Man muss nicht Foucault gelesen haben um mit einem Blick in die Gesellschaft oder die Geschichte unserer Gesellschaft gewisse Machtansprüche zu identifizieren die sich auf Sex, Pornografie und Erotik beziehen. Moralische, rechtliche, kulturelle sowie kommunikative Ansprüche finden sich in jeder mir bekannten Gesellschaft und beziehen sich immer sowohl auf das öffentliche sowie das private Leben. In kaum einem Bereich ist Verschmelzung von Individuum und Gesellschaft so stark. Ich frage mich warum das so ist.

Schwimmen zwei junge Fische daher und treffen auf einen älteren Fisch, der in die andere Richtung schwimmt, ihnen zunickt und sagt: „Morgen, Jungs. Wie ist das Wasser?“ Und die beiden jungen Fische schwimmen noch ein bisschen, bis der eine schließlich zum andern rübersieht und sagt: „Was zur Hölle ist Wasser?“ David Foster Wallace

Wenn wir über Sex reden, meinen wir meist nur unseren eigenen Sex. Wenn wir über Pornografie reden, meinen wir meist nur die anderen, die entweder verheimlichend oder stilisierend darüber reden. Wenn wir über Erotik reden, reden wir immer nur über die der anderen. Ich bin geil, das ist heiß, ich bin so, der ganz anders, ich würde gern, ich hätte doch, könnten wir nicht. Das ist nicht der Sex, den ich meine, über den ich reden will. Das ist der Sex, über den ihr mit euren Freunden und Freundinnen redet. Ich meine Sex als gesellschaftlich, kulturell und rechtlich formiertes Konstrukt, das wir immer in den Gesprächen mit Freunden und Bekannten mittragen. Diverenzen gehören mit zum System, Einheitlichkeit wird durch begrenzte Differenzierungsmöglichkeiten hergestellt. So lautet Foucaults These und wichtig ist dabei zudem, dass hergestellt nicht jemanden meint. Jedenfalls niemand Konkretes. Wir alle und keiner stellen das her. Aber ich will das nicht theoretischer machen als notwendig.

Deshalb konkret. Aber ohne nur das folgende Beispiel damit zu meinen. Reden wir über Pornos, das Internet und gesellschaftliche sowie familiäre Fürsorge. Warum meinen wir als Gesellschaft eigentlich unsere Kinder vor etwas schützen worüber wir uns im Klaren sind, wie die Fische über das Wasser im Zitat von Wallace? Wenn ich die Begründungen und Interpretationen von Pädagogen lese, weshalb wir unsere Kinder vor schmuddeligem Sex schützen müssen, steht mir der kalte wissenschaftstheoretische Angstschweiß auf der Stirn. Ihr kennt alle diese Studien, denn sie fließen spätestens beim nächsten Amoklauf wieder in die aktuelle Berichterstattung ein.

Aber nicht nur die flatulenzierende Pädagogik erzieht uns in Sachen Erziehung. Ich hatte in letzter Zeit einige Gespräche über das Thema und selbst Menschen, die regelmäßig in den Puff gehen und keine SM-Fete auslassen vertreten die Meinung auch offensiv in jede Richtung, die vielleicht anderer Meinung sein könnte, dass Pornos für Jugendliche mindestens den neurotischen Tod bedeuten. Ich frage noch einmal, denn vielleicht gibt es ja doch jemanden mit fundierten Argumenten, der mir verraten kann, warum wir meinen Pornos, Sexualität und Erotik seien etwas, vor dem man und junge man’s im Speziellen geschützt werden müssen?

Die geprügelte amerikanische Kultur zeigt vielleicht am Besten, was ich meine. Filme mit allerbrutalsten Enthauptungsmetzeleien sind erlaubt, aber schon angedeutete Nippel oder öffentliches Stillen sind in unterschiedlicher Weise unter Strafe gestellt. Man kann jetzt mit religiöser Prüderie kommen und da einen roten Faden finden, der zwar die Genese erklärt, aber immer noch nicht, welche Interesse wir scheinbar daran haben, uns, unsere Kinder und die Gesellschaft immer wieder vor Gefahren zu warnen, die wir nicht kennen.

Warum glauben wir eigentlich, dass mehr Sex, weniger sexuelle Abhängigkeit und meinetwegen auch mehr Sportficken wie in den Pornos automatisch zum Verfall der Gesellschaft führen wird? Was treibt uns, das nicht nur zu glauben, sondern es mit einer solchen Inbrunst zu glauben, dass wir es von Generation zu Generation weiter geben? Gefühle wie Scham und Eifersucht werden einseitig gefördert und für natürlich erklärt, während Neugierde und Wissensdrang nicht oder erst ab einem gewissen Alter toleriert werden. Ebenso „natürlich“ und in anderen Gebieten unserer Kultur nicht nur toleriert, sondern sogar gefordert und mit Druck verbunden, scheinen wir dem Sex immer noch eine Angst entgegenzubringen, die ich mir nicht erklären kann.

Ich bin auf eure Kommentare gespannt.

Kommentare

Ich mutmaße, woher das kommen könnte:Vielleicht hat es etwas mit der Reinheit zu tun. Das hört sich zuerst etwas ätherisch an! Ich versuche es zu erklären: Der Mensch hat eine gewisse, überschaubare Palette an Grundbedürfnissen: er muss schlafen, essen und sich anschließend entleeren….und natürlich auch Sex haben. Doch letzteres Bedürfnis unterscheidet sich von den anderen und damit auch Kinder von Erwachsenen. Kinder müssen nicht Ficken!Man kann natürlich, ganz im Sinne von Freud, einwenden, dass auch Kinder eine Sexualität haben. Das mag auch stimmen, aber es ist doch so; steckt man einen Jungen von 5 Jahren und ein Mädchen im gleichem Alter zusammen werden sie sich höchstens neugierig untersuchen, vielleicht auch Dinge ausprobieren, die Sexuellen nahe kommen. Ich behaupte, dass die Wahrscheinlichkeit das ein Mann und eine Frau in selber Situation übereinander her fallen, sehr viel wahrscheinlicher ist. Man könnte argumentieren, das hätte damit zu tun, dass die Kinder nicht wüssten was Sex ist, ich behaupte aber, die selbe Intensität wie bei Erwachsenen würde nicht erreicht werden, nur eine Imitation. Kinder haben einfach noch keine Lust (oder nicht die selbe wie Erwachsene).Was haben Kinder noch? Kinder haben Träume, Möglichkeiten, Potential, Kinder haben noch nicht gelernt das Ende manchmal auch heißt, es gibt kein Wiedersehen. Kinder haben keine Verantwortung und Kinder können völlig aufrichtig lachen. Kinder weinen um gehört zu werden, weil jemand kommt um sie zu trösten und weil sie nicht wissen, dass es nicht für alles eine Lösung gibt…..Mal ehrlich: das wünscht sich jeder. Warum sonst verklären wir alle unsere Kindheit?Und diesen Wunsch nach dem eigenen Kind-sein überträgt man auf die Kinder. So lange wie möglich sollen sie in diesem Zustand verweilen und die Engel sein, für die ihre Mütter sie halten. So lange wie möglich sollen sie niemand anderes wollen als eben diese Mutter und eben kein sexuelles Begierde nach dem anderen Geschlecht habe. Wir wollen keine fickenden Kinder! Wir wollen unserer Welt ein bisschen Reinheit bewahren.Deswegen ist ein Kind und ein Porno ein unanständiges Gedankenpaar.Zudem meine ich wirklich, dass die Konfrontation mit Sex für Kinder schädlich seien kann, nämlich eben in der verklemmten Gesellschaft in der Sex und Kinder partout nicht zusammen gehören und getrennt werden müssen. Diese bedingt nämlich, dass Kindern nicht erklärt wird was Sex ist. Ich habe einmal ein Buch gelesen. Ein kleiner Junge beschreibt darin seine erste Erfahrung mit Sex. Er sieht seine Eltern dabei und ist furchtbar verängstigt. Er denkt seine Eltern kämpfen fürchterlich. (Und mal ehrlich; das kann schon mal so aussehen.) Deswegen sollte man Kindern erklären was Sex ist, oder um es mit den Worten meines Öko-Alt68er-Grundschullehrers zu sagen: „Wie die Erwachsenen sich lieben.“