Ein Tagungsbericht würde wohl nur langweilen und auch keinem der Vortragenden gerecht werden. So lasse ich einfach meine Gedanken zur intensiven Woche in Venedig fließen. Gestern Abend bin ich wiedergekommen und habe erstmal dreizehn Stunden geschlafen, denn die Intensität hat sich vor allem in reduziertem Schlaf ausgewirkt.
Ich war auf der Tagung Imago Mortis an der Venice International University eingeladen, die vom Projekt Tod und toter Körper organisiert wurde, an dem ich dieses Semester mitarbeiten werde. So gesehen war es ein erstes Schnuppern in philosophischen Alltag wissenschaftlicher Ebene, der nicht aus alleinigem Lesen und Schreiben in der eigenen Kammer bestand. Wir haben immer von neun bis dreizehn Uhr gearbeitet, um danach weiterzudiskutieren und uns auszutauschen im Anblick und Gedränge der Stadt Venedig. An dieser Stadt kann man sich nicht satt sehen.
Venedig ist zwar eine dieser typischen Touristenstädte aber anders als Paris oder ähnliche Städte drückt sich das im Stadtbild nicht so stark aus, denn die Wege und Möglichkeiten sind, trotz der geringen Fläche, so ungemein vielfältig, dass es nur ein paar Orte gibt, wo kaum Venezianer anzutreffen sind. Der Markusplatz wäre da zu nennen.Venedig ist eine der Städte, in der man sich ständig verläuft und beschreibt den Eindruck von ihr vor allem dadurch. Wann immer man die falsche Gasse wählt, landet man am Wasser. Sackgassen sind durch Kanäle begrenz. Man läuft nie ins Nichts, sondern trifft immer auf die Eigenart dieser Stadt.
Das Seminar fand in den Räumlichkeiten der Venice International University auf der Insel San Servolo statt und es gibt wenig geistvollere Orte. Es ist hier nicht unbedingt die Geschichte, sondern das Mediterrane und die Gestaltung durch viel Park, Bänke und der Blick aufs Meer, die eine thematische Fokussierung mit Öffnung zum Weiten zulässt.
Das Projekt ist eine transdisziplärene Kooperation aus Soziologie, Medizin, Philosophie und Recht, die den Tod und den toten Körper sowie die Auswirkungen und die Relevanz auf unsere Gesellschaft aufzeigen will. Der Tod als Teil unserer Existenz, um es mal ganz vage zu formulieren, ist durch die vorwegnehmende Vorstellung ein nicht unerheblich prägender Teil unserer Lebensführung, -praxis und eben auch unserer Gesellschaft. Fragen der Orgentransplantation, Kriterien zur Feststellung des Todeseintritts, Darstellung in Film, Literatur und der Kunst waren ebenso Teil der Tagung wie die ethischen Implikationen der jeweiligen Vorstellung. Ich hätte nicht erwartet, dass es so schwierig sein würde ein Modell der Beschreibung zu finden, was alle Aspekte einschließt, dabei aber nicht widersprüchlich ist oder einzelne Bereiche ungerechtfertigt reduziert. Wenn man möchte kann man an diesem Problem alle andere Probleme unseres Lebens festmachen.
Auch wenn mich seit jeher praktische Folgen philosophischer Arbeit nur bedingt interessieren, freue ich mich auf die Arbeit an dem Projekt, denn es ist weiter angelegt, als ich zunächst gedacht habe. Hoffentlich kann ich nächstes Jahr wieder in Venedig dabei sein.
Kommentare
Erst gestern wurde ich mit diesem Thema konfrontiert! Beim Gottesdienst sprach der Pfarrer über den Tod als anhaltendes Tabuthema. Und er hat recht! Unsere Gesellschaft hält an der Tradition des Verdrängens fest, anstatt sich auf eine neue Tradition des VerARBEITENS einzulassen! Daher entstand bei mir der Eindruck, dass das von Ihnen vorgestellte Projekt ein Ansatz zur Lösung unserer Verdrängung der Trauer ist!PS: Organtransplantation nicht Orgen… 😉