„Wenn ich nicht sagen kann, was ich will, bin ich nicht mehr ich„, sagte meine tschechische Freundin zu mir und ähnliche Gedanken sind mir während meines Auslandsaufenthalts in Tschechien auch gekommen. Ich bin mein Ausdruck, ich bin Person als handelnde Person und durch das nicht Vorhanden-sein einer gemeinsamen Sprache in einem Gespräch wird dieser Ausdruck enorm eingeschränkt. Aber nicht nur der Ausdruck wird eingeschränkt, sondern ich als Person bin eingeschränkt.
Humor ohne Wissen um den richtigen Gebrauch einer Sprache wird stotterndes Erzählen, ohne die Pointe setzen zu können. Die Einschränkung des Wortschatzes, die Einschränkung der richtigen Betonung und die Einschränkung des Gefühls für Redeweisen der Sprache setzt die Pointe für dich. Meist geht sie unter im kümmerlichen Reden.
Die Leute lachen, aber seltener mit dir. Die Leute verstehen, aber selten verstehen sie dich. Die Einschränkung der Sprache drückt ein eingeschränktes Selbst aus, das sich nur über lange Zeit, aber wohl nie ganz, entschränken kann.
Du bist nicht deine Sprache, aber ohne Sprache bist du auch nicht du selbst.
Kommentare
Ich bin im Moment in einer ähnlichen Situation: Ich lebe in China, kann aber kaum Chinesisch. Englisch spricht im ländlichen China kaum jemand. So sind wir (ich und mein Freund) immer die „lao wei“, die nichts/kaum was verstehen.
Wirklich kennen lernen können wir so nur Leute, die Englisch sprechen oder mit denen wir ständig Kontakt haben. Die Verständigung mit Händen und Füßen in Verbindung mit ein paar chinesischen Fetzen klappt inzwischen gut. Überraschend gut. Dennoch ist es manchmal zermürbend. Denn China ist anders, ironische Witze kommen nicht gerade gut an (Versaute Witze dagegen sind ohne Sprachbarriere möglich). Doch das ist zu verschmerzen. Viel schlimmer ist es, wenn wir begründen wollen, warum wir etwas tun oder nicht tun möchten. Es geht nicht! Inzwischen hab ich mich daran gewöhnt auch mal unhöflich zu sein, wenn ich etwas eigenen Willen zeige.
Du hast Recht, Sprache gibt uns Identität und ist mehr als der bloße Austausch von Informationen.
[…] Wie sehr schränkt es mich ein, wenn ich die Sprache meiner Umgebung nicht sicher beherrsche, fragt Soeren Onez. […]
Ich habe früher nie über dergleichen nachgedacht, aber durch die Arbeit im Krankenhaus während meines Zivildienstes mit Aphasikern; habe ich gelernt, wie extrem tragisch der Sprachverlust ist.
Das „sich nicht äußern können“ endet zwar oft bei Zeichensprache, womit sich die meisten Patienten durchaus ausdrücken können, aber wenn die entsprechende Person merkt, dass man sie überhaupt nicht versteht, wird daraus meist ein emotionales Chaos. Dementsprechend finde ich Sprachbarrieren natürlicher Herkunft eher weniger schlimm, auch wenn ich weiß wie ernüchternd es sein kann, wenn man von symphatischen Leuten der anderen Sprache nicht die gewohnte verstehende Reaktion bekommt!
.“..auch wenn ich weiß wie ernüchternd es sein kann, wenn man von symphatischen Leuten der anderen Sprache nicht die gewohnte verstehende Reaktion bekommt!“
Das Problem kenne ich nicht, Menschen die nicht meine Sprache sprechen sind mir nie sympathisch.
@Wowik: dein Statement „Menschen die nicht meine Sprache sprechen sind mir nie sympathisch.“ finde ich erschütternd und kann es gar nicht glauben
Was ist mit der hübschen, 20-jährigen Italienierin, die in der U-Bahn schräg gegenüber sitzt und dich anlächelt? Die Bedienung im vietnamesischen Restaurant, die dir die Wünsche von den Augen abliest und dich super bedient, obwohl mehr als „auf die Karte zeigen“ nicht drin ist?? Dann all die Menschen, die dir weiter helfen, wenn du im Ausland bist, zur Not mittels Zeichensprache? Oder die dich zu etwas einladen, obwohl sie dich nicht verstehen?
Alle unsympathisch?? Was ist mit nonverbaler Kommunikation, die doch einen wesentlichen Bestandteil menschlicher Kommunikation ausmacht? (http://www.stangl-taller.at/ARBEITSBLAETTER/KOMMUNIKATION/KommNonverbale.shtml)
Bist du eine Maschine, die dagegen immun ist??
Das ist schon lustig, manchmal schreibe ich zwei oder drei Seiten tiefschürfende Kommentare und kein Mensch antwortet. Nun habe ich einen einzigen Satz geschrieben und werde mit Fragen überschüttet. Wenn die anfängliche Kürze ansprechender wirkt bzw. einen besseren Einstieg ermöglicht, werde ich mir das für die nächsten Kommentare merken.
@ Claudia
„Was ist mit der hübschen, 20-jährigen Italienierin, die in der U-Bahn schräg gegenüber sitzt und dich anlächelt?“
Ich beginne zunächst mit der zweidimensionalen geometrischen Vermessung des Gesichts und transformiere die Messdaten dann in einen für mich verständlichen Binärcode…001010100 usw.
Nein, ich bin keine Maschine aber mit deinem Beispiel reduzierst du mein Verständnis von Sympathie auf die Form. Natürlich kann eine Italienerin schön anzuschauen sein, aber was wird beim bloßen Anblick schön gefunden?
Der Körper, denn die bloße Betrachtung ist noch nicht sprachlich. Es ging jedoch in den Kommentaren zuvor um Sprache, ich würde also meine Behauptung etwas präziser formulieren: Um etwas Sprechendes sympathisch finden zu können, muss dieses Sprechende meine Sprache sprechen.
„Die Bedienung im vietnamesischen Restaurant, die dir die Wünsche von den Augen abliest und dich super bedient, obwohl mehr als “auf die Karte zeigen” nicht drin ist??“
Es gibt Hunde denen muss man das Stöckchen nur hinwerfen und ohne dass man auch nur ein Wort sagen müsste bringen sie es zurück. Das zweite Beispiel taugt also auch nicht, denn es gibt mannigfaltige Lebewesen die zudiensten sein können, sprechen kann man hingegen nur mit Menschen.
„Dann all die Menschen, die dir weiter helfen, wenn du im Ausland bist, zur Not mittels Zeichensprache? Oder die dich zu etwas einladen, obwohl sie dich nicht verstehen?“
Leider wieder so ein Beispiel aus der Lebenswelt, ungenügend weil beliebig, man kann genauso gut im Ausland überfallen werden oder wenn du gerne nach Kolumbien fährst stehen die Chancen auf eine Entführung auch nicht schlecht. Ich will damit jetzt keine Diskussion über die Boshaftigkeit bzw. Gutmütigkeit „fremder“ Völker beginnen, sondern nur zeigen dass solche konstruierten Situationen zu keiner Argumentation taugen.
„Alle unsympathisch??“
Ja, allein die Beispiele sind es.
„Was ist mit nonverbaler Kommunikation…“
Das ist ein guter Punkt, denn hiermit deutest du indirekt auf das Potenzial hin welches eine solche Diskussion über Sprache haben könnte, vorausgesetzt man würde sie anders führen.
Die Kommunikation verrät dich. Ich will, obzwar ich, wie du mit deiner Schlussbemerkung schon passend bemerkt hast, Grimassenschneiden und Gestikulation als Mittel zur Kommunikation weder beherrsche noch schätze, nicht abstreiten dass es möglich sei sich derart zu verständigen.
Kann man Verständigung durch Mimik und Gestik jedoch als Sprache bezeichnen? Wo liegt dann der Unterschied zwischen der Art und Weise wie Tiere kommunizieren, man denke mal an Drohgebärden oder Warnlaute mit denen diese sich ja auch irgendwie „verständigen“ und der Kommunikation zweier Menschen.
Kann das Sprechen mit Sprache gleichgesetzt werden? Ist das Sprechen insofern nur eines unter vielen Mitteln zur Kommunikation als dass damit nichts anderes gesagt werden könnte was auch auf andere weise sagbar wäre? Weil Sprache eben mehr ist als das bloße Sprechen, bräuchte man den Vietnamesen auch nicht mit einem Hund gleichzusetzen, (Überaufmerksame Leser hätten mir diesen Gedanken sicher vorgeworfen) man kann zwar im Sinne eines sprachlichen Austausches weder mit dem einen noch mit dem anderen Sprechen wohl aber mit beiden auf irgendeine Art kommunizieren. Der Unterschied zwischen dem Hund und dem Vietnamesen liegt eben darin, dass der eine Sprache hat und der andere nicht, d.h. beim Vietnamesen fehlt nur das adäquate Sprachmittel, beim Hund fehlt die Sprache selbst.
Oder anders: Versuche jemandem (vielleicht einem Inder) den Inhalt des vorherigen Absatzes mithilfe von nonverbalen Kommunikationsmitteln deutlich zu machen.
@ soeren onez:
Eigentlich wollte ich mir Kritik dieser Art verkneifen zumal ich selbst nicht gerade in ausreichender Zahl Artikel schreibe und irgendetwas immer noch besser ist als nichts. Nun, ich hoffe es klingt nicht zu bösartig, denn das soll es eigentlich nicht sein.
Ein interessantes Thema das du angeschnitten hast. Die Betonung liegt auf „angeschnitten“, denn ich war vom Umfang und Inhalt des Artikels verhältnismäßig enttäuscht. Für das Potenzial des Themas Sprache, welches mit Sicherheit nahezu unerschöpflich groß ist, ist der Artikel viel zu kurz geraten. Ich denke die unzureichende Qualität lässt sich auch an dem „weiblichen“ Diskussionsstil erkennen: Statt ein Ergebnis zu verfolgen oder wenigstens die fehlende Tiefgründigkeit nachzuholen, tauscht man sich bei Kaffee und Kuchen über belanglose Erfahrungen aus.
Wie war euer Tag denn heute so?
Ach…wie „spannend“!
Und ich bin der verdammte Weihnachtsmann.
Ich hoffe wir kriegen die Kurve noch.
Deiner Kritik an diesem Artikel entspreche ich voll und ganz, überlegte ich doch selbst einige Zeit ob ich diesen nicht zu Ende gesponnenen Gedanken anderen zu lesen gebe, oder nicht. Aber ich habe mich dafür entschieden, weil ich gedacht habe, besser mal anreißen und damit vielleicht jemand anfixen, als nicht schreiben und selbst schon bald vergessen haben. Ich bleibe selten lange bei einem Thema, wie du sicher meinen thematisch immer wieder wechselnden Artikeln entnehmen kannst. Wenn ich einen Artikel, den ich heute erdacht habe, nicht heute schreibe, schreibe ich ihn nie. Das heißt nicht, dass das Thema verschwindet, aber morgen werde ich anders darüber denken. Aber das ist nur der pragmatische, vielleicht nachvollziehbare Teil.
Der zweite Teil wird weniger verständlich, weil er einem Thema untersteht, dass ich nur ungenügend mit Hoffnung betiteln kann. Deine Argumentation gegen das Fremde (ohne es abzulehnen oder auszugrenzen) ist hier ja schon oft aufgetaucht und ich kann ihr folgen, bis zu einem gewissen Punkt. Dieser Punkt heißt Überwindung. Das ist weder notwendig, noch sinnvoll noch sonstwie fassbar zu machen. Es ist ganz einfach Leben.
Wenn ich hier in Deutschland mein ganzes Leben verbringen müsste, würde ich verrückt werden, bevor mich das Leben hier verrückt machen würde. Nenn es Flucht, nenn es Aufbruch, nenn es Fernweh. Ich muss hier manchmal weg, muss mich und die Welt, kurz das leben neu entdecken, bei Null anfangen, gedanklichen wie sozialen Ballast hinter mir lassen können, um mich als sich entwickelnde Person ernst nehmen zu können. Dieses Ferne kann ein Schritt, eintausend Kilometer oder eine Entscheidung sein. Das spielt keine Rolle. Es muss nur möglich sein. Denn das ist Hoffnung für mich.
Wenn ich aber von vorneherein eine Einstellung wie du sie hier verteidigst gehabt hätte, wäre ich nicht derjenige, der mit dir redest. Werde, der du bist heißt eben auch, nichts auszuschließen, auf das du hoffen kannst. Wahrscheinlichkeiten bringen dich nämlich nur wahrscheinlich weiter.
Ich habe in Tschechien Jana kennengelernt und wir haben uns ein halbes Jahr nicht verstanden. Haben uns mit Englisch beholfen, was sie erst gelernt hat und ich nur bedingt kann. Es hat funktioniert, weil das Leben, weil mein leben nicht nur aus konsequent zu Ende Gedachtem besteht, sonder aus Sympathie, die durchaus auch erstmal auf Basis der Hoffnung vergeben werden kann.
Alles nur Kaffeklatsch? Ja sicher, was hast du erwartet?
Wenn du man um sich herum nicht verstanden wird und nichts versteht, dann wird man ruhig. Wenn man ruhig wird ohne ruhig zu sein, dann wird man sich fremd. Sprache gibt uns die Möglichkeit das was du Tiefgang genannt hast, zu erfahren. Aber manchmal nimmt man die Sprachlosigkeit in Kauf, weil Sprache nicht die einzige Art des Erfahrens ist. Das lässt mich immer wieder aufbrechen, sei es in Gedanken oder in andere Länder. Mich interessiert das Erfahren, Tiefgründigkeit ist eine Art davon. Eine unter vielen.
Vielleicht reicht dir das, vielleicht auch nicht. Sprich an, was dich an der im Artikel angerissenen Sprachkonzeption stört und vielleicht kratze ich dann gerne mit dir die Kurve. Aber sich unter Menschen bei Kaffee und Kuchen auszutauschen lasse ich mir dennoch nicht madig reden.
Ich muss zugestehen, dass ich denselben Gedanken wie unser Untergangsprophet hatte, als ich deinen Artikel las; das heißt, nicht ganz denselben: Der „weibliche“ Diskussionsstil finde ich lieblich; m.E. besteht die Gefahr vielmehr darin, dass der Artikel zu einem bildungsbürgerlichen Umgang mit einem philosophischen Thema wird, der dieses im Endeffekt eher ächtet als es zur Diskussion zu stellen. Die Empirie wird zum Austausch der Erfahrung, der Gedanke zum trivialen Aphorismus.
Der Punkt ist höchst kompliziert, denn er betrifft die Frage nach der Form einer öffentlichen „sachlichen“ Diskussion überhaupt. Unter dem Gesichtspunkt dessen, was ich eben angemerkt, würde ich deine Antwort auf Wowik in so fern für mangelhaft ansehen, als dein Artikel, trotzt deiner ganz bestimmt „guten“ Absicht, eine problematische (nämlich bildungsbürgerliche) Struktur verwirklicht und diese Struktur eben durch deine Absicht „besser mal anreißen und damit vielleicht jemand anfixen, als nicht schreiben und selbst schon bald vergessen“ zu Stande kommt. Das Dilemma ist nun, dass die Figur, die du beschreibst, gleichzeitig eine gewisse Notwendigkeit und wichtige Qualität besitzt. Dein Talent für das Bloggen, besteht z.T. darin, dass du nicht davor zurückscheust mal richtig „weiblich“ und „bildungsbürgerlich“ zu sein. Wowik reflektiert seine Unfähigkeit: Die langen Kommentare bleiben unkommentiert. Vielleicht ist das ein Hinweis darauf, dass die kurzen Artikel für eine öffentliche Debatte notwendig sind. Wenn es u.a. die Absicht der Endlosrekursion ist, eine sachlichere Diskussion in die blogosphärische Öffentlichkeit zu stellen (ein arrogantes Unternehmen), dann ist diese kurze Form unvermeidbar. Leider hat dieses Argument den Klang der volksaufklärerischen Arroganz einer Elite die eingesehen haben will, dass sie pädagogisch vorgehen muss. Die Seite der unkommentierten Kommentare hat jedoch eine ähnliche Arroganz, nämlich diejenige der Ignoranz einer selbstzufriedenen Institution. Das Dilemma tritt also auf dieser Ebene wieder hervor.
Die Überlegung hier geht lediglich um die Frage, ob die Form des kurzen Artikels durch seine, wie du sagt, pragmatische Funktion gerechtfertigt werden kann. Das beschriebene Dilemma scheint zwei immanente Aspekte verdeutlicht zu haben, die latent schon in unseren angewendeten Begrifflichkeiten versteckt lagen und wir jetzt dafür benutzen können, die gefährlichere von der vorteilhafteren Seite des kurzen Artikels zu unterscheiden: Die Weiblichkeit seiner Form ist eben der Vorteil; sie ist die Einladung zum Gespräch, besitzt Nähe und Vertrautheit, lässt ein bisschen Quatsch und ruhige Annährung zu. Die Bildungsbürgerlichkeit seiner Form ist der Nachteil, der zu vermeiden wäre; sie stellt der ungründliche Umgang mit einem Thema dar, der in seiner Wirkung in der Debatte von der Illusion geprägt ist, dass das Thema ernsthaft diskutiert wird. Am Ende dieser Bewegung stehen die Bürger im Salon und geben einander Recht, während sie an die Mahlzeit denken und sich gebildet fühlen. Nach dem nahrungsvollen Essen gehen sie in das Herrenzimmer: Die Weiblichkeit wird verdrängt und die Selbstzufriedenheit endgültig durchgesetzt.
Mein Rat wäre also, dass du den weiblichen Stil behältst und die bildungsbürgerliche aphoristische „Überlegung“ in einen interessanten Gedanken verwandelst, so wie ich weiß, dass du es sehr gut kannst.
Dieses Ergebnis muss notwendigerweise auch mich selbst treffen. Weniger trifft sie bei Wowik zu, der, anscheinend ohne es gemerkt zu haben, einen sehr weiblichen Stil hat (wie jeder Untergangsprophet). Ich dagegen komme selten dazu einen Artikel zu verfassen, weil ich immer viel Zeit und Aufwand brauche. Dies heißt nicht, dass ich besonders gründlicher oder geistiger bin, als andere Verfasser, sondern nur, dass ich im weiblichen Stil nicht geübt bin. Sagen wir, dass dieser Text eine erste Übung war. Soll ich nun etwas zur „Sprache“ sagen? Ach, lassen wir es lieber.
Nun gut, dann will ich mich auch noch diesem Vorwurf der anderen Seite entgegenstellen. Kürzer zwar, da die Argumentation in Konsequenz eine ähnlich sein muss, wie die Erwiderung auf den Vorwurf, weibisches Geschwätz produziert zu haben. Denn ich werde einfach (so einfach ist es natürlich nicht) den Begriff des bildungsbürgerlichen nicht akzeptieren und ihn hier versuchen zurückzuweisen.
Es scheint mir so, als schränkt ihr beide, aus welchen Gründen auch immer, das ein, was Sprache alles ein kann. Mit Berechtigung sein kann. Wissenschaftlich und tiefgründig habt ihr beide mir jetzt vorgeschlagen, ruhig wie mir großzügig von dir ABC zugestanden wurde, mit weibischen Passagen, die aber nicht die Grundintention ausmachen sollten. Warum denn nicht? Was ihr tiefgründig und wissenschaftlich im Gegensatz zum bildungsbürgerlichen und weibischen seht, stellt sich mir nicht als Gegensatz dar. Wie bildungsbürgerlich ist denn die Wissenschaft, wie peinlich berührend muten denn bisweilen wissenschaftliche Beiträge an, um die sich anscheinend keine Sau kümmert. Wie weibisch daherredend sind denn tiefgründige Aussagen, die im Grunde schon von vorneherein davon ausgehen, dass sie nicht einmal eine handvoll Leser jemals verstehen werden.
Du doof, selber doof? Nein meine Argumentation geht einfach von einer anderen Ebene der Betrachtung aus. Die nicht richtiger ist, sondern eine andere Perspektive setzt. Meine Perspektive. Mich interessiert die Philosophie nicht partout. Mich interessiert Literatur/Theater/Film Mich interessiert Sprache nicht partout. Mich interessiert das Internet nicht partout. Mich interessieren Themen, weil sie mein Leben stark beeinflussen, weil sie das Leben vieler stark beeinflussen. Mich interessieren diese Themen, weil ich in ihnen das Potential sehe weiterzuschreiten, wohin auch immer. Dieses Schreiten, was im Grunde ohne Grund auskommen muss, lässt sich oft nur als Mischung dessen beschreiben, was oben als tiefgründig, weibisch, bildungsbürgerlich und wissenschaftlich beschrieben wurde. Weil all das ein Teil meiner Person ist. Aber diese Person schreibt.
So jetzt kann man natürlich deine Kritik ABC ernst nehmen und sagen, naja, war blöd der Text, merk’ste selber, mach’ste nicht nochmal, ne?
Aber hier kommt das Bloggen ins Spiel, was ich zudem oben genannten Themen gerne betreibe. Bloggen ist eben auch Persönlichkeit zeigen und an Persönlichkeitsveränderungen teilhaben zu lassen. Und zwar sowohl als wissenschaftlich geistigen Fortschritt, als auch menschlich weibischen Fortschritt. Manchmal verwischt eben das und es ist gerade schön, wenn zwei so genaue Kommentare darauf hinweisen. Da zeigt sich die kommunikative Kraft des neuen Mediums Internet.
Das heißt allerdings nicht, dass ich so eine rege Diskussion mit dem Artikel bezweckt oder sie gar geplant, intendiert hätte. Nein, der Zufall ist immer noch der interessanteste Diskussionspartner. Wenn man diesen aber durch eure Überlegungen beiseite schiebt und nicht zulässt, wüsste ich nicht, worauf ich noch hoffen könnte. Hier schließt sich der Kreis der Argumentation, komme ich doch auch dazu bei meiner ersten Entgegnung zu meinem Artikel. Die Hoffnung zu einem Menschen zu werden, der ich gerne sein möchte, lässt sich durch Wissenschaft nicht erfüllen. Das mag kurzsichtig sein, aber ich sehe in all dieser Tiefgründigkeit einfach kein Licht, das Leben erheblich zu erhellen. Auch die gelebte Erfahrung scheint mir dieses Licht nicht auszustrahlen.
Würde ich mich also auf eine der von euch vorgeschlagenen Formen eingehen und dies Ernst nehmen, hieße dies in Konsequenz mich aufzugeben. Denn ja ich glaube, das Weib in mir hat eben so eine Berechtigung wie der tiefgründige Denker, ebenso der rationale Wissenschaftler, ebenso der aufgeblasene Bildungsbürger. Ich will mich nicht Einschränken nur weil die sonst eintretenden Auswirkungen vielleicht peinlich (Bildungsbürger), oder uninteressant (Weib) sein könnten. Das wäre nämlich erst recht peinlich und uninteressant.
Du siehst, ich erzähle dir etwas, habe auch den ein oder anderen Spruch hier „versteckt“. Weil ich glaube, dass dies bisweilen eine super Unterhaltung ist. Ich weiß nicht was ich dir auf deinen tollen Artikel über Foucault sagen könnte, auch wenn es da sicher redlich viel zu diskutieren gäbe. Aber sich darüber zu streiten, was eine angemessene Form des Schreibens im Internet ist, das kommentiere ich gerade mit Freude. Nächste Woche kann es andersherum sein, was soll’s.
Ich schreibe gerne. Ich schreibe so wie ich eben bin, mal so, mal so. Zielgerichtet schreiben und leben ist klasse, so dies nicht pathologisch wird. Mein Blog, mein Wohnzimmer, meine Gespräche, geh wenn es dir nicht passt, ist natürlich hier auf diesem Gruppenblog nicht angebracht, aber grundsätzlich meine Haltung zu der grundlegenden Kritik eurerseits. Nicht, weil mich die Kritik nicht trifft, mich nachdenken macht, sondern, weil sie einen Bereich anspricht, der zur Farce verkommt, so er sich durch Kritik zu sehr beeinflussen lässt.
Aber so schreiben wie ich will kann ich auch woanders, das muss nicht hier sein. Eine Diskussion darüber zu führen, was die Endlosrekursion ausmacht, wie wir hier schreiben, auftreten etc. will ich schon seit Beginn dieses Projekts anregen. Bisher ohne Erfolg. Sollte der Artikel wirklich der Auslöser einer solchen Debatte sein, käme ihm mehr Gewicht zu als er wohl hat, aber so es der Zufall will.
Wie wollen wir hier schreiben, sollen Aphorismen, denn mehr Gehalt als solche hatte der Beitrag wirklich nicht, hier erscheinen, oder nicht? Mich schränkt das nicht ein, Blogs zu befüllen habe ich einige. Wo also wollen wir hin mit der Endlosrekursion? Und können wir überhaupt? Was ist denn die Alternative zu solchen Texten, wie dem kritisierten?
„Weniger trifft sie bei Wowik zu, der, anscheinend ohne es gemerkt zu haben, einen sehr weiblichen Stil hat.“
Der Diplomat hat gesprochen.
Es scheint als hätte er die sonst doch feinen, artigen Töne nicht getroffen, denn derart grob bin ich selten beleidigt worden. Erfreue dich am Donnern der Salve und an der Wirkung im Ziel, dergleichen will nicht oft gelingen.
Wahrlich, das Dilemma des „Untergangspropheten“ ist, dass dort wo er zum Schweigen bringen wollte, von sich reden machend, das Gespräch belebt und es ist seine Magie dass dort wo sein Hammer zermalmen sollte, etwas erwächst das größer ist als das Alte, welches bereits zerschlagen schien. Nun sieh: Ich schaffe wo ich zu zerstören gedachte, was würde sich wohl aus den Trümmerhaufen erheben wenn ich erst schaffen wollte…
Zur Frage des Stils möchte ich noch anmerken, dass ich abc´s Problematik der Arroganz nur bedingt nachvollziehen kann.
Ich kann mich grundsätzlich nicht mit dem Gedanken anfreunden etwas „für den Leser“ zu schreiben. Natürlich ist es schön gelesen zu werden und wenn der Ein oder Andere einen anregenden Kommentar hinterlässt soll mich das freuen. Wenn wir in den als „lieblich“ bezeichneten, weiblichen Stil verfallen sollten, leuchtete mir nicht ein, wie dies die Blogglandschaft verändern würde. Ich glaube eher es gibt viel zu viele Bloggs, obwohl mir freilich nur ein Bruchteil davon bekannt ist, die sich an den Wünschen und Gewohnheiten ihrer Leser allzu sehr orientieren. Es ist ja durchaus nicht so als wenn wir einen Bildungsauftrag zu erfüllen hätten. Neunmalkluges Gebabbel durch welches der Leser zu irgendetwas herangebildet werden soll ist scheußlich, zumal wir ja nicht so etwas wie einen Lehrplan hätten. Und zum Teufel noch mal mit der kurzen Form.
Jenen Teil der unkommentierten Kommentare finde ich wenig überzeugend, faktisch ist eben dies zur Zeit der Fall, war eigentlich immer schon der Fall. Wir schreiben Artikel welche hauptsächlich von uns selbst kommentiert werden und die Antworten auf die Kommentare werden zu 80 – 90% wieder von uns verfasst. Der obige Artikel stellt eine der wenigen Ausnahmen dar und wenn ich die dazugehörige Diskussion, zugegebenermaßen beginnt sie sich langsam in eine interessantere Richtung zu entwickeln, mit den Diskussionen zu „Ernst der Geschichte – Melancholie der Gegenwart“, „Verbrechen an der Menschlichkeit“ oder „Konjunktiv des Massenmords“ vergleiche, dann erscheint sie mir verhältnismäßig seicht. Daher finde ich die Befürchtung dass, wenn man den Leser beim Schreiben gänzlich ausblendete und im Zweifelsfall „unter sich“ diskutierte, die Endlosrekursion zu einer selbstzufriedenen Institution verkäme, ungerechtfertigt. Im Gegenteil es ergeben sich doch immer wieder recht hitzige Diskussionen, die weit davon entfernt sind „selbstzufrieden“ zu sein. Ich klopfe jedenfalls niemandem unbedacht auf die Schulter. Vielleicht ist auch eine gewisse Selbstüberschätzung, die ich mich zu pflegen bemühe, angebracht, um gar nicht erst ein Wir-Gefühl bzw. eine Wir-Sind-Gut-Zufriedenheit aufkommen zu lassen.
„Mein Rat wäre also, dass du den weiblichen Stil behältst und die bildungsbürgerliche aphoristische „Überlegung“ in einen interessanten Gedanken verwandelst, so wie ich weiß, dass du es sehr gut kannst.“
Das war mein Fehler, denn ich habe den Begriff der „Weiblichkeit“ in diesem Zusammenhang eingeführt. Der weibliche Stil bezog sich aber weniger auf die Art und Weise des Schreibens als auf die Art und Weise der Diskussion selbst, nämlich ein Mangel an Tiefe und Gründlichkeit sowohl im Ausgangsartikel als auch in den folgenden Kommentaren.
Deshalb womöglich auch die undiplomatische Bemerkung des Diplomaten zu meinem Stil, denn er scheint dem Dogma verhaftet zu sein welches einredet dass „wissenschaftlicher“, „philosophischer“ Text in nüchterner Sprache geschrieben werden müsse. Hier ganz im Geiste Schröders: Wortspiele beängstigen, weil sie mehr als den bloßen Inhalt vermitteln, Wortgewalt beunruhigt weil sie stets wie „Sophisterei“ wirkt. Doch es wurde Männlichkeit mit Knabenhaftigkeit verwechselt, oder bricht gar der Grundschüler aus des Mannes Brust? Ein Herr der Sprache, ein Berserker des Wortes, der dazu reich an Inhalt ist hat es eben nicht nötig alle Gedanken für Jedermann zur Schau zu stellen, er kann es sich leisten zu verstecken, etwas verschwinden zu lassen um es später wieder aus dem Hut zu zaubern. Ich fürchte ein in akademischen Kreisen gut gepflegter Gedankenexhibitionismus der dem Leser gleich alles zeigen will was er zu bieten hat (und zumeist ist dies nicht viel), bei dem der Stil vor dem herkömmlichen Inhalt in die Knie gehen muss, hat dazu geführt das Fünfwortsätze und die Wortgewandtheit eines Viertklässlers – oder Karl Poppers, zum Non plus ultra der „sachlichen“ und „wissenschaftlichen“ Form mutiert sind, wobei gilt: Jede Metapher ist schon ein Stilbruch.