Philosophen sind das zynische Gewissen jeder Gesellschaft. Das ist nicht ihr Selbstverständnis, sondern wird ihnen angetragen. Dass diese Festschreibung aber nicht ganz fern liegt, liegt am Selbstverständnis der Philosophie, die sich selbst immer als kritische Wissenschaft versteht. Es ist viel unternommen worden, um diese Selbsteinschätzung argumentativ einzuholen. Mehr oder weniger erfolgreich. Meiner Meinung nach ist dieses Selbstverständnis aber das Resultat des notwendig zynischen Umgangs eines Philosophen mit der Philosophie. Dieser notwendig zynische Umgang kann eventuell wieder der Philosophie bzw. ihrem Forschungsbereich innegelegt werden. Aber um diesen Schritt will ich mich hier nicht kümmern.
Philosoph zu sein ist eine komische Angelegenheit, die mit nichts anderem vergleichbar ist, das ich in meinem noch recht jungem Leben kennengelernt habe. Die Zuschreibung “Ich bin ein Philosoph” ist nie alleine zu machen. Immer muss man dieser Beschreibung einen kritischen Zusatz mit beigeben, ansonsten wird es nicht akzeptiert. Weder durch andere “Philosophen” noch von sich selbst. „Ich bin Philosoph“ ist ein Paradox, auf das Heidegger bspw. reagiert hat, indem er sich in späteren Jahren nur noch ablehnend dazu verhalten hat und sich “Denker” genannt hat. Man kann jetzt in seinem Werk Gründe dafür suchen, denn diese sind sicher zahlreich vorhanden, aber ich möchte gerne einen persönlicheren Weg gehen.
Nur Philosophie zu betreiben ist nach einigen kritischen Wenden des 20. Jahrhunderts eigentlich nicht mehr möglich. Man müsste sich als Handwerker der Philosophie verstehen, würde sich immer selbst mit dem Vorwurf der Tautologie konfrontiert sehen. Philosoph zu sein ist ein gewisser methodischer Zugang, über die Philosophie selbst aber kann man damit dennoch kaum etwas aussagen. Ich betreibe Philosophie bedeutet, dass man sich philosophisch mit etwas anderem beschäftigt. Damit meine ich nicht die willkürlich gewachsene Einteilung in verschiedene Wissenschaften, sondern dem Wegfall der Beschäftigung mit klar umrissenen Entitäten, wie es vielleicht bisKant noch üblich war. Da will ich mich geschichtlich nicht unbedingt festlegen. Aber heutePhilosophie zu betreiben heißt vor allem auf Fragen des Lebens zu antworten. Das mag in der anglo-amerikanischen Welt noch anders aussehen, aber dass würde ich hier gerne ausblenden. Die Frage des Sinns des Lebens wird von mir übrigens nicht darunter gezählt. Das ist keine Frage, der man sich meiner Meinung nach noch philosophisch nähern kann. Wer Sinn sucht, wird in der Philosophie scheitern, da Sinn immer Entscheidung und nicht Unterscheidung bedeutet. Will ich Sinn muss ich mich irgendwann entscheiden, worin dieser liegen soll. Unterscheidungen werden mit längerer Untersuchung immer komplexer und somit eher sinnlos in Bezug auf einen persönlichen Sinn. Sie zeigen, dass jede Erkenntnis eher von mir persönlich wegführt, als dort hinführt, so der Erkenntnisstrang nicht abgewürgt wird: die Entscheidung.
Wenn ich sage, dass die Philosophie sich nur sinnvoll selbst auf sich selbst beziehen kann, wenn sie die Fragen des Lebens ins Blickfeld nimmt, dann meine ich, dass Fragen der Antropologie, Fragen der Ethik, Fragen der Kultur und Gesellschaft fragen nach Entitäten abgelöst haben. Eine Philosophie ohne einen Begriff von und Bezug auf Lebenswelt ist spätestens seit dem späten Wittgenstein, ich meine schon seit Hegel, nicht nur sinnlos und leer, sondern vor allem nicht mehr ihrem Selbstverständnis entsprechend; eben nicht mehr kritisch. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Das Paradigma des kritischen ist der Philosophie so innewohnend, dass Philosophie studieren immer auch bedeutet einen gewissen Zynismus zu lernen.
Alles ist Quatsch, überall lauern Kategorienfehler und Verkürzungen von Komplexität. Jedes Sprachspiel enthält Fehler und kaum einem Diskurs wird Rechnung getragen. Kurz, man wird als ernster Philosoph von genau dem Bereich, der zur Untersuchung festgeschrieben ist, weggetrieben. Zynismus ist die Unfähigkeit sich positiv auf das was ist zu beziehen. Und genau hier setzt das philosophische Denken ein und weist dem Satz jede Menge Fehler nach. Philosoph zu sein ist im Grunde die Unfähigkeit sich entscheiden zu können, denn gute gründe erfordern Urteilskraft und diese ist in ihrem kreativen Moment unendlich.
Als Student der Philosophie ist man also irgendwann vor die Aufgabe der einzigen Entscheidung gestellt, die die Philosophie bereitzuhalten scheint: Analytiker und somit Handwerker der Philosophie oder Hermeneutik und somit einerseits Kreativer und andererseits Quatschkopf.
Die Verbindung dieser beiden Positionen ist zwar immer schon Habitus deutscher Philosop0hie gewesen, aber dazu wird nicht angeleitet. Es scheint doch immer so zu sein, als gebe es nr eine der beiden Argumentationsklassen und ein Übertrag wird immer angekreidet. Das Witzige daran ist, dass dies nahezu jeden Studenten ungemein auf die Nüsse geht, aber sobald der Student dann in Promotion oder Mitarbeiterstatus gehoben ist, scheint die Abkehr auf mysteriöse Art und Weise vollzogen zu sein. Damit soll nicht plump ausgedrückt zu sein, dass Mitarbeiter ihre Wurzeln vergessen. Es soll noch nicht einmal eine Kritik daran formuliert werden, sondern mich würde schlicht interessieren, warum das so ist.
Wenn ich mir vorstelle, diese Entscheidung treffen zu müssen, dann mache ich doch lieber etwas anderes. Denn wenn schon Begrenzung um des Zieles willen, dann doch bitte funktional konsequent und mit richtigem Gehalt. Denn wenn der Professorenstatus nicht erreicht wird, war die Entscheidung so schade wie verheerend.
Zu leben ist immer eine Einschränkung von Möglichkeiten, aber der Preis sollte einem Bewusst sein. Leider ist dieses Bewusstsein das eines Zynikers.