u00f6thig, sich gutheissen zu lassen, sie urtheilt was mir sch\u00e4dlich ist, das ist an sich sch\u00e4dlich, sie weiss sich als Das, was \u00fcberhaupt erst Ehre den Dingen verleiht, sie ist wertheschaffend.\u201c (Friedrich Nietzsche. Jenseits von gut und B\u00f6se: 260. S. 209.)2. Kallikles\u201eDoch die Gesetze, glaube ich, sind von den Schwachen und von der gro\u00dfen Masse gemacht. Zu ihren Gunsten und zu ihrem eigenen Nutzen stellen diese die Gesetze auf\u201c2.1 Nietzsche\u201eSo lange die N\u00fctzlichkeit, die in den moralischen Werthurtheilen herrscht, allein die Heerden-N\u00fctzlichkeit ist, so lange der Blick einzig der Erhaltung der Gemeinde zugewendet ist, und das Unmoralische genau und ausschliesslich in dem gesucht wird, was dem Gemeindebestand gef\u00e4hrlich scheint: so lange kann es keine \u201eMoral der N\u00e4chstenliebe\u201c gebe. Friedrich Nietzsche. Jenseits von Gut und B\u00f6se: 201. S.121.3. Kallikles\u201eDenn da sie [die Schwachen] weniger wert sind, sind sie, glaube ich, zufrieden, wenn sie nur den gleichen Anteil haben.\u201c3.1 Nietzsche\u201eUmgekehrt werden die Eigenschaften hervorgezogen und mit Licht \u00fcbergossen, welche dazu dienen, Leidenden das Dasein zu erleichtern: hier kommt das Mitleiden, die gef\u00e4llige h\u00fclfsbereite Hand, das warme Herz, die Geduld, der Flei\u00df, die Demuth, die Freundlichkeit zu Ehren.\u201c Friedrich Nietzsche. Jenseits von Gut und B\u00f6se: 206. S. 211.Die inhaltliche N\u00e4he dieser drei Zitate ergibt sich aus diesen selbst und muss nicht weiter erl\u00e4utert werden. Doch ich m\u00f6chte dennoch auf die Position des Kallikles eingehen um dann die Unterschiede Nietzsches auszumachen.Kallikles Position ist eine nicht-moralische. Er lehnt das Gesetz ab und beruft sich auf die Regeln der Natur. Das Gesetzt steht hier f\u00fcr sittliche Gesetze und moralische Vorschriften, die die Gemeinschaft macht. Kallikles mein, dass diese Gesetze nur gemacht w\u00e4ren um den Schwachen zu dienen und somit die Starken knechte. Diese h\u00e4tten aber von Natur aus das Recht zu herrschen. Er akzeptiert die Geltung einer Moral nicht, da sie der Natur widerspreche. Moral ist eine Erfindung der Schwachen. Kallikles will keine andere Moral, sondern \u00fcberhaupt keine Moral. Seine Argumentation ist begr\u00fcndet auf die Existenz eines Naturrechts des St\u00e4rkeren.Hier sehe ich den Unterschied zur Position Nietzsches. Die drei Zitate sind aus dem Werk \u201eJenseits von gut und B\u00f6se\u201c welches eine Analyse der Moral vornehmen m\u00f6chte um diese zu revidieren. Nietzsche zeigt auf, dass Moral ein philosophisches Problem ist. Das hei\u00dft, nicht nur ethische Grunds\u00e4tze und moralische Gesetze sind problematisch und m\u00fcssen auf ihre Geltung hin untersucht werden, sondern die Moral \u00fcberhaupt. So versucht Nietzsche zu zeigen, dass das, was als Moral verstanden wird, ohne Begr\u00fcndung der Existenz von Moral keine Geltung haben kann. Die Zitate m\u00fcssen also im philosophischen Kontext gesehen werden. Kallikles geht von einem Naturrecht aus, dass dem moralischen Gesetz widerspricht. Nietzsche untersucht Moral und findet in ihr Widerspr\u00fcche. Das sind ganz unterschiedliche Argumentations- und Reflexionsans\u00e4tze. Kallikles begeht den selben Fehler, den Nietzsche Moraltheoretikern vorwirft: Er geht von einem Gesetz aus, dessen Existens erst bewiesen werden m\u00fcsste. Kallikles Argumentation steht und f\u00e4llt mit der Behauptung des Naturrechts. Er setzt lediglich an die Stelle der moralischen Gesetze die nat\u00fcrlichen Gesetze, so wie er sie sieht, ohne daf\u00fcr Gr\u00fcnde anzugeben. Beispiele aus dem Tierreich sind seine einzige Untermauerung, diese k\u00f6nnen aber nicht als Gr\u00fcnde gelten, da Beispiele niemals Gesetzm\u00e4\u00dfigkeiten beweisen oder begr\u00fcnden k\u00f6nnen.Ob Nietzsche ebenfalls zu einer Art Naturrecht in seinen \u00dcberlegungen kommt, oder ob seine Philosophie eher eine Tugend-Moral darstellt ist umstritten. Es kann jedoch festgehalten werden, dass Nietzsche ganz anders an das Problem herangeht, als dies Kallikles tut. Seine Methode ist die philosophische. Er hinterfragt Moral und kommt so zu Schl\u00fcssen, die denen des Kallikles \u00e4hneln, aber keinesfalls die gleichen sind. Zudem sind diese Schl\u00fcsse nicht das Ende seiner philosophischen \u00dcberlegung, sondern stellen lediglich die Grundlage seiner praktischen Philosophie dar.Ich habe in diesem Text gezeigt, dass sich die Positionen Nietzsches und Kallikles deutlich unterscheiden. Sowohl in ihrer inhaltlichen Bedeutung, als auch in der Herangehensweise. Kallikles lehnt die philosophische Betrachtung ab und gr\u00fcndet seine Position nur auf einer Gegenbehauptung. Nietzsches Position zeichnet sich aber durch philosophische Reflexion aus.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
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